Marienbilder?

Ein guter, bibelfester Freund von mir wies mich kürzlich darauf hin, dass er ein Problem damit hat, dass Maria häufig so glanzvoll und glorreich dargestellt wird, wohingegen das Jesuskind in ihren Armen fast verschwindet.

Ich finde, dass das eine interessante Beobachtung ist, und eine berechtigte Frage, auch, wenn einem Katholiken diese Sichtweise wohl kaum in den Sinn käme. Dementsprechend möchte ich zu einem Perspektivwechsel einladen, und dazu, ein Marienbild so zu betrachten, wie es ein katholischer oder (in Nuancen anders) ein orthodoxer Christ sehen würde.

Schauen wir uns Fotos von  der Krönung der Queen an, dann sehen wir, dass die junge Frau, obschon nun gesalbte Herrscherin, unter Krone und in Mantel und Kleid „fast verschwindet“. Der Mensch neigt offensichtlich dazu, Hoheit durch Attribute und Schmuck zu zeigen: Kostbar verzierte Gewänder, mit edlen Metallen und Intarsien verzierte Throne, Kronen, Zepter, etc. pp. Wir schmücken, was wir lieben, und das Beste kann kaum gut genug sein.

Das Jesuskind nun schmücken wir ebenfalls mit einem wunderschönen Thron, einem kostbaren Gewand: Die Gottesgebärerin, die ihn in den Armen hält, ist tatsächlich „nur“ sein Thron, und gerade deshalb besonders geschmückt und geziert. Dazu kommt ein zweiter, ebenfalls wichtiger Punkt: Maria ist nicht aus sich selbst heraus glorreich oder prachtvoll. Ihre ganze Herrlichkeit kommt nur durch Gott. Wenn zweifelnde Modernisten oder evangelische Christen angesichts einer solchen Äußerung die Stirn runzeln und sich (verständlicherweise) fragen, ob das denn nicht bloß die Theorie sei, während die Volksfrömmigkeit das anders sieht: Ganz klar – nein. Schauen wir in Liedgut aus der Tradition der Kirche, dann sehen wir, dass dem gläubigen Volk diese Tatsache jederzeit vollkommen klar war. Nun, wie gesagt, ihre ganze Pracht kommt von und durch Gott, und ist aber gerade dadurch auch so groß. Denn sie wurde eben nicht von Hinz oder Kunz, sondern von Gott erhöht und mit einer Gnadenfülle ausgestattet, die man sich gar nicht vorstellen kann. Sie besonders schön darzustellen, enthält also auch eine theologische Aussage. Maria ist außerdem, wenn sie im Sinne einer Ikone dargestellt wird, niemals nur sie selbst. Sie ist Sinnbild für die Kirche: Die Sakramente und die heilige Schrift, beides hat uns die Kirche gegeben. So, wie Maria uns ihren Sohn hinhält, so bringt ihn uns die Kirche. Maria ist auch immer ein Hinweis auf die Berufung jeder einzelnen Seele: Jede Seele soll wie Maria sein bzw. werden; frei von Sünde, eins mit Gott, Gott in die Welt tragend, von Gott ganz erfasst. Dies ist die höchste und eigentliche Berufung der Seele und der Kirche, und deshalb glanzvoll und prächtig. Wir feiern und schmücken Maria deshalb so enthusiastisch (und…*hust* bisweilen kitschig und nicht ganz geschmackvoll…), weil wir an ihr sehen: So soll meine Seele auch einmal leuchten und schön und rein und mit Gott eins sein. Sie hat „ja“ gesagt zu Gott, und wir, die wir jeden Tag, jede Sekunde in der Gefahr schweben, „nein“ zu sagen, feiern dieses Ja glanzvoll, weil wir täglich erfahren, wie schwer es ist, diese Antwort zu geben. Wir freuen uns darüber, dass es Maria gelungen ist, zu unser aller Heil.

Nun, wieso aber wird dagegen das Jesuskind dann meist vergleichsweise schlicht, oft gar nackt abgebildet? Ist das nicht eine Respektlosigkeit gegenüber Gott, eine Herabwürdigung gegenüber dieser so hoch und hehr dargestellten Frau? Keineswegs! Zuerst einmal muss man sagen, dass auch das Jesuskind mitunter sehr prächtig ausgeschmückt und sehr häufig mit Insignien des Königtums dargestellt wird. Dennoch ist ja Gott als verletzliches, nacktes Kind auf die Welt gekommen. Es war sein Wille, ohne Engellegionen und Protz aufzukreuzen, nicht unsere Imagination. Stellt man Jesus so dar, macht man auch hier eine theologische Aussage: Gott ist ganz klein geworden um uns groß zu machen. Und wir haben Anteil an seiner Größe, wenn wir wie ein Thron bereit sind, sein Instrument, sein Sitz zu sein, wenn wir ihn regieren lassen. Gottes Größe ließe sich ja ohnehin gar nicht wirklich darstellen. Tatsächlich sind die Erhöhung Mariens zur Mutter des Herrn und seine eigene Erniedrigung, als Mensch geboren zu werden, die eindrücklichsten und machtvollsten Zeichen, die Gottes Größe erfahrbar machen. Übrigens meine ich, dass es auch psychologisch sinnvoller ist, Jesus Christus als das kleine Kind von Bethlehem darzustellen und nicht als den Weltenrichter der Sistina. Es ist doch gerade die frohe Botschaft, dass Gott geboren ist. Ihn für uns fassbar darzustellen, als nah und nahbar, ermutigt uns, uns ihm anzuvertrauen, keine Angst vor ihm zu haben, sondern ihn zu lieben, der so niedrig geworden ist, um uns in den Himmel zu ziehen.

Die katholische Kirche ist in der bildlichen Darstellung des Heiligen sehr frei – die Ikonen mit ihrer sehr klar festgelegten, theologisch feinsinnigen Symbolik haben zwar auch bei uns einen Platz, insgesamt aber dürfen wir auch Darstellungen nutzen, die eher unsere emotionale Haltung zu Gott als Gottes Haltung zu uns illustrieren, wir können sehr viel von unserer eigenen Befindlichkeit einbringen in das, was wir von Gott darstellen wollen und können. Dennoch sind auch römisch-katholische Bilder von Symbolik durchdrungen und haben immer auch den Charakter einer bildlichen Unterweisung in Glaubenswahrheiten. Es ist also keinesfalls eine Missachtung der Größe Gottes, ihn in den Armen Mariens klein, nackt und bloß darzustellen, denn so zu werden war nun einmal – so anstößig wir das finden, und so seltsam und unbegreiflich es die Apostel fanden – Gottes eigener Wille.