Gottes Gender

Eine Antwort für Franzi.

Auf meinen Artikel über das Patriarchat habe ich sehr unterschiedliches Feedback erhalten. Auf einen Kommentar will ich näher eingehen, weil mir die dort geäußerten Missverständnisse häufiger begegnen. U.a. heißt es darin:

… vor allem eines belastet mich: Das ausschließlich männliche Gottesbild. Mir fällt es dadurch sehr schwer, eine Beziehung zu Gott aufzubauen, da mir einfach das Weiblich-mütterliche Element fehlt und mir es auch total widerstrebt, einen Mann anzubeten, während die höchste Frauengestalt gerade einmal seine Magd sein darf.

Da der Artikel etwas länger ist, fange ich einfach mal mit dem Fazit an, damit jeder selbst entscheiden kann, ob ihm die Kurzfassung reicht, oder ob er weiterlesen möchte:

Gott ist weder männlich noch weiblich. Es gibt weiblich konnotierte Bilder zu Gott in der Bibel. Dass wir aber Gott vor allem männlich konnotieren, liegt daran, dass Gott selbst als Mann ins Fleisch gekommen ist und, dass dieser uns selbst gesagt hat, wir sollten Gott als Gott Vater anrufen. Warum er sich nicht anders entschieden hat, wissen wir nicht, aber wir können ein paar Überlegungen dazu anstellen, wieso Gott es so besser fand, wie er es gemacht hat.

Langfassung:

Der Katechismus der Katholischen Kirche, also unsere ausführliche Gebrauchsanweisung, sagt:

 370 Gott ist keineswegs nach dem Bild des Menschen. Er ist weder Mann noch Frau. Gott ist reiner Geist, in dem es keinen Geschlechtsunterschied geben kann. In den ,,Vollkommenheiten“ des Mannes und der Frau spiegelt sich jedoch etwas von der unendlichen Vollkommenheit Gottes wider: die Züge einer Mutter [Vgl. Jes 49,14-15; 66,13; Ps 131,2-3.] und diejenigen eines Vaters und Gatten [Vgl. Hos 11,1-4; Jer 3,4-19.].

Damit ist das Hauptproblem gelöst. Niemand erwartet von uns, dass wir einen Mann anbeten. Wir beten Gott an. Und wenn wir Jesus anbeten, der ja ganz Mensch (und damit aber eben auch ganz und gar Mann) und ganz Gott ist, dann beten wir eben auch Gott an.

Weibliche Gottesbilder in der Bibel

Das „ausschließlich männliche Gottesbild“ ist ein Vorurteil. Die Bibel hat im Alten Testament einige (allerdings wenige) explizit weibliche Beschreibungen für Gott und sein Verhalten parat: So heißt es im Psalm, dass die Seele des Psalmisten bei Gott ruhig ist wie ein kleines Kind bei seiner Mutter, bei Jesaja sagt Gott selbst, dass er uns trösten wolle, wie einen seine Mutter tröstet. Eines meiner Lieblingsbilder ist, wenn Jesus spricht, dass er Israel unter seine Flügel habe sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken (das ist jetzt nicht weiblich, sondern tierisch, aber jedenfalls ist diese Fürsorge der Glucke für ihre Küken ja auch ein sehr mütterliches Bild…und irgendwie auch niedlich – Gott vergleicht sich nicht mit einem Adler oder einem Löwen, sondern mit einer Henne…). Es gibt auch noch ein paar indirektere Stellen, so z.B. in einem meiner Lieblingsverse (natürlich in der Lutherübersetzung 😉 ):

Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat mein vergessen. Kann auch ein Weib ihres Kindeleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie sein vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen. (Jes 49, 14-15)

Wenn die Autoren  und Kopisten der Bibel so frauenfeindliche Hinterwäldler gewesen wären, wie manche Leute uns glauben machen wollen, dann hätten sie niemals solche Gottesbilder in der Bibel belassen. Wenn die Frau und ihre Rolle als Mutter so wenig Ansehen gehabt hätte, wie könnte man dann sagen, dass GOTT sich verhält wie eine Frau und wie eine Mutter? Aber offenbar hatte niemand ein Problem damit.

Ein sehr schöner Punkt ist auch das hebräische Wort für Barmherzigkeit. Rachamim ist der Plural des Wortes für Mutterschoß (also wissenschaftlich-unpoetisch: Gebärmutter). Wenn die Bibel im Alten Testament von Barmherzigkeit spricht, dann ist Gottes Eigenschaft bergend, liebevoll, lebenspendend und nährend, wie die Gebärmutter. Jedes Mal also, wenn in der Bibel „Barmherzigkeit“ steht, dann steht da ein Wort, das einen Bezug zum Mutterschoß hat. Geballte Weiblichkeit, würde ich sagen.

