In den Tiber mit ihnen! Oder?

Ein Vorfall spaltet derzeit meine katholische Bubble und meine eigene Meinung: Unbekannte haben die wirklich hässlichen, umstrittenen nackten Frauenfiguren, die während einiger Rituale der Amazonassynode eine Rolle spielten, aus der Kirche geholt, in der sie aufgestellt waren und ohne auch nur kurzen Prozess in den Tiber geworfen. Nun diskutieren wir natürlich darüber, ob das richtig oder falsch war, und ich denke, man muss hier einiges auseinanderklamüsern.

Erst einmal: Mein Herz ist so was von mit dieser Aktion. Diese Figuren sind unannehmbar, basta, Marco Gallina fasst es prägnant zusammen in der Tagespost. Bei dieser Synode werden wild irgendwelche Rituale, die irgendwem wichtig sind, den Indigenen oder ihren angeblichen Helfern, durchgeführt, ohne dass man genau weiß, was man da tut. So wird über die versenkten Frauenfiguren gesagt, sie stellten nicht Maria und Elisabeth dar (wie es mal irgendwo hieß), aber auch keine Gottheiten. Pachamama sei es auf keinen Fall. Subtext: Solange es nicht die Pachamama ist, ist alles gut. Eine bewährte Methode um Kritik auszutricksen, wir konstruieren ein No-Go, bestätigen, das No-Go werde nicht berührt und tun dann so, als sei damit alles andere in Ordnung, weil es ja nicht das vorher konstruierte No-Go ist. Andere heiße Tipps: Sie repräsentieren Fruchtbarkeit oder das Leben. Beides ungeeignete Sujets, denn das Christentum ist kein Fruchtbarkeitskult, und das Leben ist Jesus Christus, da kommt kein Indigener dran vorbei. Es ist aber völlig egal, wer da dargestellt wird: In der katholischen Kirche ist alles von (benennbarer) Bedeutung. Wenn man im Vatikan nicht weiß, was das ist, dann kann man nur die Hände überm Kopf zusammenschlagen – oder das nicht Bestimmbare ökologisch verträglich entsorgen. Der Flussgott des Tiber ist ja seit fast zweitausend Jahren kläglich vernachlässigt und freut sich bestimmt über die Gaben.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass diese Figuren im Tiber bestens aufgehoben sind. Dennoch gibt es drei Fragen, die sich an die Aktion richten:

  • Ist die Vorgehensweise legitim?
  • Kommt die Botschaft bei denen an, die sie erreichen soll?
  • Richtet sich die Aktion gegen das eigentliche Problem?
1. Die Vorgehensweise

Natürlich gibt es den Vorwurf, das sei Diebstahl und Sachbeschädigung. Dem ist so, aber ehrlich gesagt finde ich das nicht so tragisch. Man nimmt hier schließlich nicht persönliches Eigentum zum Zwecke der Bereicherung, sondern eine Beleidigung unseres Glaubens zum Zwecke der Wiederherstellung der Würde des Ortes Kirche. Und wenn das Sachbeschädigung ist, wie nennen wir die Kreuzzüge?

Als ich von der Aktion hörte, kamen mir zuerst Don Camillo und Bonifatius in den Sinn. Bonifatius, der die den Germanen heilige Eiche fällt, ist natürlich ein sinnfälliges Beispiel dafür, wie ein Christ heidnische Kultobjekte zerstört. Und ich bin mir sicher, ein Don Camillo würde sicherlich solche Figuren kurzerhand vernichtet haben. Nur: Weder die literarische Figur noch der Heilige wären so vorgegangen. Bonifatius hätte am helllichten Tage ein Exempel statuiert. Und ein Don Camillo hätte entweder offen gehandelt oder wirklich anonym, und nicht seine Tat gefilmt – wer weiß, vielleicht hat die Muttergottes selbst die Figuren aus ihrer Kirche geworfen, hätte er den wutschnaubenden Synodenteilnehmern vermutlich gesagt, wenn sie nach dem Verbleib der Figuren gefragt hätten.

