The first blast of the trumpet against the heinous reign of syncopation not sung

Ich hab nichts gegen Neues Geistliches Liedgut. Nichts Wirksames. Haha. Im Ernst: Es gibt da gute Sachen. Schöne, eingängige Texte und zu Herzen gehende Melodien. Problem: Normalerweise nur aus dem englischsprachigen Raum. Deutsche Lieder klingen meist entweder dümmlich, kitschig oder banal. Am Besten gelingen sie noch, wenn sie einfach bloß Übertragungen der Liturgie sind – ein modernes Gloria oder Kyrie oder auch ein schönes Sanctus lassen sich auch mit Beats und Rhythm gut umsetzen.

Nun gibt es zwei Ärgernisse, die sich um eine von mir hoch geschätzte Figur ranken: Die Synkope. Bei richtig schlechten NGLs kann selbst ein Musiker die Noten nur schwer korrekt vom Blatt singen  – weil an allen möglichen und unmöglichen Stellen Synkopen notiert wurden, einfach, weil der Notentext dann so hübsch frech und fesch und modern daherkommt: Mit Üüüüüberbindungen, Punktierungen und so vielen hübschen Schwänzchen an den Notenhälsen. Hach, ist das schön. Nur ist es eben leider nicht sinnvoll, singt man so, wie es geschrieben steht, ist das Lied einfach nur unübersichtlich und seltsam.

In diesem Fall – und nur in diesem Fall – ist es völlig berechtigt, dass die Leute einfach gerade Rhythmen singen und sich um die Synkopen nicht im Geringsten kümmern. Leider ist es nicht musikalische Intelligenz, die die Leute dazu treibt, sondern musikalisches Unvermögen. Was zum zweiten Punkt führt.

Am Sonntag ging ich in eine Kirche, in der man ca. zehn Minuten vor der Messe bereits beschallt wurde – Hintergrundmusik, damit die Leute nicht quatschen, was sie aber trotzdem tun. Keyboard, Gitarre und Schlagzeug, die Trias, die ich im baptistischen Worshipgottesdienst super finde, weshalb ich in altersmilder Menschenfreundlichkeit beschloss, die unbändige Freude der Musikanten über Gottes Gnade und Liebe einfach hinzunehmen: Hat nicht David vor Freude getanzt vor dem Herrn? Hatten die Israeliten nicht Zimbeln und Hörner und Pauken und Harfen und Saiten und…? Das muss doch ein Lärm gewesen sein vor dem HERRN, wogegen sich ein bisschen seichte Popmusik harmlos und fromm ausnimmt. Mein Lieblings-NGL-Heilig, heilig wurde denn auch geschmettert, dass es eine Lust war, und als der Priester dann auch noch das erste Hochgebet anstimmte, brauchte ich gar nicht mehr versöhnt zu werden (okay, mein Zen-Pegel sank rapide, als zur Kommunionausteilung, wenn auch instrumental, „Ins Wasser fällt ein Stein“ gespielt wurde…)

Allerdings kam zum Schluss eben jener mit Zimbeln und Pauken ausstaffierte 150. Psalm in NGL-Form, ein Lied, das ich im Kindergottesdienst ständig gesungen habe und daher auswendig kann. „Alles, was Odem hat lobe den Hee-he-herrn, Hallelu-hu-hu-ja…“ Kein schlechtes Lied. Muss es in der Messe sein? Najaaaaa. Ich hatte den Skeptiker doch zu Hause gelassen. Also gut. Text ist biblisch, Musik fetzt. Finden wir das mal okay. Was nicht okay ist, ist, dass die Fetzigkeit des Liedes durch obstinates Ignorieren jeglicher rhytmischer Varianz komplett plattgestampft wurde.

Liebe Deutsche: Wenn ihr die heilige Messe durch seichte Musik eurer Lebensrealität anpassen wollt: Nur zu. Das wurde immer getan (und die Päpste haben sich übrigens auch immer drüber beschwert). Wenn es euch dabei nicht seltsam bis absurd vorkommt, wenn Messdiener, Diakon und Priester in würdigster Weise ein- und ausziehen, während dazu belanglos – unbeteiligtes „Tschng tschng tschng“ läuft – man stelle sich einmal vor, ein Filmkomponist würde  Ton und Bild ebenso zusammenhanglos nebeneinander herlaufen lassen: Sagen wir, Obi Wan Kenobi stirbt und währenddessen wird „Macarena“ gespielt – okay; Stilempfinden und Anstand sind schließlich nicht jedem gegeben. Aber bitte, bitte, bitte: Wenn, dann richtig. Ihr könnt wirklich nicht „Du bist heilig, du bringst Heil“ singen im Tempo, mit der Inbrunst und rhythmischen Indifferenz, mit der alpenländische Anhänger von Privatoffenbarungen „Segne du Maria“ singen! Wirklich nicht! Das Elend beginnt bereits bei der Kastration der mittelalterlichen und Renaissance-Lieder im Gotteslob, die so umnotiert wurden, dass ihnen jede rhythmische Kraft geraubt wurde (Nun danket alle Gott, z.B.), und diese Tendenz setzt sich eben fort im ungerührten „Gerade“singen von Punktierungen, Synkopen und allem, was sich nicht auf eins und drei klatschen lässt. Was bitte ist daran fetzig, modern oder frisch, wenn ihr alles übersingt, was Fetzigkeit, Modernität und Frische ausmacht? Das ist doch schizophren!

Was würde John Knox dazu sagen? Dies ist eine der seltensten Gelegenheiten, zu denen auf diesem Blog jener berüchtigte Reformator zitiert werden soll (wirkt nur, wenn man das „r“ rollt und die Stimme mit einem schönen 20er-Jahre-Vibrato versieht):

„Let the trumpet sound against the devil’s basest treachery – and be his snares wiped off the earth and thrown into the pit to pitilessly hunt down those who tortured music whilst they lived- let the trumpet sound in quintuplets and syncopation, in every rhythm known under the sun! And behold, the Lord’s wrath shall devour those, who devoid of scarcest decency deprive the solemn songs and hymns of rhythmic variation – Fie, fie, fie! Thrice fie on those decrepit souls who will deny sweet rhythm to unfold that like to frankincese desires to be offered to the Lord of Hosts! Who shall abide this shameless villainy? This most demonic heresy o‘ th‘ foe, this vilest felony and dire disastrous crime, this vain monstrosity?“ (John Knox aus: The first blast of the trumpet against the heinous reign of syncopation not sung, 1558 ; vgl. Hesekiel 25,17)