Von verschenkten Chancen: Corona und Gesang
Ich habe schon länger keinen echten Rant mehr abgesetzt und irgendwie tut es mir in dieser Sache so weh, enttäuscht zu sein, dass ich versuchen werde, bei aller Deutlichkeit liebevoll zu bleiben. Am 6. Januar, dem Fest der Epiphanie und der heiligen Drei Könige, deren Gebeine im Dom ruhen (ja, die sind echt, und wenn sie nicht echt sind, sind sie trotzdem echt, capisci?!), war ich in Köln, in der Stadt, die schon vor Christi Geburt katholisch war, und ich war in der Abendmesse im Dom. Coronabedingt in jeder Bank ein Hausstand, also, von Überfüllung konnte keine Rede sein. Die Predigt gut, die Messfeier andächtig, warum also bin ich unzufrieden? Ich bin unzufrieden, weil hier evident wurde, wie Chancen, die uns Corona bietet, nicht genutzt werden. Mein Unmut entzündete sich an der musikalischen Gestaltung.
Nur drei Menschen sollten singen. Deshalb stellte man zum Kantor zwei Mädchen aus der Mädchenkantorei des Domes. Sie sangen u.a. zwei Stücke, die man als „Literatur“ bezeichnen kann, also keine Gemeindelieder, sondern künstlerische Kompositionen, mit denen sie ziemlich und auch ziemlich hörbar überfordert waren. Das liegt nicht daran, dass sie keine guten kleinen Sängerinnen wären, sondern daran, dass sie eben jung und unerfahren sind. Während ein Profichor so gut ist wie sein „schwächstes“ Mitglied, ist ein Laienchor immer um ein Vielfaches besser als die Fähigkeiten des Einzelsängers vermuten lassen, weil die Sänger sich gegenseitig ergänzen können. Hätten die beiden im Pulk von fünf oder mehr Mädchen gestanden, wären die Aussetzer, die Konzentrationsdefizit oder Aufregung oder was auch immer hervorriefen, unauffällig, da andere sie auffangen würden. So aber mussten sich die beiden verzweifelt durchkämpfen. Wieso eine Orgel die Kinderstimmen übertönen muss, so dass man zeitweise nur den Hauch von Stimme erahnt, erschließt sich mir nicht. Solo-Orgelspiel an einem Hochfest ist doch feierlich und angemessen und transportiert die Würde des Festtages außerordentlich gut! Und das Erzbistum Köln findet keinen Sänger, der den Kirchenraum mit seiner Stimme füllen könnte? Es tut mir wirklich leid, dass diese beiden als Kanonenfutter benutzt worden sind, mit dem Effekt, dass die Dommusik klang wie eine Werktagsmesse in Hintertupfede in der nordostniedersächsischen Diaspora.
Nun ist das in erster Linie ein ästhetischer Fauxpas, der mich nicht ärgert, weil er aufgetreten ist, sondern, weil er ohne Not aufgetreten ist an einem Ort und in einem Kontext, in dem man mit wenig Mühe etwas deutlich angemesseneres hätte aufbieten können.
Was mich aber zusätzlich wurmt, ist, dass die Sängerinnen auch Gemeindelieder singen mussten – bei denen man sie wirklich kaum hörte, weil die Orgel so spielte, als würde sie einen ganzen Kinderchor oder zumindest eine kleine Gemeinde begleiten.
