Christenverfolgung: Tödlicher Zynismus

Christen bilden die weltweit am stärksten von Verfolgung betroffene Religionsgemeinschaft. Warum interessiert das in Westeuropa kaum jemanden?

Nun, das Christentum ist der einzige ernstzunehmende Gegner der postmodernen Eliten: Es bietet ein ausgearbeitetes, bewährtes Konzept gegen Individualismus, Kollektivismus und Relativismus und alle damit verbundenen Phänomene, und das mindestens seit 1789. Da man erkennt, dass man Gegner des Christentums ist, sich selbst aber als Kämpfer für „das Gute“ empfindet (aka Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit etc.), konstruiert man ein Geschichtsbild, in dem Christen mehr oder minder gleichgesetzt werden mit (weißen / europäischen / rassistischen / klassistischen / chauvinistischen etc.) bösen Aggressoren und Unterdrückern. Damit hat man eine Grundlage, um das Christentum in jeder Hinsicht zu diskreditieren.

Das Christentum als Erbfeind, der Christ als Erztäter

Nicht ganz klar ist bei dieser Konstruktion, wer Henne und wer Ei sein soll: Haben die bösen weißen Europäer das Christentum benutzt, um die Welt zu unterdrücken (dies ist eher die Sichtweise derer, die ihr christliches Erbe nicht ganz aufgeben wollen und die das Christentum als Habt-euch-lieb-Religion verstehen), oder hat gar das Christentum erst die bösen Ideen in die Welt gebracht bzw. ausgearbeitet und gebündelt, die dann die Welt unterjocht haben (unschwer zu erkennen die Haltung der marxistisch / säkular/ atheistisch beeinflussten Richtung)?

Christen werden also mit „Täter“, nicht mit „Opfer“ assoziiert – womit man dann unterschwellig annimmt, hier bekomme eben jemand „die Quittung“: Ihr Christen habt doch jahrhundertelang unterdrückt und gemordet, jetzt ist es eben andersherum. Dies ist nicht nur eine eklatante Fehleinschätzung, es ist auch unsäglich zynisch. Denn selbst wenn diese Einordnung des Christentums stimmen würde, gäbe es keinen Grund, wieso die Nachfahren von Bösewichten leiden sollen für etwas, das sie nicht getan haben.

Historische Fakten, nein Danke!

Christentum wird im postmodernen Narrativ als „koloniale“ Erscheinung begriffen, womit dann irgendwo logisch erscheint, dass es als „kulturfremd“ abgestoßen wird. Das ist ganz einfach unwahr: Aus dem Nahen Osten kommend, brauchte es Jahrhunderte, um in Europa implementiert zu werden. Und zwar abgesehen von politisch motivierten Einzelfällen nicht durch Gewalt. Es breitete sich auch keineswegs nur nach Westen aus: Es gibt uralte christliche Gemeinden z.B. in Äthiopien, eine der ältesten christlichen Kulturen überhaupt, oder Indien und auch bis nach China kam das Christentum, lange bevor die Europäer in der Lage waren, koloniale Ansprüche auf die Gebiete asiatischer Zivilisationen zu formulieren. Ich kenne übirgens keinen einzigen Linken (und ich kenne viele Linke), der solche Fakten kennt. Auch während der Kolonisierung der Neuen Welt und dann im 19. Jahrhundert vermittelten vor allem jesuitische Missionare das Christentum in großer Hochachtung gegenüber den Kulturen, die sie kennenlernten, und wurden gemeinsam mit Bekehrten einheimischen Christen zu Hunderten (und Tausenden) ermordet. Das wissen selbst viele Katholiken nicht, obwohl die Festtage der koreanischen, vietnamesischen oder chinesischen Märtyrer wenigstens ein grundsätzliches Bewusstsein für die globale Vernetzung auch der „Wolke der Zeugen“ am Leben erhalten.

