#poetrymatters
Ein Gedicht, das unschuldig, leichtfüßig und luftig die Schönheit des Seins besingt, muss weg. Dummerweise ist es dem Autor eingefallen, nicht nur Blumen, sondern auch Frauen mit „Bewunderung“ in Verbindung bringt, noch schlimmer, mit einem „Bewunderer“. Klar. Da wird die Frau objektiviert. Nun ist das Schöne an derartiger Lyrik, dass sie nicht brutal-konkret ist, wer also dahinter nun partout Toxic Masculinity erblicken will, dem fehlt ein Gen für Poesie. Abgesehen davon ist es faszinierend und erschreckend zugleich, worin eigentlich das Problem besteht.
Es wird häufig darauf hingewiesen, dass Frauen, die mit Bewunderung nicht umgehen können, ein Problem mit ihrer Weiblichkeit haben. Frauen haben tatsächlich abseits männlicher Rezeption ein Problem mit sich.
Ich möchte ein berührendes Zeugnis für weibliche Fehlkonzeption mit meinen Lesern teilen. Vor ca. fünf oder sechs Jahren stand ich in einer Parfumerie in der Schlange vor der Kasse. Vor mir ein Junge und ein Mädchen, um die 15, 16 Jahre alt. Ich kann den Dialog natürlich nicht im genauen Wortlaut wiedergeben, aber er ging ungefähr so (der letzte Satz des Jungen ist O-Ton, ich werde ihn nie vergessen):
„Welchen Lippenstift findest du besser, diesen oder diesen?“
(unwillig) „Ich weiß nicht.“
„Komm schon. Dieser oder dieser?
„Kann ich echt nicht sagen. Die sind beide schön.“
„Ach, komm schon. Sag’s mir. Welchen findest du schöner an mir?“
(zögerlich) „Also, hm, ehrlich gesagt finde ich dich so am schönsten, ohne Lippenstift.“
(ungeduldig) „Mann, komm schon. Du sollst mir sagen, welchen du besser findest!“
Ehrlich, ich musste fast weinen, als der Junge mit seinem Geständnis herausrückte und dieses zarte, unschuldige Statement von seiner Freundin nicht registriert, sondern mit genervtem Insistieren übergebügelt wurde. Wieso konnte ihr dieser simple Einfaltspinsel nicht einfach sagen, welcher Lippenstift an ihr besser aussieht? Dass er sie liebt so wie sie ist, geschenkt.
Seit diesem Tag denke ich manchmal an die beiden zurück und hoffe, dass er eine Freundin gefunden hat, die ihn verdient.
Tatsächlich ist das Problem der Frau vor allem eines der Projektion. Wenn eine Frau ihren Körper lediglich als Objekt auffasst, mit Rasierern, Pillen, Chemiebomben, Ökobomben und Abnehmprojekten malträtiert, geht sie davon aus, dass Männer das auch tun.
Allerdings gibt es noch eine zweite Projektion, die meistens vernachlässigt wird: Frauen, die Bewunderung ablehnen, wollen selbst nicht bewundern. Meine Lieblingsarie aus Haydns Schöpfung ist die, in der die Erschaffung des Menschen geschildert wird. Zuerst wird der Mann beschrieben. Mit blitzenden Augen, hohem Sinn, Geist:
Mit Würd‘ und Hoheit angetan,
Mit Schönheit, Stärk‘ und Mut begabt,
Gen Himmel aufgerichtet steht der Mensch,
Ein Mann und König der Natur.
Die breit gewölbt‘ erhabne Stirn
Verkünd’t der Weisheit tiefen Sinn,
Und aus dem hellen Blicke strahlt
Der Geist, des Schöpfers Hauch und Ebenbild.
Eine Frau könnte derart Gedichte auf die Schönheit des Mannes verfassen. Sie könnte ihn bewundern. Während aber Bewunderung der Frau durch den Mann als Herabwürdigung empfunden wird, wird Bewunderung des Mannes durch die Frau genauso als erniedrigend aufgefasst, aber nicht für den Mann, sondern ebenfalls für die Frau. Es ist angeblich unter ihrer Würde, die Kraft, Stärke, das Einparkvermögen eines Mannes zu bestaunen und sich daran zu erfreuen. Wer Bewunderungslyrik von Hauswänden tilgen will, der will das prickelnde Geheimnis aus der Beziehung zwischen Mann und Frau tilgen. Das Idiotische daran ist, dass solche ideologischen Spielchen häufig auf das „echte Leben“ kaum Auswirkungen haben. Ich erlebe manchmal, dass Frauen, die sich als Emanzen generieren, sich in ihrem Privatleben in Mustern einrichten und wohlfühlen, die überhaupt nicht dem entsprechen, was sie als Emanzipationsmythos verbreiten. Dass sie durch diese Profanmythen, denen sie selbst überhaupt nicht folgen, denjenigen das Leben und das Streben nach Glück erschweren, die naiv auf das platte Gesülze von der Selbstbestimmung hereinfallen, verstehen solche Frauen einfach nicht.
Bewunderndes Staunen ist eine der schönsten Beschäftigungen, denen Menschen nachgehen können, und es ist ein Geschenk, dass wir überhaupt das Besondere eines Sternenhimmels, eines Sonnenuntergangs, eines Gemäldes, einer Symphonie, eines Mannes oder einer Frau erkennen und würdigen können. Wenn wir das bewundernde Staunen als Proto-Oppression diffamieren, entwürdigen wir eigentlich uns selbst. Das Heilmittel: Einfach mal selbst mehr staunen und bewundern und feststellen, dass man keineswegs Geringschätzung, sondern Respekt, Wohlwollen, Liebe und Zärtlichkeit empfindet gegenüber dem Bewunderten.