Seit Corona erlebe ich sehr häufig, dass in Messen Gemeindelieder von einer kleinen Schola oder von einem einzelnen Sänger gesungen werden. Grundsätzlich habe ich dagegen nichts einzuwenden: Die Menschen können sich innerlich mit den bekannten (! dafür müssen es dann aber eben bekannte Lieder sein) verbinden. Allerdings hat das Ganze mehrere Haken. Um wirken zu können, müssen Gemeindelieder, die von wenigen gesungen werden, ein anderes Begleitarrangement haben als ein normaler Choralsatz, weil weniger Stimmen weniger massiv sind. Zweitens kommt hier die ganze Absurdität der Liturgiereform ans Licht: Am Altar wird Liturgie gefeiert, und die Gläubigen sollen diese aktiv mitvollziehen. Das bedeutet in erster Linie, dass sie mitbeten sollen, mitopfern sollen. Nun gibt es in Deutschland eine tief verwurzelte Liebe zum paraphrasierenden Kirchenlied, d.h. dazu, liturgische Vorgänge nicht eins zu eins, sondern in meist emotional gefärbten Umschreibungen singend zu erfahren (man höre sich z.B. „die“ Schubertmesse an – musikalisch schön, liturgisch betrachtet grauenvoll). Ich persönlich halte diese Art, die Liturgie zu umschreiben, für unvereinbar mit den Anliegen des Zweiten Vatikanums, aber das ist nur meine bescheidene Meinung. Ich meine das, weil die Tiefe der echten liturgischen Texte übersäuselt, übermalt und häufig eklatant unterschritten wird von jeweils zeit- und stilbedingten Ideen, Einfällen und Emotionen. Ich bin davon überzeugt, dass Lieder eine tiefe emotionale Reaktion und Verbindung ermöglichen, aber die Leute sollen ja von Jesus und von der Liturgie erfüllt sein, nicht von einem x-beliebigen Lied. Wegen dieser typisch deutschen Verformung des Mitvollzugs motzen auch landauf landab ordentliche wie außerordentliche Gläubige so intensiv über das Singverbot. Für die Feierlichkeit der Messe ist völlig unerheblich, ob die Gemeinde singt. Nicht ganz selten senkt das sängerische Niveau sogar die objektive Feierlichkeit. Wenn die eigene Inbrunst so untrennbar ans Singen unliturgischer Texte gebunden ist, dass ich ohne sie meine, die Messe sei nicht wirklich vollständig, dann ist man von mündigem Mitvollzug weiter entfernt als damals, als man noch unschuldig Rosenkranz während der Messe hat beten können.
Von dieser meiner grundsätzlichen Ablehnung abgesehen ist es nun doppelt problematisch, wenn die Gläubigen nicht einmal mehr selbst singen, sondern jetzt auch noch ihre Konzentration auf die ihnen coronabedingt nur indirekt zugängliche Musik richten müssen. Anstatt sich also Paraphrasen singend an die Liturgie anzuschließen, müssen sie sich nun Paraphrasen anschließen, die sich dann an die Liturgie anschließen sollen, wie soll das gehen? Und wenn, s.o., dies dann auch noch so leise und so schlecht verständlich geschieht, wie an Epiphanie im Dom, funktioniert es überhaupt nicht.
Und nun zur gigantischen Chance, die man sich mit dieser wirklich unkreativen Herangehensweise verschenkt: Man könnte Corona nutzen, um die Gläubigen wieder an das Gebet, und zwar an das liturgische Gebet, zu gewöhnen. Ich bin kein ausgesprochener Freund deutscher Gregorianik, und zwar vor allem aus linguistischen Gründen. Latein und Deutsch sind sehr unterschiedlich in Struktur, Rhythmisierung und Melodie und bei der Übertragung geht vieles verloren. Dennoch ist deutsche Gregorianik besser als keine Gregorianik, und z.B. Münsterschwarzach hat viel Herzblut und Arbeit darauf verwendet, deutsche Übertragungen zu schaffen. Wenn man nun also sagt, man wolle die Leute nicht mit Latein überfahren – gut. Dann nehmt die deutschen Fassungen (oder eine gesunde Mischung: Melismatische Teile auf Latein, syllabische auf Deutsch z.B.): Gregorianik ist lediglich in Musik gegossener Gebets- und Bibeltext. Sie ist die am wenigsten individuelle, die am wenigsten subjektive Form geistlicher Musik. Ihr fehlt nichts, wenn sie nur von einem einzelnen Sänger gesungen wird. Ihr fehlt nichts, wenn sie nicht begleitet wird. Sie ist immer groß, immer erhaben, immer in die Ewigkeit aufsteigend. Sie sammelt und erhebt immer. Der Hörer wird in das gesungene Gebet hineingenommen, unmittelbar, ohne die Zwischenstufen von Stilistik, Harmonie oder Wortschwulst. Jetzt wäre die Zeit, um die Menschen wieder ein Gloria hören zu lassen. Einen Introitus, ein Graduale, die nicht irgendwelche geistlichen Gedanken sind, die zu jeder Zeit das persönliche Gebet bereichern können, sondern die genau die biblischen Worte wiedergeben, die zu genau jener heiligen Messe gehören, die gerade gefeiert wird.
