Frau und Kirche #1: Wo ist das Problem?
Ich habe diesen Artikel mit dem Zusatz „erster Teil“ versehen, weil es mir utopisch scheint, das Thema „Frau und Kirche“ in einem Artikel abzuhandeln (es sei denn, er hätte Buchlänge). Ich dachte, ich fange einfach mal an, weil pünktlich zum 22. Juli, dem Gedenktag der heiligen Maria Magdalena, mal wieder Frauen verlauten ließen, wie schlecht es ihnen in der Kirche ginge.
Ich möchte mal klipp und klar sagen: Ich bin in diese Kirche eingetreten mit dem vollen Bekenntnis zu allen Lehren des katholischen Glaubens, also auch mit dem Bekenntnis zu dem, was „die Kirche“ über die Frau lehrt. Und in acht Jahren – noch nicht viel, zugegeben – habe ich mich noch nicht ein einziges Mal diskriminiert gefühlt. Damit will ich nicht sagen, dass es keine Probleme gäbe. Ich meine, dass wir mehr Frauen brauchen, die anderen Frauen und Mädchen dabei helfen, in der Kirche ihr Frausein anzunehmen und zu leben, sodass Frauen in der Kirche rechtgläubige Ansprechpartnerinnen haben, wenn sie ein Problem haben. Oft sind engagierte Katholikinnen nämlich nicht glaubenstreu und schieben jegliche Verantwortung auf die ach so bösen Männer in der Kirche – nicht gerade selbstständig, und es verhindert die Weiterentwicklung als Frau in Christus. Auch muss man die Kirche nachhaltig von Überbleibseln des bürgerlichen 19. Jahrhunderts reinigen, die zum Teil seltsame Vorstellungen über Frauen propagieren, die mit einem frommen Anstrich versehen wirklich nerven. Vieles, was man als geradezu „klassisch“ katholische Reduzierung der Frau empfindet, ist nämlich Ergebnis nicht explizit katholischer gesellschaftlicher Entwicklungen (was nicht bedeutet, dass sie nicht auch auf Katholiken Einfluss gehabt hätten).
Wenn ich Texte lese, in denen Frauen behaupten, sie hätten in der Kirche keinen Platz, dann verstehe ich selbst beim besten Willen nicht, was sie meinen. Für viele, die selbst aktiv sind und womöglich Theologinnen, stellt sich die Frage des Priesteramts, die keine Frage der Gleichberechtigung ist. Wer meint, es sei eine Frage der Gleichberechtigung, der hat nicht nur nicht verstanden, was Amt, Dienst, Kirche, Sakrament bedeuten, der hat ein fundamental falsches, soll heißen, in keiner Weise in der Tradition oder in der Schrift auffindbares Bild von diesen Dingen. Und wie könnte man jemanden zur Leitung der Kirche bestellen, der die Kernbegriffe derer, die er leiten soll, gar nicht versteht?
Zumindest kann ich aber nachvollziehen, warum diese Frage als Frage der Gleichberechtigung missverstanden wird. Sie ist komplex und nicht leicht vermittelbar, und war ein Punkt, an dem ich als Protestantin auch aggressiv antikatholisch war. Ich will diese Frage hier einmal bewusst ausklammern, weil der Text sonst sehr lang würde und der Aspekt, um den es mir eigentlich geht, dahinter zurücktreten würde. Außerdem gibt es genügend geduldige Auseinandersetzungen darüber.
Wir können aber ruhig von der Frage des Priesteramtes absehen, denn sie betrifft ja auch nur einen verschwindend kleinen Anteil der Männer. Weitaus die meisten Männer haben in der Kirche nichts zu sagen. Wo fehlt denn den Frauen etwas, das ihnen im Sinne Christi zustünde? Sie scheinen generell zu bemängeln, dass sie als Frauen in der Kirche nicht tun können, was sie wollen. Das ist völlig richtig, und greift doch zu kurz: Niemand kann in der Kirche tun, was er will, Wer Christus dient, versucht, den eigenen Willen dem Willen Gottes gleichförmig zu machen. Wieso das für Frauen nicht gelten sollte, erschließt sich mir nicht. Wenn also eine Frau es als frauenfeindlich begreift, dass sie in der Kirche nicht ihren Willen bekommt, muss man sagen: Dann ist die Kirche gleichermaßen männerfeindlich.
