Bilder in der katholischen Kirche – Catholic Basics #1
Manchmal vergisst man über komplizierte Gedankengänge, dass ein großer Teil der Menschen nicht katholisch ist und keine oder seltsame Vorstellungen davon hat, wieso wir Katholiken tun, was wir tun. Noch häufiger vergisst man, dass selbst Katholiken oft nicht wissen, was sie tun. Wenn man so als gutmeinender Katholik dann mit engagierten und (vermeintlich) bibelfesten Einwänden konfrontiert wird, führt das gerne mal dazu, dass man als Katholik im Glauben geschwächt wird und meint, die Kirche irre ja vielleicht doch hier und da.
Darum möchte ich von Zeit zu Zeit, inspiriert durch Begegnungen in der Diaspora, mal ein paar Basics des katholisch Seins vermitteln und bin natürlich dankbar für Fragen und Anregungen durch Euch, liebe Leser.
Anfangen will ich mit einem Thema, das die 10 Gebote ganz oben auf die Tagesordnung setzen: Bilder. Wieso dürfen wir Bilder machen, Bilder verehren, während es die Bibel doch ganz eindeutig verbietet?
Natürlich muss ich, in guter alter Blogtradition, erst einmal die Frage infrage stellen: Verbietet die Bibel Bilder eindeutig? Die 10 Gebote, wie sie in den Büchern Exodus und Deuteronomium überliefert sind, sagen, dass wir uns keine Bilder noch Gleichnisse machen dürfen von irgendetwas und fügen hinzu: „Bete sie nicht an und diene ihnen nicht (…)“. Das sieht erst einmal sowieso wie ein Widerspruch aus, schließlich kann ich nicht anbeten, was ich gar nicht gemacht habe. Nur fünf Kapitel später gibt Gott den Israeliten den genauen Bauplan für die Stiftshütte, und dieser beinhaltet figürliches Schnitzwerk: Cherubim mit Flügeln und Gesichtern, die Kelche der Leuchter sollen mandelblütenförmig mit Blüte und Knospe sein. Sollte Gott entfallen sein, was er kurz zuvor geboten hat? Wohl kaum! Die beiden Sätze der 10 Gebote müssen also im Zusammenhang stehen, wenn sie nicht dem 25. Kapitel des Buches Exodus widersprechen sollen: Man soll keine Bilder zum Zweck der Anbetung machen oder kurz: Keine Gottesbilder, schon gar keine Götzenbilder.
Noch ein zweiter Gedanke stützt diese Auslegung: Es ist dem Menschen unmöglich, sich „kein Bild“ zu machen: Ich kann zwar davon Abstand nehmen, ein Götzenbild zu schnitzen, in meinem Geist habe ich aber dennoch „Bilder“ von Gott, wenn auch nicht figürlich. Auch Worte sind Sprachbilder: Spreche ich von Gott als Fels, als Erlöser, als Retter: Immer sind das Bilder. Nun würde Gott kaum etwas gebieten, was nicht erfüllt werden kann. Das Bilderverbot bedeutet also zugleich mehr und weniger als strenge reformierte Lehre, Islam oder Judentum lehren: Es verbietet nicht die Anfertigung von Bildern, sondern die Anfertigung von Anbetungsbildern, warnt aber eindringlich davor, sich Gottesbilder welcher Art auch immer zu machen:
Dahinter steht einmal die einfache Einsicht, dass das Geschaffene niemals göttlich ist, außerdem, dass Gott größer ist als alle Götzen bzw. dass er nicht, wie diese, menschengemacht ist. Sobald wir aber ein Bild machen von Gott, brechen wir seine Größe herunter auf unser Niveau, auf unseren Denkhorizont. Das betrifft übrigens nicht nur Gott: Wer sich ein Bild macht, macht zugleich immer auch irgendwo eine „Schublade“, er grenzt das ein, wovon er sich ein Bild macht. Deshalb bleibt diese Warnung der 10 Gebote aktuell: Weder in Bezug auf die geschaffene Welt noch gar in Bezug auf Gott dürfen wir je vergessen, dass unsere Bilder immer hinter dem zurückbleiben, was abgebildet wird; oder positiver ausgedrückt: Sie können immer nur eine Ahnung davon geben.
Wieso stellen Katholiken Gott aber doch dar?
