Freiheit? Nein Danke! – Die Sünde der Väter und die Kinder #2

Im ersten Beitrag zu diesem Thema habe ich die Schicksale des jungen Mörders von Lünen und der Djihadistin Linda W. zum Anlass genommen, um die Zivilisationsmüdigkeit unserer Gesellschaft zu beleuchten. Diese Müdigkeit ist einem Fehlen von Werten geschuldet. Aber haben wir nicht sehr viele Werte? Unsere europäischen Werte eben, Freiheit, Freiheit, äh, Freiheit und…hm…?

Nun, ein Wert, der nicht bezogen ist auf eine absolute Größe (etwa „die Wahrheit“ oder „das Gut“), ist im engeren Sinne keiner, weil man ja keine Bezugsgröße hat, um die Wertigkeit zu bestimmen. Er ist bloß eine Absprache, die man auch aufkündigen kann, wenn sich genügend Menschen finden, die gemeinsam ihre Absage an den Wert erklären. Junge Menschen sind aber so disponiert, dass sie nach echten Werten suchen. Man versucht, ihnen das abzutrainieren, aber sie scheinen sich mit dem sinnfreien Leben, das ihnen vermittelt wird, nicht anfreunden zu können. Die einen werden träge, lethargisch und hedonistisch, die anderen extrem. Dieser Extremismus kann sich auch deutlich sanfter äußern als bei Linda, die gleich in den Mittleren Osten aufgebrochen ist.

Von der sanften Absage an europäische Selbstverständlichkeiten erzählt die Geschichte um Malvina, die dieser Tage einige mediale Resonanz erfahren hat. Menschen regen sich darüber auf, dass Malvina mit dem älteren, mutmaßlich recht viel älteren syrischen Flüchtling Diaa zusammen ist (die ganze Story kann man sich über Kika und den HR ergoogeln). Sie regen sich auch darüber auf, dass Diaa ihr verbieten will, andere Jungs zu umarmen, dass er ihr bereits verboten hat, kurze Kleider zu tragen und dass er sie am liebsten schnell heiraten und unters Kopftuch verbannen will. All das sind mehr oder minder relevante Punkte, aber am wichtigsten ist doch der: Malvina ist kein Glamourgirl. Sie ist ziemlich reif und selbstbestimmt für ihre 16 Jahre. Meinetwegen könnte sie auch mit einem 40-Jährigen durchbrennen; wenn sie davon überzeugt ist, dass es der Richtige ist, bin ich geneigt, ihrem Urteil zu glauben. Und würde sie nach Diskussionen mit einem Evangelikalen der Ansicht sein, dass sie keine kurzen Kleider tragen sollte, ich würde nichts Skandalöses darin erblicken. Malvina sucht sich selbst aus, wie sie leben möchte, und offensichtlich möchte sie von einem Muslim ständig emotional unter Druck gesetzt werden.

Wie kann das sein bei einer links-liberalen Familie, die ihr Kind so erzogen haben, dass es sich freiwillig als Emanze betitelt? Nun, es kann sein, weil offenbar versäumt wurde, Malvina Werte mitzugeben, die ihr ein erfülltes, partnerschaftliches Dasein mit einem komplementären Wesen (=Mann) schmackhaft machen würden. Da sie aber ein intelligentes Mädchen ist, kommt sie von selbst auf die Idee, dass das toll ist, einen Mann zu haben, einen, der stark ist. Bloß, dass sich die Stärke des Mannes nicht darin äußern sollte, dass er Kontrolle über sie ausübt, das hat sie nicht durchblickt. Müsste sie auch nicht. Dafür gäbe es in einer idealen Welt ein christliches Elternhaus. Malvina ist so emanzipiert, dass sie schon mit 16 Jahren genug hat davon. Sie ist so frei, dass sie mit 16 Jahren genug hat von dem ständigen Freisein. Verständlich – kaum etwas ist so anstrengend, wie wertebereinigtes Vagabundentum in Zeit und Raum. Ich empfinde es als monströs, dass uns Jugendliche durch ihre Fehlentscheidungen vorspiegeln, was diese Gesellschaft so kolossal falsch gemacht hat. Sie wählen das, was am weitesten von der Nichtwertvorstellung der Erwachsenen weg ist. Nicht nur aus „automatischem“ pubertären Protest, sondern, weil sie auf der Suche nach etwas sind, das ihnen zusteht: Sinn.