Anstatt in einer ausgedünnten Variante in jedem Gemeindelied ausgerechnet den Mangel hervortreten zu lassen, das nämlich keiner mitsingen darf, könnte man den Reichtum des Gebetsschatzes hervorholen, in den man nicht mit der Stimme einstimmen muss, und durch den man nicht von der Liturgie abgelenkt, sondern direkt in sie hineingenommen wird. Mit Gregorianik – oder wenigstens anderweitig (u.U. a-cappella-fähiger) direkter Adaption der Messtexte – wäre selbst die Werktagsmesse in Hintertupfede in der nordostniedersächischen Diaspora in Sachen Gebetsatmosphäre nicht zu unterscheiden von einem Pontifikalamt in einer Kathedrale. Das ist ja nun auch so, dass beides nicht zu unterscheiden ist, nur wählt man statt maximaler musikalischer und textlicher Ausleuchtung der Liturgie maximale Verschleierung. Und das in einer Situation, in der die Gläubigen die erhebende Kraft des biblischen Gebets dringendst brauchen. Schade.
„Ich persönlich halte diese Art, die Liturgie zu umschreiben, für unvereinbar mit den Anliegen des Zweiten Vatikanums, aber das ist nur meine bescheidene Meinung.“
Liebe Anna, das ist nicht nur Ihre bescheidene Meinung. Sowohl als Katholik als auch als begeisterter Chorsänger und Instrumentalist teile ich Ihre Einschätzung, dass der Novus Ordo Teutonicus, wie Sie ihn einmal liebevoll genannt haben, unter Krisenbedingungen wie den jetzigen im Grunde genommen zusammenbricht. Unlängst bin ich in das befreundete katholische Ausland umgezogen und hatte das unverhoffte Glück, meinen Wohnsitz doch tatsächlich in einer der wenigen deutschsprachigen Pfarreien zu nehmen, die von Priestern des Oratorium des Philipp Neri geleitet wird. Dort wird der Novus Ordo auf Latein und Deutsch ausdrücklich in der Form gefeiert, wie ihn das Vaticanum II vorgesehen hat (den Volksaltar haben sie übrigens auch abgebaut…). Es ist klar, dass die Gemeinde unter den jetzigen Bedingungen die Texte des Ordinariums einfach gemeinsam betet! (Und immer das Ave Maria nach den Fürbitten, was man sich in D nur ganz verschämt im Mai traut, wenn überhaupt.) Es ist wie im Paradies. Man ‚vermisst‘ nichts. Eine Werktagsmesse hier ist klarer und würdiger als eine Sonntagsmesse in einer deutschen Universitätsstadt.
„Ich bin kein ausgesprochener Freund deutscher Gregorianik, und zwar vor allem aus linguistischen Gründen.“
Auch da stimme ich Ihnen zu. Die Arbeiten von dem Godehard Joppich kenne ich ganz gut. Die Münsterschwarzacher Übersetzungen sind hervorragend. Aber ich muss einfach sagen, dass die deutsche Sprache, so eine wunderbare Sprache für die Musik sie auch ist (Schubert-Lieder, Strauß-Opern, und vieles mehr, ach, *dahinschmelz*), so ist sie für die Gregoranik einfach zu ‚geschwätzig‘, Melismatik funktioniert auf Deutsch nicht so richtig. Aber wie Sie sagen, sind das letztlich akademische Einwände, man könnte die Gregorianik um Vieles mehr einsetzen, als es jetzt der Fall ist.
P.S.: Ich bin kein Virologe und kein Epidemiologe; selbstverständlich kenne die Argumente für die Gesangsverbote; die Nachrichten, dass sich anscheinend ganze Chöre mit Corona infiziert haben, sind mir nicht entgangen. Aber es schnürt mir trotzdem die Luft ab, dass wir alle miteinander diese politisch verordnete Asozialität und Dystopie („Kontaktbeschränkungen“) einfach so hinnehmen. Wenn der Tod aus angeblichen Gründen der Selbstbestimmung herbeigeführt wird, erstarren wir geradezu vor Ehrfurcht. Aber wehe, er klopft an die Tür, wenn es uns gerade nicht passt. Tod, Krankheit und Aerosole sind kein Grund, mit dem Singen aufzuhören, verdammt noch mal…
Wie schön! Ich freue mich für Sie! Und natürlich freue ich mich auch, wenn jemand meine Kritik nachvollziehen kann.