Tatsächlich hat das Christentum, besonders der Katholische Glaube, eine besondere Wertschätzung für spezifisch weibliche Erfahrungswelten: Da sind nicht nur zahlreiche heilige Frauen, deren Unterschiedlichkeit nicht geringer ist als unter den Männern: Man vergleiche etwa Ignatius, Padre Pio, Joseph oder Jeanne d’Arc, Teresia Benedicta a Cruce und Elisabeth von Thüringen.
Da ist die große Bedeutung der Menschwerdung Gottes in der Empfängnis; ein wahnsinnig wichtiger Aspekt, vor allem auch in der Auseinandersetzung mit historischen Altlasten der Reformation, der Aufklärung und anderer Absurditäten: Zuerst wurde Maria als aktiv, tätig am Heil Beteiligte aus dem Weltbild getilgt. Als man begann, dieses auch noch zu säkularisieren, übernahm man natürlich trotzdem weiterhin christliche Topoi, modellierte sie aber mehr oder weniger (meistens weniger) gelungen um. Dazu zählte das schöpferische Prinzip, das nun, salopp gesagt, von Gott auf den Mann überging. Der Mann als der kreative Genius, die Frau als empfangendes Prinzip. Da aber die katholische Wertschätzung und Verehrung desselben fehlte (und das Bewusstsein dafür, dass auch das Empfangen nicht passiv ist), wurde aus „empfangend“ kurzerhand „nicht kreativ“ und der Mann mit allem, was er sich als toller Hecht so an wünschenswerten Eigenschaften auf den Leib schrieb, wurde zum non plus ultra.
Mariens „Fiat“ ist nicht nur Grundlage der christlichen Wertschätzung der Mutterschaft mit Bezug auf die Geburt des Herrn. Dieses Ja ist im Grunde der Beginn jedes unmittelbar und mittelbar auf Europas Boden gewachsenen Versuches, die Position der Frau in der Gesellschaft zu verbessern. Wer hat denn im ersten Jahrhundert eine Frau nach ihrer Meinung oder ihrer Einwilligung gefragt? Man vergleiche mal bitte Gottes rücksichtsvolle Erwählung Mariens mit heidnischen Darstellungen der Annäherung Gott/Frau: Europa wird geraubt, Leda per Schwan, Danae per Goldregen vergewaltigt – ich habe als Kind und Jugendliche antike Sagen in Massen konsumiert und besonders diese letztgenannte Erzählung hat mich immer zutiefst mit Ekel erfüllt, genau wie das zugehörige Klimtgemälde. Das Donaulied der Antike sozusagen. Die meisten Menschen der Postmoderne machen sich aber gar nicht klar, dass sie ohne das jüdisch-christliche und katholische Gottes- und Menschenbild einen Begriff wie „Gleichberechtigung“ gar nicht würden denken können!
