Let’s celebrate!

Eigentlich wollte ich meinen Senf ja aufsparen, bis ich nächstes Jahr – so Gott will – selbst auf der MEHR abgehottet wäre (oder hätte?). Aber dann stieß ich auf den Bericht der „>Tagesschau, und da kann ich dann doch nicht die Klappe halten.

Mir geht es dabei gar nicht vorrangig um die MEHR-Konferenz, sondern um die typisch gestrige, traurig unflexible und altbacken tranige Attitüde des Mainstream-Theologen-Blas: Ein Ärgernis für die ganze Kirche in ihrer Universalität und Weite.

Grundsätzlich ist der Bericht relativ ausgewogen, man hätte sich Schlimmeres vorstellen können. Aber natürlich muss so etwas Außergewöhnliches, wo 10.000 Christen zusammenkommen – und „sogar die katholische Kirche macht mit“ (äh, ja, ein Katholik hat das Ganze sogar initiiert, aber egal) – von einem Experten kommentiert werden, denn wo kämen wir dahin, wenn wir uns das Denken nicht vorkauen ließen, damit es uns besser bekommt?

Der hier ausgewählte Theologe heißt Magnus Striet und gehört zu jener Degeneration Theologen, deren Äußerungen hoffentlich bald nur noch als Fossile unbeweglichen Unglaubens Staunen hervorrufen werden. Ich stelle mir vor, wie in ein paar Jahren in katholischen Schulen Beiträge wie dieser den Schülern vorgespielt werden, die dann, wie im Sexualkundeunterricht, heftig zu giggeln beginnen, weil es sie peinlich berührt, dass jemand so etwas Ignorantes von sich geben kann.

Striet ist kritisch. Das ist so erst mal in Ordnung. Zum einen habe ich selbst schon erlebt, dass es problematisch ist, wenn Events nicht Teil des Glaubenslebens, sondern Essenz des Glaubenslebens werden sollen. Das wird aber von allen wirklich glaubensstarken „Charismatikern“ auch immer als problematische Tendenz selbst angesprochen und es wird darauf hingewiesen, dass es so nicht sein soll und nicht gemeint ist. Ebenfalls durfte ich schon feststellen, dass es auf „charismatischer“ (Man sieht schon am inflationären Gebrauch der Gänsefüßchen, was ich von solchen Kategorien halte)  Seite durchaus ebenfalls starke Vorurteile gegen „traditionelles“ Christentum gibt, und dass die Offenheit, sich hier mal auf etwas anderes einzulassen, oft nicht gegeben ist, wenn es nicht mit Lichteffekten und Popmusik ist. Bloß ist Mangel an Offenheit und die Notwendigkeit, sich diese zu erarbeiten, wahrscheinlich eine Grunddisposition von mindestens 80% der Weltbevölkerung, also normal, und nicht weiter schlimm, wenn man sich darüber bewusst wird.

Kritisch im Sinne von „problematische Tendenzen ansprechen“ ist also total in Ordnung: Schließlich hat Glaube immer mit Balance zu tun: Keine Emotion, schlecht, nur Emotion, auch schlecht. Glaube als Event, nicht gut, Glaube ohne Ritual, kein bisschen besser. Allerdings wäre es doch sehr pessimistisch, wenn wir so an den Glauben herangehen wollen, weshalb die Kirche seit jeher eher versucht, positiv zu beschreiben, was getan werden soll. Das sehen wir schon an der Erweiterung der 10 Gebote durch die Bergpredigt: Statt das Minimum festzulegen und damit immer nur in den Abgrund der menschlichen Möglichkeiten zu schauen, regt uns die Bergpredigt dazu an, den Gipfel zu stürmen: Es ist euch gesagt, dass ihr dieses oder jenes tun oder nicht tun sollt, Jesus aber sagt: Geh darüber hinaus! Tu MEHR. Genau. Darum sagt die Kirche auch: Et-Et. Sowohl als auch. Glaube soll von Emotion und Vernunft getragen werden, er soll persönlich und gemeinsam sein, er soll offen und weit sein, und gleichzeitig konzentriert auf den Kern, usw. Nun darf man sich eines nicht erlauben, wenn man kritisiert: Seine Vorurteile projizieren. Natürlich kann es sein, dass ich es als äußerlich empfinde, wenn ich beim Singen eine Hand hochreißen würde, die Augen schlösse und hin- und herwippte. Das muss nicht heißen, dass es bei anderen äußerlich ist. Will ich etwas bewerten, dann muss ich Motiv, Durchführung, Inhalte und Früchte betrachten, und dazu wäre es hilfreich, es sich einmal anzuschauen. Dass Striets Kritik auf Vorurteil und nicht auf Anschauung beruht, offenbart sich sofort: Man müsse abwarten, sagt er gönnerhaft, ob sich das weiterentwickeln würde, ob es konstruktiv wäre, und Pluralismus zulasse. Bitte? Habe ich recht gehört? Muss es sich erst als konstruktiv erweisen, wenn man es schafft, 10.000 Menschen quer durch die Konfessionen um Jesus zu versammeln? Wenn das nicht konstruktiv ist, was dann? Wenn der Prediger des Papstes und evangelikale Prediger auf einer Konferenz zusammen zu den Menschen sprechen, was könnte das anders sein als „pluralistisch“ und „konstruktiv“? Hier möchte sich jemand nicht öffnen, das ist alles. Und es ist schade, dass die Tagesschau auf ihrer Suche nach einem Experten gleich ein Prachtexemplar des verbiesterten, verschlossenen Theologen aufgetan hat. Katholisch, dein Name ist Sauertopf. Jedenfalls in Deutschland.