@sokleidas und Anna, ich bin fast neidisch auf ihrer beide schönen Erfahrungen in der Kirche und mit der Liturgie, ich war nach dem letzten Lockdown noch mal in einer (katholischen) Kirche und habe versucht zu Ruhe und Gebet zu finden, allein das Ölgemälde einer dicklichen Käßmann-Kopie auf einer Schaukel die hinaufschaukelnd vor dem Gekreuzigten platziert war, hat mich vertrieben. Mummenschanz, Mummenschanz sonst doch gar nix.
Oh je, das klingt furchtbar! Ich weiß, aus privilegierter Position heraus klingt das doof, aber: die Kirche ist universal. Ich habe ja auch schon genügend schreckliche Dinge erlebt, aber man muss sich eben an dem festhalten, was wirklich katholisch ist. Und den rest…ausblendek ist das falsche Wort, aber nicht an die Seele lassen, die dadurch verunsichert werden soll. Der Herr ist im Tabernakel. Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall, dass 2021 auch erhebende und erfüllend geistliche Erfahrungen schenken möge!
Haben Sie vielen Dank und auch Ihnen alles Gute und Gottes Segen.
„man höre sich z.B. „die“ Schubertmesse an – musikalisch schön, liturgisch betrachtet grauenvoll“
Einspruch Euer Ehren! Ich darf hier mal den Text zitieren der zum Agnus Dei in der ersten Strophe gesungen wird:
„Mein Heiland, Herr und Meister! Dein Mund so segenreich,
sprach einst das Wort des Heiles: »Der Friede sei mit Euch!«
O Lamm, das opfernd tilgte der Menschheit schwere Schuld,
send‘ uns auch deinen Frieden durch deine Gnad‘ und Huld.“
Was da an liturgischem Grauen verbreitet wird erschliesst sich mir dann doch nocht so ganz. Im übrigen geht es in der Schubert Messe genau darum, die Begegnung des Gläubigen mit Jesus zu vertiefen. So heißt es im sog. Schlussgesang:
„Herr, du hast mein Fleh’n vernommen, selig pocht’s in meiner Brust,
in die Welt hinaus, in’s Leben folgt mir nun des Himmels Lust.
Dort auch bist ja du mir nahe, überall und jederzeit.
Allerorten ist dein Tempel, wo das Herz sich fromm dir weiht.
Segne, Herr, mich und die Meinen, segne unsern Lebensgang!
Alles unser Tun und Wirken sei ein frommer Lobgesang.“
Auch hier nichts von Grauen sondern die Aufforderung mit „selig pochender Brust“ in die Welt hinaus zu gehen, zu tun und zu wirken.
Gerade die Schubert Messe (und da nicht nur die tollen Harmonien) hat mich das Grauen auf den Novus Ordo Teutonicus gelehrt.
„Aber es schnürt mir trotzdem die Luft ab, dass wir alle miteinander diese politisch verordnete Asozialität und Dystopie („Kontaktbeschränkungen“) einfach so hinnehmen.“
@Sokleidas
Na ja, das müssen wir ja nicht hinnehmen. Ich z.B. singe in den Messen immer laut mit, egal ob singen verboten ist oder nicht. Probleme mit den Kontaktbeschränkungen habe ich auch nicht, den Friedensgruß habe ich immer schon für Nonsens gehalten. Da fehlt mir nix.
Ich finde Corona bwz. die sog. Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ordentlichen Ritus ganz praktisch. Dieser Ritus war und ist tot und nun wird er offiziell begraben.
Natürlich muss man kein Virologe oder Epidemiologe sein, um den ganzen Schwachsinn der rund um die Pandemie veranstaltet wird, schlecht zu finden. Da reicht der normale gesunde Menschenverstand völlig aus.
Das agnus ist tatsächlich oookay.
Der Abschluss zeigt aber sehr gut, was daran nicht gut ist,genauso das sehr beliebte sanctus.
Die Liturgie ist die ewige Feier der Kirche. Sie hat mit süßlich wallender Erhebung nichts zu tun. Wir Menschen dürfen uns gern einklinken im diese Liturgie auch mit unseren akuten Gefühlen und Befindlichkeiten, dazu gehört auch süßlich wallende Erhebung. Ja. Aber es ist ein Unterschied, ob ICH das in dem Augenblick empfinde, oder ob mir oktroyiert wird, dies empfinden zu sollen. Insbesondere, wenn es eben DIE Mitwirkungsform der Laien ist, der ich mich nicht entziehen kann ohmeasozial zu wirken.
