Gib dir ’nen Ruck! #2- Praxistipps zum Fasten (und Feiern) im Advent

Wie kann ich die Adventszeit wirklich mit allen Sinnen erfüllt und geistlich erbauend gestalten und nutzen? Hier ein paar Tipps aus der Praxis! Einfach mal ausprobieren! Try and error gehört dazu. Und wer sich fragt, wieso er in der Adventszeit fasten soll, bekommt die Antwort hier.

1. Kein Rigorismus

Katholizismus ist flexibel und anpassungsfähig. Also richtet man sich diese Zeit so ein, dass die notwendigen und heißgeliebten vorweihnachtlichen Tätigkeiten sinnvoll in die Adventszeit eingebaut werden. Beispiel: Man kann den Sonntag ganz bewusst als Tag des Herrn fastenfrei begehen, nach Herzenslust Kekse in sich hineinstopfen und sich durch die Fressstände des Weihnachts – äh – pardon, Adventsmarktes probieren. Ich persönlich nehme z.B. zusätzlich den kompletten (oder halben) Samstag, der ja nicht umsonst der Vorabend zum Sonntag ist, vom Fasten aus  und habe so immer das ganze Wochenende, um Plätzchen zu backen, Teig zu essen, bis mir schlecht wird, und alles weitere zu tun, was liebgewonnene Tradition seit meiner Kindheit ist.

2. Die richtige „Version“

Fasten kann man auf verschiedene Weise. Traditionell katholisch bedeutet Fasten: Eine volle (sättigende) Mahlzeit am Tag. Traditionell katholisch ohne Modifikation gibt es natürlich nicht. Also: Bei Bedarf kommen bis zu zwei „Stärkungen“ hinzu. Was eine Stärkung ist, musst du selbst einschätzen. Man sieht hier bereits: Das System ist flexibel. Übrigens gilt als „volksfromme“ Faustregel: Mahlzeit ist, was dampft. Aber das ist nur eine Orientierung.

Man kann auch so Fasten, dass man erst ab 12 Uhr überhaupt Nahrung zu sich nimmt. Das finden manche Leute seltsam und übermäßig hart, aber wer, wie ich, zu denen gehört, die sowieso frühstücken eher als Last empfinden, der findet das nicht einmal besonders ambitioniert. An einzelnen ausgewählten Tagen kann man natürlich auch komplett fasten. Das ist allerdings eher für das Trauerfasten an Aschermittwoch oder Karfreitag angebracht, für die adventliche Fastenzeit ist das ein bisschen krass. Aber man kann durchaus am Heiligen Abend bis zur Vesper fasten (oder irgendein besonderes Fastenopfer bringen), wenn man eine Herausforderung braucht :).

3. Worauf fasten?

Am besten funktioniert das Fasten, wenn man einen körperlichen und einen geistlichen Aspekt miteinander vereint. Man kann allein oder mit Priester überlegen, was im leiblichen Bereich sinnvoll ist. Es ist eigentlich immer heilsam, gesund und inspirierend, wenn man auf Fleisch und Schokolade (Süßigkeiten) verzichtet. Gerade letzteres fällt vielen schwer, aber man erlernt neu Achtung vor den Genussmitteln, die wir sonst immer und überall verfügbar haben. Außerdem ist es eine wirkliche Kur für die Geschmacksnerven. Ich weiß noch, dass ich nach den ersten Wochen meiner ersten (fast) komplett zuckerfreien Fastenzeit total geflasht davon war, wie süß Mandeln und Haselnüsse sind – eine Süße, die man gar nicht mehr wahrnehmen kann, vor lauter Zucker- und Schokoladenkonsum. Übrigens finde ich leibliches Fasten auch gerade in der Adventszeit angemessen: Die Herbergssuche von Josef und Maria, die armselige Geburt im Stall – man kann sich durch das Fasten mit den Armen der Welt verbinden, nicht so buchstäblich, wie Gott sich in seiner Menschwerdung und Geburt mit den Armen der Welt verbunden hat, aber doch ansatzweise. Ich weiß z.B. noch, wie geschockt ich als Kind während eines Besuches bei meiner Verwandschaft in Afrika war, denn die Kinder dort hatten nie Süßigkeiten, und eine von meiner Mutter gekaufte Packung Kekse hat unfassbare Freude hervorgerufen. Wenn man vier Wochen lang keine gegessen hat, wird man bemerken, dass man wieder etwas von dieser Wertschätzung und Freude empfindet, und das ist unheimlich viel wert – und ein Zeichen der Solidarität. Wer auf den Adventskalender mit Schokolade einfach nicht verzichten kann, der kann ja diesen als einzige schokoladige Süßigkeit der Adventszeit nehmen – das finde ich persönlich übrigens viel schlimmer als den harten Entzug ;).