Christentum war nie eine ausschließlich europäische Erscheinung

Kurz: Es wird vergessen, dass das Christentum zu keinem Zeitpunkt eine ausschließlich europäische Erscheinung war. Und dass es einige Jahrhunderte lang tatsächlich vor allem auf dem europäischen Kontinent präsent war, lag daran, dass seit 622 n. Chr. die Christen in Afrika und im Orient, den eindeutig älteren christlichen Kulturräumen, durch den Islam in kürzester Zeit zwangskonvertiert wurden; wer dem widerstand, wurde unter das Joch der Dhimmi-Existenz gezwungen. Ich schreibe das nicht, um eine revisionistische Rechnung aufzumachen, sondern, weil neben den nun wirklich problemlos nachvollziehbaren Fakten eine Art Parallel-Wahrheit existiert, und ungeniert behauptet wird, das Christentum sei europäischer (kolonialistischer) Eindringling im Orient, und dies entspricht ganz einfach nicht den historischen Tatsachen.

Friendly Fire: Euro-christliche Gönnerhaftigkeit

Leider wird diese falsche Einordnung des Christentums als europäisches Phänomen auch durch „friendly fire“ befördert. Es gibt da einen gewissen Kulturchauvinismus gerade auch innerhalb der deutschen Kirche: Man begreift sich als Geldgeber, als Gönner und Lehrer der Dritten Welt, nicht so sehr als Gemeinschaft im Glauben und ist daher auch eher weniger geneigt, den eigenständigen, authentischen Anteil außereuropäischer Christen am christlichen Zeugnis anzunehmen (außer Gospel und bunte Ponchos, versteht sich). So verstärkt man den Eindruck, Christentum sei eine europäische Angelegenheit, die vor allem im Zuge caritativer Arbeit anderen Teilen der Welt oktroyiert wird.

Damit wird nicht in Abrede gestellt, dass ein historisches Problem darin besteht, dass politische Kräfte den Begriff der Mission zur Erweiterung des eigenen Machtbereichs instrumentalisierten. Dazu kommt noch das protestantische Geschichts- und Missionsverständnis, das Inkulturation ablehnte und ein großes kulturelles und zivilisatorisches Sendungsbewusstsein hatte (und das aufgrund der Staatsgebundenheit des Protestantismus Übergriffen durch die Politik wenig entgegenzusetzen hatte). Dennoch: Aufgrund solcher Sachverhalte den Missionierten abzusprechen, den Glauben von Herzen angenommen und integriert zu haben, ist unangemessen. Man denke nur an die Bekehrung Mittelamerikas, die ganz maßgeblich mit der Marienerscheinung von Guadalupe zusammenhängt: Maria ist hier mit indigenem Antlitz erschienen. Es wäre lächerlich, zu behaupten, die daraufhin erfolgte Bekehrungswelle sei kein authentisch indigener Ausdruck des Glaubens.

Eurozentrischer Zerstörungswille

Auf zwei Jahrtausende und fünf prägende christliche Kulturräume (syrisch / altorientalisch, (nord- bzw. ost)afrikanisch, griechisch, römisch und „reformiert“) gerechnet, machen „chauvinistische“ Mission und Zwang nur einen sehr geringen Anteil aus, dieser wird aber von Gegnern des Christentums weidlich ausgeschlachtet. Das Zynische daran: Die meisten verfolgten Christen gehören nichteuropäischen Völkern an und werden von anderen Nichteuropäern verfolgt. Sie bräuchten den Einsatz Europas, der aber ja als Ursprung des Übels definiert wurde. So fallen sie einem Zerstörungs- und Verleumdungswillen zum Opfer, der in erster Linie die Zerstörung der europäischen Fundamente im Sinn hat. Ihre Stimme wird ignoriert, weil sie in der antichristlichen „Harmonie“ der um sich selbst kreisenden westlichen Postmoderne ein Misston wäre, der das gesamte ideologische Gebäude ins Wanken bringen würde.