„Aggressiv“ nennt es der Theologe, wenn Menschen singen, klatschen, tanzen und beten. Das kann ich gut verstehen. 10.000 Menschen, die die Arme hochreißen, eine Hand in die Luft halten und „Jesus“ singen, da kann einem schon anders werden – könnte es sein, dass da Menschen glauben? Also, in echt? Das kalte Grausen überkommt mich. Seit Jahrzehnten versuche ich, Menschen einzutrichtern, dass das alles nicht so gemeint ist, und dann stehen da plötzlich, nach jahrelangen Mühen tausender Theologen 10.000 Menschen, viele davon jung und dynamisch, und glauben immer noch. Zum Heulen. Und so sieht er auch aus, der Herr Striet, während er in die Kamera guckt: Wie jemand, dem zum Heulen zu Mute ist. „Sieh doch mal erlöster aus!“ würde Nietzsche diesem armen Relikt der kirchensteuerfinanzierten Kirche zurufen. Aber wie kann man erlöst aussehen, wenn die Gefahr naht, in Form von Menschen, die nicht nur glauben, was sie bekennen, sondern das auch noch medial mit modernen Mitteln „inszenieren“? Da kann man nun gar nichts mehr machen, hm? Solange die mit wadenlangen Röcken und langen Zöpfen irgendwo im Bethaus sitzen und ihre Bibelverse lernen, mit Overhead-Projektoren eschatologische Zusammenhänge erläutern oder billige Heftchen verteilen, kann man die Jugend ja noch halbwegs von denen fernhalten. Aber wenn die jetzt mit amerikanisch-hippem Look kommen? Was soll man da noch tun? Man kann darauf hinweisen, dass das Ganze mit „kontinental-europäischen Traditionen nichts mehr zu tun“ habe. Wenn mich nächstens stört, dass der schief singende und auf eins und drei klatschende Gospelchor, der nur aus ergrauten Weißen besteht, „Kumbayah“ singt, dann werde ich es mit diesem Argument versuchen. Seit wann denn so kulturchauvinistisch, Herr moderner Theologe?

Und noch etwas anderes stört den guten Mann: Hier wird Glaube „ästhetisch zelebriert“.  Dieser Satz war der eigentliche Auslöser für diesen Artikel, in dem ich allen Worshippern meinen geschwisterlichen Gruß in Christo entbiete: Hier wird deutlich, wieso „wir Traddis“ und „wir Charismatiker“ eine völlig falsche Schubladendimensionierung ist. Tatsächlich sind wir nämlich ein Feind unter beiderlei Gestalt für Menschen wie Striet. Wir sind nämlich „Wir glaubens- und lehramtstreue Katholiken“. Ästhetisches Zelebrieren – das ist unsere Gemeinsamkeit. Und das ist der Stein des Anstoßes. Nicht bloß glauben für’s stille Kämmerlein, sondern raus gehen, begeistern, feiern, und das auch noch ästhetisch, das ist die Antithese zum protestantisch-vergeistigten intellektuellen Nichtglauben. Na dann: Let’s celebrate. Mir ist es wurscht, ob ihr klatschend um den Altar springt oder ad orientem weihräuchert. Bloß, tut es aus Liebe zu JESUS: „von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all eurer Kraft“. Denn das ist, was Leute wie Striet verängstigt: Es ist wirklich die Angst vorm Charismatiker – aber nicht vor dem Schreckbild des verklärten Verstrahlten, sondern Angst vor dem, der den Heiligen Geist ernst nimmt und ihm zutraut, tatsächlich zu wirken. Denn wo man ihn wirken lässt, geschieht Gewaltiges.