Sprachbarrieren

Gott ist vollkommen, wir nicht. D.h., egal, was wir machen, wir werden ihn nie ganz erfassen. Unsere Vorstellungskraft und unsere Sprache können Gott nicht komplett erfassen. Wir müssen uns also in unserer Sprache und in dem, was wir von Gott wissen, mit Stückwerk begnügen, sozusagen mit „so gut es eben geht“. Diese Tatsache sollte man wirklich verinnerlichen. Ein einfaches Beispiel, das niemandem Schwierigkeiten bereitet: Im Psalm heißt es „Der Herr, mein Fels“, oder „Der Herr, meine Burg“. Würde nun irgendwer annehmen, Gott sei ein Stein oder eine Burg? Nein. Natürlich nicht. Wir wissen, dass Fels und Burg gewisse Eigenschaften haben, und wir möchten deutlich machen, dass Gott diese Eigenschaften besitzt. Allerdings ist Gott unendlich viel schützender als jede Burg und unendlich viel sichererer Halt als ein Fels. Trotzdem nehmen wir diese Bilder, weil uns eben nichts Schützenderes einfällt, als eben eine Burg. Es ist das intensivste und umfassendste Bild zum Thema Schutz, das wir so haben, also benutzen wir es. Anders können wir über Gott nicht sprechen. Nun ist also die Frage: Mit welchen Attributen kann ich Gott nicht nur so gut wie es geht beschreiben, sondern auch so unmissverständlich wie möglich. Wenn wir uns ansehen, was für weibliche Bilder uns zur Verfügung stehen, dann meine ich, dass sie sehr anfällig für Fehlinterpretationen sind. Aber ich bin da nicht objektiv :).

Gott vertrauen

Als Christen sprechen wir nun ja nicht in erster Linie über Gott, sondern mit ihm – und zuerst sagt Gott uns, wer er ist, nicht wir ihm. Im Grunde versuchen wir nur, uns dem anzunähern, was Gott bereits beschlossen und für gut befunden hat. Gott hat beschlossen, Mensch zu werden. Und er hat beschlossen, das als Mann zu tun. Es war Gottes Wille und Wunsch, indem er ins Fleisch kommt, ein Mann zu sein. Offenbar fand er das passend. Wer bin ich, dass ich das dann unpassend finden würde? Wenn ich dem nun widersprechen wollte, müsste ich entweder behaupten, Gott habe Unrecht, oder, die Schrift, die Lehre und die Tradition seien korrumpiert und verfälscht. Wenn sie aber in dieser Hinsicht verfälscht sind, wie kann ich davon ausgehen, dass sie an anderer Stelle noch irgendwie richtig liegen? Das klingt vielleicht ein bisschen dramatisch, aber letztendlich ist das die Frage, auf die unser Zweifel hinausläuft!

Man kann es also einfach hinnehmen, oder aber fragen: Wenn Gott selbst eine bestimmte Sprache vorgibt, die man verwenden soll in Bezug auf ihn, warum genau diese?

Jesus selbst spricht von Gott als Vater, und sagt uns, wir sollten ihn so anrufen. Das hat natürlich ein viel größeres Gewicht als jedes noch so schöne Bild im Alten Testament. Gott wird hier mit der männlichen Eigenschaft schlechthin identifiziert, der Vaterschaft. Allerdings muss man es eigentlich andersherum sagen: Denn die Vaterschaft geht ja aus Gott hervor, nicht Gottes Eigenschaft aus der Vaterschaft des Menschen. Und damit ist die ganze Sache eigentlich erledigt: Wir müssen eben einsehen, dass Mann und Frau ganz und gar aus Gott hervorgehen, nicht andersherum, und dass, wenn wir es nicht schaffen, Gott als reinen Geist zu denken, das an unserer Unvollkommenheit liegt. Das kann nun aber Gott nicht verdrießen, denn er rechnet damit und gibt uns daher netterweise Analogien und Sprachbilder, um von ihm (und zu ihm!) sprechen zu können. Ich meine, dass dies die Crux an der Angelegenheit ist: Bin ich bereit, wirklich zu glauben, dass Gott mehr als eine Projektion ist? Dass er tatsächlich der transzendente Gott ist, der Schöpfer aller Dinge? Aus dem alles hervorgeht?