Ich persönlich schwöre übrigens auf „veganes“ Fasten, wie es in der orthodoxen Kirche üblich ist. Man kann auch staffeln und mit der strengsten Variante, die man sich überlegt hat, erst mit dem Hohen Advent beginnen und davor z.B. einfach nur die Mahlzeiten einschränken. Ich habe das vegane Fasten in der letzten Fastenzeit schleifen lassen und muss im Nachhinein sagen: Schade, hätte sich gelohnt gehabt!

P.S. für die Verzichtsängstlichen: Sonntag ist fastenfrei, und der Advent ist voller schöner Heiligenfeste. Wer sich also nicht zutraut, vier Wochen lang zu fasten, während der Rest Deutschlands schmaust, der kann sich neben den vier Sonntagen noch die Sonnabende, den Andreas-, Barbara- und Nikolaustag, St. Lucia und ich weiß nicht wen noch alles heraussuchen, um das Fasten zu lockern. Als Rheinländerin kann ich sagen: Weniger Strenge geht immer, also ruhig erst einmal einfach ausprobieren und herausfinden, was man kann und schafft!

P.P.S. Übrigens ist es auch ein schöner Ansporn, zu wissen, dass man bei den Weihnachtsessen ohne jede Reue zuschlagen kann, weil man nicht wie die anderen bereits seit vier Wochen Völlerei betreibt – und, dass man keinen Grund hat, nach Weihnachten, wenn es dunkel, kalt und eklig ist, und man sich mit Süßem und Fettigem wärmen will, herumzudiäten ;). Catholicism ist wie immer erstaunlich praxistauglich!

P.P.P.S. Und by the way ist der allergrößte Vorteil, dass man als Katholik die wirklich guten Süßigkeiten, wie etwa Lindtschokolade etc. nach Weihnachten zum Spottpreis erstehen kann. Das Fasten ist also auch für den Geldbeutel lohnend!

4. Geistliches Fasten

Man kann sich in der Adventszeit wunderbar eine Andacht suchen, mit der man die Zeit geistlich besonders gestaltet. Man kann z.B. den 25. Dezember als Zieltag der Marienweihe nach Ludwig Maria Grignon wählen und die 33 Tage davor als Vorbereitungszeit nehmen. Das ist allerdings schon eine größere Sache, und man muss entsprechend früh anfangen. Man kann sich auch einfach vornehmen, eine Vierstelstunde früher aufzustehen und in der Heiligen Schrift zu lesen, etwa Jesaja oder andere Verheißungen, bei Kerzenschein und mit Tee. Oder sich ein erbauliches Buch vornehmen. Schön ist, wenn man Freunde hat, die einem einen geistlichen Adventskalender vorbereiten. Es ist sowieso sinnvoll, keinen Schokoladenadventskalender zu kaufen, sondern einen mit Bildern und / oder Texten. Ich z.B. schätze den „Andere Zeiten“-Kalender sehr. Die ökumenische Initiative gibt sich Mühe, das Kirchenjahr in seinen Qualitäten spürbar und erlebbar zu machen. Zwar ist das eine oder andere Mal durchaus etwas dabei, was einen nicht so sehr anspricht, aber viele Impulse habe ich tatsächich aufbewahrt. In der Mischung von Erbaulichem, Besinnlichem, Heiterem und Religiösem ist das ein schöner Rundum-Wohlfühl-Kalender, der übrigens nicht am ersten Dezember, sondern mit dem Vorabend zum ersten Advent beginnt, und auch erst mit Epiphanias / Heilige Drei Könige endet: Ein wirklich christlicher Kalender also.

5. Roratemessen

Früh aufstehen ist uäh? Kann sein. Tu es trotzdem. Es lohnt sich! Gibt dich nicht zufrieden mit der gemainstreamten Roratemesse abends um 18 Uhr. Das ist ein halbseidener Schwindel. Die echte Roratemesse ist die, in die man sich im Dunkeln gequält hat, am besten durch Eis und Schnee, und in der man dann mit dem einmalig warmen Licht der Kerzen empfangen wird, das einem sofort das Herz entzündet und die Augen zum Leuchten bringt. Im Hinblick auf Punkt neun kann man z.B. den wunderschönen gregorianischen „Rorate“-Gesang einstudieren und zu Beginn der Messe singen. Während der Priester die runde Hostie, Christus, unser Licht, die wahre Sonne, erhebt, geht draußen, genauso rund, die Sonne auf, auf die wir ebenfalls gewartet haben, und auf deren Aufgang wir uns freuen. Also: Symbolik nicht verschenken!

