Vermeidbarer Frust

„Zu früh gefreut“, betitelt das Domradio eine Meldung, die darüber informiert, dass die Paderborner Laien nicht wie geplant in die Bischofswahl einbezogen werden können. Rom sage „nein“. Nun scheint allerdings beim Domradio ein glaubenstreuer Redakteur einen verdeckten Hilferuf abgesetzt zu haben, vielleicht war es auch der Freudsche Verschreiber eines gequälten Gewissens (ich habe vorsichtshalber einen Screenshot gemacht, für den Fall, dass es noch korrigiert wird):

Quelle: Domradio

„Tja“, möchte man rufen. Hat ernsthaft irgendwer geglaubt, man könne im Handstreich mittelalterliche Verhältnisse wiederherstellen und Bischöfe per Akklamation ernennen (schön wärs)? Offensichtlich, denn man hätte solches ja nicht durchzuziehen versucht, wenn man nicht an den Erfolg des „Vergehens“ geglaubt hätte. Ich muss sagen, dass mich diese völlige Ignoranz gegenüber der Verfasstheit unserer Kirche wirklich ratlos macht. Was soll dieses Falsche-Hoffnungen-Bullshit-Bingo?

Es ist unverantwortlich, in unwissenden Gläubigen Erwartungen zu wecken, die sich niemals erfüllen werden. Diese Verhaltensweise zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Synodale Umbauprojekte: Kürzlich etwa war ich bei einem Gesprächsabend zum Thema Frauen und Kirche zugegen. Natürlich ging es sehr schnell um Frauenpriestertum, wobei glücklicherweise einige Frauen vor Ort waren, die einen etwas weiteren Blick auf die Angelegenheit hatten. Einer der Organisatoren, ein sehr netter Pastoralreferent, meinte mit vollster Überzeugung, er sei sich sicher, dass er noch Priesterinnen erleben werde. Ich bin beinahe in Ohnmacht gefallen. Nichts, wirklich nichts ist so unwahrscheinlich wie die Weihe von Priesterinnen. Die Kirche hat keine Vollmacht dazu. Sie kann es nicht. In dem Augenblick, in dem sie es täte, wäre sie nicht mehr katholisch. Katholische Frauen haben nur die Wahl, katholisch zu sein ohne Priesterweihe oder mit Priesterweihe etwas anderes zu sein. Wie kann man der Ansicht sein, hier handle es sich nur um eine Frage des soziologischen Fortschritts? Und nehmen wir einmal an, es wäre so, wie kann man die gegenwärtige Gemengelage in der Weltkirche betrachten, die immer größere Irrelevanz des „Westens“ etwa, und davon ausgehen, das Gewicht könne sich in Zukunft ausgerechnet in die Richtung jener neigen, die die Kirche immer weniger prägen?

Und wie kann man solche Illusionen in den Menschen nicht nur am Leben erhalten, sondern fördern oder gar, wie im Falle der Bischofswahl, wecken (denn, korrigieren Sie mich, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass der durchschnittliche Paderborner Katholik davon träumt, Bischöfe wählen zu dürfen). Man verspricht Katholiken eine demokratische Struktur, die es erstens ohnehin nicht geben wird, und die zweitens sowieso nur eine kleine Gruppe von Funktionären und Auserwählten einbeziehen würde, letztlich also lediglich eine Schicht von Laien-Oligarchen schaffen würde. Man verspricht Frauen ein Weiheamt, das es nur um den Preis der Katholizität der Kirche geben kann. Man verspricht Homosexuellen einen Segen für ihre Partnerschaften, den sie nie bekommen werden. In diesem letzteren Fall ist das Vorgehen sogar ganz besonders infam; denn während man die anderen Gruppen auf eine nähere oder fernere Zukunft vertröstet, scheut man sich bei homosexuell empfindenden Menschen nicht, Pseudoriten zu entwerfen (so geschehen in Belgien), wohl wissend, dass die Betreffenden schlicht nicht merken, dass sie nicht das bekommen, was sie sich wünschen. Wie man Menschen so wenig ernst nehmen, ihre Wünsche so schamlos verhöhnen kann, ist mir wirklich ein Rätsel; es handelt sich hier um eine Respektlosigkeit sondergleichen.

Man muss es leider in aller Deutlichkeit benennen: Hier werden Menschen nach Strich und Faden betrogen. Und zwar in zweifacher Weise: Man gaukelt ihnen Möglichkeiten vor, die es nicht gibt; zugleich nimmt man ihnen die Möglichkeiten, die sie hätten und die ihnen zustehen: Die Möglichkeit, den Glauben kennenzulernen und zu vertiefen (denn er wird ja bald obsolet sein), die Möglichkeit, sich im außerordentlich weiten Rahmen, den die Kirche bietet, bewegen zu lernen (denn dieser Rahmen wird ja bald hinweggenommen und grenzenloser Beliebigkeit gewichen sein), die Möglichkeit, zu entdecken, wie schön der überlieferte Glaube ist. Man möchte den Verantwortlichen für diese Trugbilder zurufen: „Hört endlich auf zu lügen.“ Allein: Lüge setzt Absicht voraus. Und ich denke nicht, dass es sich hier um Absicht handelt. Ich denke, dass die Fabrikanten dieser Vorhaben vor allem Opfer ihrer eigenen Illusionen sind; dass diejenigen, die Potemkinsche Dörfer bauen, bereits ihr Einzugsdatum festgelegt haben.

Es ist sehr traurig, dass auf diese Weise viel Erneuerungspotenzial ungenutzt bleibt, dass so viel Energie in aussichtslose Unterfangen investiert wird, anstatt sie konstruktiv für die Kirche einzusetzen.