Nach einem guten Pastis sieht die Welt gleich ganz anders aus.

Nachdem ich mit Pasta oder Basta nun meinen ersten Schock überwunden habe, möchte ich mich zwei Aspekten abgeklärter widmen. Denn, wie der erste Absatz meines unleidlichen Einwands hoffentlich vermittelt hat, geht es mir keinesfalls um blindes Dreinschlagen. Ich finde es hilfreich, wenn Menschen ihre Zweifel und Sorgen formulieren.

Max Pilger hat Probleme mit den Begriffen Gehorsam und Barmherzigkeit:

(…) ich will mein Leben selbst in der Hand halten. Mir nicht vorschreiben lassen, in welchem Stadtteil ich zu wohnen habe, mit wem ich zusammenleben darf, in welches Geschlecht ich mich verlieben soll, in welcher Richtung ich mich politisch engagieren will. All das ist ja auch erst mal kein Problem, solange ich ein Leben zu leben plane, das in das Bild der heteronormativen Normalfamilie reinpasst.

Zuerst einmal verständlich. Ich würde mich dagegen wehren, wenn jemand daherkäme und mir solches vorschreiben wollte. Bloß- die Kirche ist kein Verein mit einer willkürlichen Satzung. Sie ist, wenn Institution, dann Institution, also Einrichtung, Gottes. Er leitet sie durch den Heiligen Geist und ausnahmslos jeder Lehrsatz ist wahr. Wenn jemand das nicht zumindest glauben möchte – jedem sind Krisen gegönnt – warum will ich dann katholisch sein? Wieso würde ich einer Religion anhängen wollen, die nicht wahr ist? Wenn ich wirklich denke, dass die Kirche eine willkürlich Macht ausübende Gesellschaft ist, was mache ich dann als Teil von ihr? Die Haltung der Kirche zur Sexualität etwa ist keine Frage der Heteronormativität, sondern eine der Wahrheit. Verlieben darf sich jeder in was immer er will. Sex haben darf man nicht mit allem und jedem. Das liegt in der Schöpfungsordnung Gottes begründet, nicht in sozialen Konstrukten. Die kirchliche Lehre folgt Psychologie und Biologie und lehnt nicht Wissenschaft ab, so ihre Ergebnisse mit dem eigenen Willen nicht zusammenpassen, sondern steht im Einklang mit ihr. Ich kenne viele Theologen, die diese Folgerichtigkeit noch nie durchdacht haben, sie aber trotzdem ablehnen. Das lässt bei mir Zweifel an der theologischen Ausbildung aufkommen.

Pilger sagt nun nicht, dass er der Lehre nicht folgen will, sondern, dass er ihr nicht folgen müssen will. Das Richtige nicht zu wollen, nur, weil es jemand bereits als richtig erkannt hat und einfordert, das Phänomen kennen Eltern pubertierender Kinder.

Aber ein Leben verläuft einfach nicht immer wie geplant. Und wenn dann auf einmal etwas nicht mehr ins Bild passt, stehe ich dumm da. Denn das mit der Barmherzigkeit ist so eine Sache: Natürlich hoffe ich darauf, dass sich dann eine Lösung finden lässt. Aber ich habe kein Anrecht darauf. Diese Barmherzigkeit ist nur eine andere Ausdrucksform eines strukturellen Machtgefälles.

Die Kirche verlangt nicht, dass man einem Ideal entspricht, sondern, dass man der Lehre folgt, egal, wie wenig man dem Ideal genügt. Voraussetzung dafür, dass die Kirche einem helfen kann, einen gottgemäßen – und damit für den Menschen heilsamen – Weg zu finden, ist, dass man das Ärgernis, das in einer irregulären Situation liegt, auch als solches betrachtet. Wer ein Leben entgegen der Lehre der Kirche gut findet, kann nicht für sie arbeiten. Pilger sagt hier, dass er die Barmherzigkeit der Kirche nicht will, weil sie nur ein Aspekt eines „Machtgefälles“ sei: Sie stünde ihm nicht zu, ist also eine freiwillige Zuwendung gegenüber dem Bedürftigen, und da man selbst nicht bedürftig sein will, ist einem eben auch das zuwider, was in Erinnerung ruft, dass man bedürftig ist. Eine solche Einstellung ist nicht nur keine gute Idee im Sinne einer Beschäftigung bei der Kirche, sie ist keine gute Idee für ein Christenleben. Denn ausnahmslos jeder von uns braucht Barmherzigkeit. Dies nicht einsehen zu wollen, führt zu allen möglichen Neurosen und Psychosen.

Zuletzt müsste man sich fragen: Wie kann es zu solchen falschen Annahmen kommen? Netterweise sagt es uns Herr Pilger selbst: Ich erlebe es in der Ausbildung schon so, dass viel Wert darauf gelegt wird, wie ich ein spirituelles und geistliches Leben führen kann, wie ich meine Berufung in Beziehung zum Evangelium verstehe und diesen ganzen Kram. Das mag wichtig sein, mir sagt das nicht so viel. 

Noch Fragen? Eine lebendige Beziehung zu Gott haben, der innige Kontakt mit Jesus Christus, immerhin unser Heiland und Erlöser, ist „Kram“, der Herrn Pilger „nicht so viel“ sagt. Wenn die Beziehung zu Gott nur ein nebensächlicher Aspekt seines Lebens ist, wundert man sich natürlich über nichts mehr, außer darüber, dass dieser Mensch offenbar ohne warnende Stimmen, die ihn aufgehalten hätten, wirklich bereits so weit fortgeschritten in seinem Ansinnen ist, eine Arbeit auszuüben, deren innerer Kern und wesentliche Gehalt genau diese Beziehung ist! Man kann nur hoffen, dass er vor diesem Selbstbetrug bewahrt bleibt und sich und anderen ein Doppelleben, Frust und Bitterkeit erspart!