6. Kein Stress, kein Geschenkdelirium

Alle reden von Besinnlichkeit, während kaum eine Zeit als stressiger empfunden wird. Hier ist auch ein ganz konkreter Ansatzpunkt für das Fasten: Man kann durchaus von Stress und angeblichen Notwendigkeiten fasten! Uns sollte bewusst sein, dass der gesamte Weihnachtsfestkreis vom konsumorientierten bürgerlichen Gemütlichkeitsfest gekidnappt worden ist. Wir sind katholisch. Ergo subversiv. Ergo counterkulturell. Ergo nonkonform. Wir müssen nicht tun, was alle tun.

7. Adventstraditionen leben

Der Advent ist voller besonderer und schöner Heiligenfeste, die mit Brauchtum verbunden sind: das Fest des Heiligen Andreas, Barbarazweige am Barbaratag, St. Nikolaus, das Fest der Heiligen Lucia als Lichterfest etc. Lasst euch inspirieren von anderen Ländern und Kulturen, schaut, was unser eigenes Brauchtum zu bieten hat, und lasst diese Bräuche leben! Bastelt euch einen Adventskranz am Samstag vor dem ersten Advent! Ein schlichter selbstgemachter Kranz erwärmt das Herz mehr als ein prächtiger gekaufter. Und: Geht zum Priester und lasst ihn segnen! Mit dem Ausleben der Bräuche bekommt man ein Gespür für das Einzigartige dieser Zeit.

8. Fastenspeisen

Die gute Nachricht schlechthin: Keiner muss auf Lebkuchen verzichten, denn das ist eine traditionelle Fastenspeise :). Dies wissend, macht es doch noch mehr Spaß, Elisenlebkuchen selbst zu backen (idiotensicheres und ohne Oblate auch glutenfreies Rezept hier). Auch traditionelles Früchtebrot („Hutzelbrot“) kann man backen und sich damit geschmackvoll den Advent versüßen – macht den Schoko- und Keksverzicht deutlich dankbarer!

9. Singen!

Nichts macht sensibler für das Gepräge des Advent, als die adventlichen Lieder. Es lohnt sich, Weihnachtslieder wirklich erst an Weihnachten zu singen und bis dahin das adventliche Liedgut auszuschöpfen. Trefft euch mich Freunden zum Liedersingen! Wenn man das auf dem Weihnachtsmarkt macht, bekommt man vielleicht sogar einen Glühwein ausgegeben. Aber auch zu Hause bei Kerzen macht ein Adventsliedersingen Spaß.

Übrigens fällt eines auf: Gerade das deutsche Liedgut ist besonders reich in der Tradition der Adventslieder. Während die Engländer mit ihrem traditionellen Carol-Singing besonders viele schöne Weihnachtslieder haben, und die Polen mit ihrer – für mich etwas süßlichen – Wiegenliedtradition sowieso, wurden die Deutschen, als sie noch ein frommes Volk waren, mit ihrem Hang zur Mystik offenbar von der Adventszeit besonders angezogen: Ein Kind, das da ist, ist etwas ziemlich handfest-irdisches, ein Messias, der noch kommen soll dagegen lädt dazu ein, die eigene Seele als Wohnung für ihn einzurichten bzw. als Braut für ihn herzurichten. Viele sehr alte mittelalterliche (und neuzeitliche) Lieder sind stark auf die heilige Schrift bezogene Gesänge. Die Melodien sind in den Kirchentonarten verfasst (meistens dorisch), und klingen deshalb besonders „archaisch“ und ein wenig herb. Diese Lieder sind komplett kitschfrei, und daher für alle geeignet, die bourgeoise Weihnachtsheimeligkeit nicht leiden können oder zumindest nicht vier Wochen lang ertragen.

Hier empfehle ich übrigens dringend die Fassungen des Evangelischen Gesangbuches. Erstens schöner, zweitens urtümlicher (meistens). Zu meinen Favoriten gehört Luthers berühmt-berüchtigte Verdeutschung des Hymnus „Veni redemptor gentium“ (Nun komm, der Heiden Heiland): Liebevoller Spott bezieht sich in lutherischen Kreisen vor allem auf den epochemachenden, lyrisch und rhythmisch extrem gelungenen Reim in der Strophe „Sein Lauf kam vom Vater her / und ging wieder zum Vatér/ Fuhr hinunter zu der Höll/ und wiedér zu Gottes Stuhl.“ Allerdings möchte man das nicht missen, wenn man damit aufgewachsen ist, und die katholische Fassung ist ziemlich langweilig und nichtssagend.