In der Geschichte des Volkes Israel und in den Evangelien wird beschrieben, wie Gott Frauen behandelt. Und was mich erstaunt: Wenn Gott doch so eklatant anders mit Frauen spricht und umgeht, als für die Zeugen dieser Begegnungen üblich war, wenn diese das aber trotzdem aufgeschrieben und tradiert haben, obwohl es ihren gesellschaftlichen Normalitäten so widersprach: Wieso behauptet man dann trotzdem, Gott/Kirche/Religion sei schuld, und nicht der Mensch, der eben Gesellschaften baut, die nicht auf Gottes Willen beruhen? Ich meine, wenn Fritz sagt „Töte Max nicht!“, ich hingehe und Max töte, dann kann mein Pflichtverteidiger doch nicht ernsthaft sagen „Fritz ist schuld.“
Übrigens ist ja ein mantraartig wiederholter Kritikpunkt die angeblich nicht ausreichende Sichtbarkeit des Weiblichen (Deshalb gibt es „Vulvenmalkurse auf Kirchentagen“ … könnte übrigens vom Klang her auch Titel einer lakonischen schwedischen Kunstfilmkomödie sein, wenn man es recht bedenkt). Schon Ikonen stellen Geburtsszenen (nicht naturalistisch, aber das ist ja egal) dar, sehr detailverliebt dann mittelalterliche Bilder. Ein zentrales Motiv ist das Aufeinandertreffen der beiden Schwangeren Elisabeth und Maria. Dass die weibliche Erfahrungswelt in der Kirche nicht sichtbar sei, ist eine Erfindung, die wohl nur deshalb so fest in den Köpfen sitzt, weil sie so dreist lügnerisch ist, dass man sich gar nicht vorstellen kann, sie sei unwahr.
Es gibt da einen spannenden Effekt, den ich übrigens auch als Schwarze kenne: Wenn man etwas als allgemeine Erfahrung nur tüchtig genug behauptet, inkorporiert man diese so in die eigene Identität, als sei es eine individuelle. Also z.B.: Wenn nur gründlich genug behauptet wird, Schwarze würden ständig Opfer von Polizeiwillkür, dann kann es passieren, dass man dies als gegeben annimmt, und dies auch als eigene Erfahrung für sich proklamiert, obwohl man, wenn man konkret darüber nachdenkt, persönlich davon noch nie betroffen war (das bedeutet nicht, dass es die Erfahrung nicht bei anderen gäbe). Ich kenne mich mit Psychologie fachlich nicht aus: Gibt es dafür einen Begriff? So ist es nämlich auch mit Frauen und Kirche. Sie nehmen einfach an, ihre Erfahrungen würden getilgt, marginalisiert oder wegretuschiert, obwohl sie dies gar nicht betrifft. Das erkennt man daran, dass das Gemeckere nie konkret wird (außer in der Ämterfrage, aber das wäre ein einziger Punkt): Da es keine konkreten Diskriminierungserfahrungen gibt, kann man sie auch nicht nennen.
Man sollte auch nicht übersehen, dass die weiblichen Erfahrungen nicht nur als solche wahrgenommen werde. Gerne wird ja von den Islam idealisierenden Europäern darüber fantasiert, was für eine genial tolle weiblich regierte Parallelwelt der Islam mit dem Harem und überhaupt mit der strikten Trennung zwischen Mann und Frau schaffe – genauso hanebüchen, wie darauf hinzuweisen, dass Schwarze während der Segregation doch ihre ganze eigene Welt gehabt hätten zum Schalten und Walten. Nein, der katholische Glaube erwartet ganz und gar selbstverständlich (zu selbstverständlich, es fällt nämlich gar nicht auf), dass auch Männer sich diese Erfahrungswelten zu eigen machen: Ihnen wird abverlangt, dass sie sich ebenfalls in der Empfängnis Christi wiederfinden, sich vorstellen, Christus unter ihrem Herzen zu tragen. Angelus Silesius kann im 17. Jahrhundert dichten: Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren. Männer müssen sich als Teil der Kirche als Teil der Braut Christi verstehen und im Rosenkranz denken sie sich in die mütterliche Dimension der Christusbeziehung ein (wie ist das eigentlich für Männer?) Wir nehmen dies einfach hin, gut. Nicht in Ordnung ist es, all dies einfach zu ignorieren und dann zu behaupten, die Kirche schätze das Weibliche nicht.
Die Frau als diejenige, die zuerst das Heil empfängt, die auch aktiv einwilligt: Viel mehr Empowerment kann es nun einmal nach menschlichen Maßstäben nicht geben. Noch emanzipierter kann es nur noch mit der Absage an Gott selbst werden, und das ist doch eher weniger wünschenswert.