Die Tiberaktion dagegen gleicht eher linkem Aktionismus: Autos anzünden oder Wände beschmieren, seichter „Protest“, nicht ohne infantilen Einschlag. Das finde ich nicht ideal.

2. Kommt die Message an?

Als man den Germanen ihre Eiche abgehauen hat, haben sie genau verstanden, was da vorging. Wenn man sich innerkirchlich zu einer Synode zusammenfindet, also zumindest nominell bereit ist, miteinander zu sprechen und einander zuzuhören, dann ist ein solch hemdsärmeliges Vorgehen definitiv ein Zeichen, das für die Teilnehmer schwer korrekt zu deuten ist. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sagen: Wow, unsere synkretistischen Figuren wurden zerstört, JHWH ist Gott! Vielmehr werden sie sehen, dass chauvinistische Europäer „wieder Mal“ (natürlich Quark, aber so denken die Leute halt) indigene Interessen ignorieren würden, leibfeindlich und misogyn zwei nackte Frauenfiguren in den Tiber werfen, und ihre unhaltbare Einstellung dem Diskurs entziehen und oktroyieren. Super gelungene Message!

Nun kann man dagegen einwenden, man solle ja das Wort Gottes predigen, ob gelegen oder ungelegen. Das stimmt. Nur ist es typisch evangelisch, die Bibelstelle, die man im Kontext am Liebsten mag, anzuwenden, und die anderen zu ignorieren. Schließlich sollen wir auch schlangenklug sein und den Griechen ein Grieche. Zumal „ungelegen“ nicht bedeutet, dass man Dinge so sagen oder zeigen soll, dass die Menschen es nicht verstehen.

Das Zeichen, das man hier gesetzt hat, befriedigt sicher den geschundenen Geist glaubenstreuer Katholiken, die das Schmierentheater befreiungstheologisch verseuchter Kleriker und ihrer missbrauchten Schafe nicht mehr ertragen. Es lindert kurzzeitig das Gefühl der zornigen Hilflosigkeit. Wie oft sitze ich in Messen, höre häretische Predigten und möchte am Liebsten aufstehen und „Lüge!“ rufen?! Dennoch bleibt es hier selbstreferenziell: US-amerikanische Trads können sich nun süffisant lächelnd einen guten Whisky einschenken, sich lässig in die Ledercouch fallen lassen und mit zärtlichem Blick auf die Chestertongesamtausgabe in ihrem Regal „Laudeytoor Jeysus Chreystus“ murmeln.

3. Adressiert die Aktion das tatsächliche Übel?

Die dritte Frage kann man klar mit „nein“ beantworten. Das eigentliche Übel ist das irreführende Wort von Theologen. Unsere Feinde sind das völlig falsche Verständnis von Mission, der Mangel an Glauben und Verständnis für die Botschaft des Evangeliums. Nicht irgendwelche „unbeabsichtigten Dämonenbeschwörungen“, wie andere Blogger vermuten (seit wann sind wir eigentlich evangelikale Hysteriker?), die, selbst wenn sie vorgenommen würden, völlig wirkungslos wären, weil, wie schon unaufgeklärte Semiten wussten, die Götter der Völker nicht nur „Dämonen“, sondern auch „Nichts“ sind. Will sagen: Würde das Wort Gottes am Amazonas gepredigt, und die Indigenen würden sich vor nackten Frauenfiguren niederwerfen, dann wäre Vernichtung dieser Figuren das geeignete Mittel. Das Problem ist aber, dass offensichtlich am Amazonas nicht das Evangelium gepredigt wird.

Mein Fazit: Diese Aktion mag den zweihänderschwingenden Traddi (mich) innerlich befriedigen, schafft ansonsten aber nur Missverständnisse und sicher keine Bekehrung.