Neopagane Anwandlungen in kulturchauvinistischem Ambiente

Ich beginne ausnahmsweise mit einem Zitat von mir selbst: „…der Flirt übersättigter, säkularisierter Westchristen mit naturreligiösen Elementen, die ja angeblich aus dem Christentum bloß rauspatriarchalisiert wurden…“

Dies war mein FB-Kommentar zu einer Begebenheit, die zwei Krankheiten des deutschen Christentums illustriert. Es geht um Beschwerden surinamesischer Frauen über einen eigenmächtigen Eingriff der deutschen Organisatoren des Weltgebetstags der Frauen. Statt der bildlichen Gestaltung, die die Christinnen Surinams gewählt hatten, haben die Deutschen für sich ein eigenes Bild in Auftrag gegeben, Vorgang und Reaktionen nachzulesen bei idea.

Früher war es ja so, dass der Weiße Mann davon überzeugt war, dem nichtweißen Mann etwas wichtiges mitgeben zu können. Unabhängig davon, ob in einigen Gebieten nicht auch andersherum Bereicherung möglich und nötig war, lässt sich nicht leugnen, dass dem so war: Abgesehen von der dramatischen Botschaft des Evangeliums (das man von olivfarbenen Menschen übernommen und beim Versuch, es anderen zu verkünden, durchaus mitunter pervertiert hat), hatte man vielen Völkern auch gewisse Technologien etc. voraus.

Während man also Arroganz gegenüber anderen zu allen Zeiten verurteilen konnte, ist der Beitrag Europas zur Entwicklung der Welt nicht wegzudiskutieren. Mittlerweile behauptet der Weiße Mann gern, niemandem auch nur irgendetwas vorauszuhaben. Schön und gut, aber wieso meint frau dann doch in Kolonialherrinnenmanier, die mündige Entscheidung der Surinamesinnen übergehen zu können? Offenbar weiß man es doch besser als diese unterentwickelten Völker. Fast jeder kennt diese gönnerhaften Chefs oder auch Mütter, die einen Auftrag geben, uns vorgaukeln, wir hätten Entscheidungsgewalt, uns dann aber alles wieder wegnehmen und es in ihrem Sinne selbst machen. Das ist unverschämt, im Kontext eines gemeinsamen internationalen Gebetstags auch ziemlich peinlich, schließlich können auch die Deutschen diesen einmal gestalten und sich dann austoben, wie sie wollen (Gott schütze uns).

Weltgebetstag der Frau, das roch für mich schon immer nach Klangschalen, nach Räucherstäbchen und seidengemalten fairgehandelten Schals, nach liturgischem Tanz um den Altar und nach einem irgendwie unangemessen esoterischen Frauenbild. Während die Frauen Surinams – sicherlich eingedenk der ursprünglichen Naturreligionen ihres Landes – so deutlich die christliche Dimension des Gebets hervorhoben, dass es religions- und kulturrelativistischen deutschen Frauen übel aufgestoßen ist, haben die Deutschen nun in Eigenregie ein Bild anfertigen lassen, das dummerweise klare Anlehnungen an heidnische Bräuche darstellt. Die sonst so gepriesene cultural awareness gilt offenbar nur in eine Richtung!

Das ist der Flirt, den ich in meiner Eingangsäußerung anspreche. Westliche Christen verdrängen alles, was ursprüngliche Spiritualität ist, aus dem Glaubensalltag: Gebetshaltungen, Rosenkranzgebet, Reliquienverehrung, Sakramentalien, all das wird marginalisiert. Im Gegenzug verherrlicht man, ohne sie wirklich zu kennen, heidnische, asiatische und andere spirituelle Techniken und Inhalte, die es angeblich „bei uns nicht gibt“. Das ist natürlich Blödsinn, es gab sie, bevor sie von denen als unaufgeklärt verdammt wurden, die nun Yoga anpreisen. Solche synkretistischen Anmutungen gehen davon aus, dass der Fülle der Wahrheit etwas in ihrer Substanz fehlt, was es außerhalb des Christentums zu finden gäbe.

Die Natur ist dabei immer wieder Thema: Angeblich habe das Christentum nicht genug Ehrfurcht vor der Natur. Nun. Das Christentum weiß, übrigens genauso wie Naturreligionen, dass Natur kein romantisches Instagrambild ist, sondern bitterer Ernst. Die katholische Kirche betet den Wettersegen, macht Flurumgänge und Bittprozessionen, zündet Unwetterkerzen an etc. Sinnvolle und ertragreiche Bewirtschaftung wurde in erster Linie von Mönchen entwickelt, und immer ist der Mensch als Krone der Schöpfung verantwortlich für Gottes Garten. Während unserer Online-Diskussion kam natürlich der Sonnengesang des Franziskus ins Gespräch: Das vorbildhafte Gegenteil jeder unangemessenen Vergöttlichung der Natur! Das Bild, das die deutsche Sektion des Weltgebetstages gewählt hat, heißt „In Dankbarkeit zur Mutter Erde“. Der heilige Franziskus aber dankt Gott für „unsere Schwester, die Mutter Erde“. Die Erde wird also personifiziert, aber keinesfalls auch nur andeutungsweise vergöttlicht.

Christentum gibt dem Menschen Verantwortung für die Natur: Da scheint es bequemer, diese zu einer Göttin zu stilisieren, der man sich unterwirft. Und mehr noch: Christentum gibt dem Menschen Verantwortung für seinen Tod. Dieser ist die Konsequenz der Sünde, nicht der Wille Gottes. Wer die Natur anbetet, betet dagegen einen Gott an, der tötet! Nach zwei Jahrtausenden kirchlicher Mutterliebe ist dem übersättigten Westchristen diese Dramatik überhaupt nicht klar, genauso wenig wie die Konsequenzen eines solchen Glaubens, die von ständiger Angst bis zu ständigen Opfern, auch Menschenopfern, zur Besänftigung dieser unzugänglichen Kraft reichen.

Die Christinnen Surinams dagegen wissen um die befreiende Kraft, die der jüdisch-christliche Glaube schon in den ersten Versen der Genesis entfaltet: Erde, Sonne, Mond und Sterne, von vielen Menschen als Götter, nicht selten als blutrünstige Götter verehrt, sind nur Geschöpf. Und es ist der Mensch, der in unvergleichlicher Würde nur „wenig niedriger als Gott“ (Ps 8) gemacht ist.

Beitragsbild: Sri Irodikromo, Gran tangi gi Mama Aisa