Wie oben erläutert, ist aus katholischer Sicht nicht das Darstellen verboten, sondern das Darstellen in der Absicht, die Materie dann anzubeten. Katholische Darstellungen von Göttlichem verstehen sich aber immer, genau wie die Sprachbilder der Bibel, als Annäherung, nicht als 1:1 Abbild. Wie etwa kann ich von Gott sagen „mein Fels“, ohne deshalb den Felsen zu vergötzen? Ganz klar: Mir ist ganz intuitiv bewusst, dass ich mit der Aussage „Gott, mein Fels“ meine, dass zu den unendlichen Eigenschaften Gottes solche gehören, denen ein Fels in seiner Beschaffenheit ähnelt. Ich sehe also im Felsen etwas von dem, der den Felsen geschaffen hat und wende deshalb diesen Begriff auf Gott an. Keinesfalls habe ich dabei im Kopf das Bild, Gott sei ein Stein. Was man bei der Sprache automatisch annimmt, gilt auch für bildliche Darstellung. Wenn ich den heiligen Geist als Taube darstelle, meine ich keine Sekunde lang, der heilige Geist sei eine Taube. Ich fange auch nicht an, Tauben anzubeten. Ich greife vielmehr eine Eigenschaft des heiligen Geistes heraus und stelle sie so präzise dar, wie ich das als armes Menschlein vermag. Ich vergesse aber nie, dass dies nur eine Ahnung des tatsächlichen Wesens des Geistes ist.
Die Darstellungen, die Katholiken wählen, sind darüber hinaus sämtlich aus der Schrift selbst und damit von Gott selbst gegeben: Wenn etwa Gott Abraham in der Gestalt dreier Männer besucht, so gibt er Abraham und uns ein Bild, das er uns geben möchte. Denn Gott ist ja keineswegs „drei Männer“. Ja, sogar als Henne, die ihre Küken unter ihre Flügel sammelt, bezeichnet sich Gott. Den eigentlichen Unterschied aber macht Jesus Christus: In der Menschwerdung gibt uns Gott DAS Bild seiner selbst, von dem er möchte, dass die Menschen es haben. Denn Gottsohn ist ja ebenso unendlich und ungeschaffen wie der Vater, aber in der Menschwerdung als Mensch in die Zeit gekommen. Und somit haben wir nun von Gottsohn nicht nur ein Bild, sondern konnten Gott in einer Form begegnen, in der man ihn anfassen konnte. Er hat damit die Materie in einzigartiger Weise gewürdigt. Wenn wir also nun Gott als Jesus darstellen, stellen wir nicht einfach etwas dar, was wir uns ausgedacht hätten, sondern wir „reproduzieren“ nur, was Gott selbst uns offenbart hat. Das ist der große qualitative Unterschied zwischen einem goldenen Kalb – das der Mensch aus seiner eigenen Vorstellung „schöpft“ – und einem Bild Jesu, das zeigt, was Gott uns selbst gezeigt hat. Dieser Unterschied ergibt sich also daraus, dass die Israeliten nur die Verheißung hatten, wir aber durch Christus die Fülle haben.
Naaaaaa gut…aber wieso verehrt ihr Bilder? Bilder zum Zwecke der Anbetung bleiben doch verboten?!
Yup. Aber wir beten Bilder nicht an. Wir verehren Bilder. Klingt abstrakt, ist aber ganz einfach. Viele Menschen haben ein Bild von einem geliebten Menschen in ihrem Portemonnaie oder auf ihrem Handybildschirm. Glauben sie deshalb, diesen Menschen selbst dabeizuhaben? Nö. Und wenn sie so ein Bild küssen, glauben sie auch nicht, den Menschen zu küssen. Der Kuss gilt nicht dem Bild, sondern der Person, die man leider gerade nicht wirklich küssen kann. Ihre Liebe gilt nicht dem Bild, sondern dem echten Wesen, dessen Abglanz sie darin erblicken. Wer das Bilderverbot des Alten Testaments so verstehen will, wie es die reformierte oder muslimische Lehre sagt, dürfte also auch kein Foto seines Kindes oder seiner Frau bei sich tragen oder gar zärtlich anschauen. Während Muslime zum Teil dieser krassen Auslegung tatsächlich folgen und jegliche figürliche Darstellung ablehnen (sie haben ja allerdings auch nicht die Bibel und dementsprechend Schriftstellen, die ausdrücklich figürliche Darstellung befehlen), sind Protestanten hier (mal wieder) so inkonsequent wie eh und je: Sie kämen kaum auf die Idee, dass das zärtliche Anschauen eines Bildes des eigenen Kindes irgendwie mit den 10 Geboten kollidieren könnte, meinen aber, dies diagnostizieren zu können, wenn man ein Bild eines Freundes Gottes betrachtet.
Danke schön, dass habe sogar ich verstanden?
Gerne 😀
Es sei zur Ergänzung angemerkt:
daß es den Protestanten anscheinend so wichtig ist, daß sie uns bei einem Verstoß gegen ein Gebot Gottes ertappen, daß sie innerhalb des Ersten Gebotes gewissermaßen willkürlich auf die Entertaste drücken und sinnzusammenhangswidrig ein sogenanntes „Zweites Gebot“ daraus machen.