Ich muss sagen: Ich find es schon ziemlich dreist, wenn Theologinnen mit einem „Mutter unser“ kommen. Jesus selbst hat doch klipp und klar gesagt, wie Gott adressiert werden will. Das ist, als ob du jemanden triffst, ihn fragst, wie er heißt, und er sagt „Hans“ und du sagst, „Hallo Fritz“ „Ich heiße Hans“ „Aber Hans passt nicht zu dir, ich finde, du heißt Fritz“. Wenn ich das schon bei Menschen niemals machen würde, sollte man das wohl mit Gott erst recht nicht tun?!

Sprache als Häresievermeidung

Ich habe letztens auf einem amerikanischen Blog einen interessanten Gedanken dazu gelesen: Die Frau gebiert. Wenn wir also nun von Gott als Schöpfer und als Frau reden würden, also als Schöpferin, würden wir automatisch das Bild hervorrufen, es handle sich um eine Art Geburt. Gott aber schöpft aus dem Nichts. Und er bleibt immer ein Stück weit der völlig andere, der Absolute, der eben nicht mit uns Verbundene (wenngleich er ebenso natürlich uns verbunden ist, aber eben aus seiner Barmherzigkeit und Liebe heraus). Das lässt sich durch das Bild des Vaters schlicht besser ausdrücken! Da muss ich nichts erklären: Der Vater ist immer auch „losgelöst“, da er nie die innige Verbindung mit dem Kind hatte, die die Mutter hat, wenn es in ihrem Leib ist. Und dennoch ist er dem Kind als Vater eng verbunden. Das ist wie gesagt nur eine Überlegung, aber eine sinnvolle, meiner Ansicht nach.

So kann man in vielen Dingen vorgehen: Frage dich, ob es wirklich keine Missverständnisse über das Wesen Gottes gibt, wenn man ihn als Frau bezeichnet. Was etwa ist mit Jesus, wenn wir von seiner Menschwerdung nicht als Zeugung sprechen können? Denn wenn Gott Mutter ist und Maria Mutter, wer ist dann der Vater von Jesus? Wenn er nicht gezeugt wird, wie ist er dann der Sohn Gottes? Und schon befinden wir uns in abschüssigen Gefilden, die schnurstracks in die Häresie führen! Diese Irrwege kann man sich doch wirklich sparen…

Bezogen auf Gott Sohn: Wenn er nun als Frau gekommen wäre, welche Rolle hätte denn der Mann in Gottes Wiederherstellung des Menschengeschlechts? Die Frau hat in Gottes Plan eine ehrwürdige Rolle: Maria ist berufen, seine Mutter zu sein. So erhält das ganze weibliche Geschlecht eine einzigartige, besondere Würde. Nehmen wir einmal kurz an, Jesus wäre eine Frau gewesen – was macht dann der Mann, während sie die Welt rettet? Stricken? Jesus gebären hätte ein Mann ja nicht können, oder? Insofern meine ich, die Rollen sind gut und fair verteilt ;).

Obwohl nun diese beiden göttlichen Personen, Gott Vater und Gott Sohn, männliche Bilder sind, und letzterer dann auch noch als biologischer Mann geboren worden ist, bleibt ja außerdem die Feststellung des Katechismus, dass Gott reiner Geist ist.

Manchmal hat man den Eindruck, bei der Frage nach weiblichen oder männlichen Gottesbildern ginge es um eine Art „Identifikation“, also nach dem Motto „Ich finde im Gottesbild gar nichts von mir wieder“. Das ist jetzt bewusst salopp ausgerückt. Natürlich ist das erst einmal die völlig falsche Stoßrichtung, denn Gott ist nicht mein, sondern ich sein Abbild. Außerdem scheint mir da völlig übersehen worden zu sein, dass der Mensch sich nicht mit Gott identifiziert, sondern Gottes Gegenüber ist. Wir erreichen die größte Nähe zu Gott eben nicht (siehe Sündenfall), in dem wir eigenmächtig wie Gott werden wollen, sondern, in dem wir uns von ihm erhöhen lassen. Sich Gott gleichförmig machen zu lassen ist so gesehen das Gegenteil von „sich selbst identifizieren mit“ (wenn es so gemeint ist, wie ich es oben beschreibe). Wir sind von ihm geschaffen, wir sind durch ihn erlöst, wir sind durch ihn berufen, ihn in uns aufzunehmen und zu den Menschen zu bringen usw. Wenn es also eine Person gibt, mit der man sich vortrefflich identifizieren kann und soll, dann ist es Maria, weshalb die tatsächliche Situation für eine Frau eigentlich sogar ein bisschen komfortabler ist, als für den Mann. Oder wie soll ein Mann sich vorstellen, Christus „zur Welt zu bringen“?

Über den letzten Einwand, dass die höchste Frau lediglich Gottes „Magd“ sei, kommt ein eigener Artikel – sonst wird es zu lang…