Ite missa est-Deo gratias. Darin hat JEDER Platz. Der, der sich gerade so in die Messe geschleppt hat, der, der sich fühlt wie ein Marienglitzerbild und der, der total fröhlich und energiegeladen ist. Jetzt ein Marienlied und alle sind aufgehoben. Nicht nur die, die sich zufällig gerade süßlich wallend fühlen.
Das Sanctus: Komplexer Text, in dem von Jesaja bis Elia bis Christus so viele Aspekte der Herrlichkeit Gottes enthalten sind. Schubert: ähm ja. Abgesehen davon, dass der ganze Christusbezug, also einfach mal die Hälfte des Sanctus, komplett fehlt, genauso der jubel, der bei aller entrücktheit in der Liturgie im hosanna aufgehoben ist.
Schönes Lied, definitiv. Sing ich auch gern. Definitiv. Liturgisch :nope.
Nur zum Sanctus: Für mich war immer schon klar, dass mit „er, der nie begonnen, er der immer war, ewig ist und waltet, sein wird immer dar“, natürlich der dreifaltige Gott gemeint ist. „Noch ehe Abraham war, bin ich.“ Also die Feststellung das der ganze Christusbezug fehlt würde ich so nicht unterschreiben.
Natürlich kann man sich auf Christus auf vielerlei Weise beziehen. Aber die Liturgie wollte bewusst jenen österlichen aus Psalm 118 übernommenen Bezug. Schubert will es ANDERS.
„… oder ob mir oktroyiert wird, dies empfinden zu sollen.“
Ein ganz wesentlicher Punkt! Die Objektivität des Messbuchs und der überlieferten Texte wird durch wohlmeinende Süßlichkeit, Pädagogisierung und Inklusivität zu Lasten der Gläubigen oft ganz schön untergraben. Wobei ich oft schon den Eindruck hatte, dass man froh sein muss, wenn überhaupt die Schubert-Messe gesungen wird, angesichts dessen, was da sonst manchmal so getrieben wird…
„Schubert will es ANDERS.“
@Anna
Sie merken sicher, dass ich ein sehr großer Fan der Schubert Messe bin, dessen Text im übrigen nicht vom Komponisten verfasst wurden, sondern von einem gewissen Johann Phillip Neumann, der von 1774 bis 1849 gelebt hat und eine Professur am Polytechnischen Institut in Wien bekleidete und nebenbei noch gedichtet hat. Aber das, erbsenzählend und von Wikipedia geklaut, nur am Rande. Für mich persönlich, als Messdiener noch mit dem „alten Ritus“ aufgewachsen, war das Anhören dieses Kunstwerkes immer erhebend und durchaus geistig gewinnbringend, sowohl ausserhalb und gerade während der Messe. Dabei fühlte ich mich nie oktroyiert, sondern dieses Pochen in meiner Brust stellte sich automatisch und immer wieder ein. Im Gegenteil zu mir, haben z.B. meine Geschwister nie solche „Gefühlsduseleien“ gehabt und seufzten regelmäßig auf, wenn das Hochamt durch die deutsche Messe ungebührlich verlängert wurde.
Dass die liturgische Objektivität durch eine Schubert Messe heute in Gefahr gebracht werden könnte, tendiert gegen null. Denn das Werk steht auf dem Index der Verfechter des NGL, sozusagen die Speerspitze der Gefühlsduselei im sog. neuen Ritus. Dann lieber einen richtigen Schubert als dieses sozial besoffene Heulen der noch übrig gebliebenen Kirchgänger, denen das nun wirklich aufgezwungen wird bis zum Erbrechen.
Vielleicht wäre es in diesen verrückten Zeiten sich mal wieder an die sog. „stillen Messen“ zu erinnern, die mein Jugendpfarrer regelmäßig an jedem Dienstag gelesen hat. Dort wurde weder gesungen noch Gefühl gezeigt, sondern nur gebetet und gehört.
Nun, ich bin kein Feind der Schubertmesse!
Sie argumentieren emotional-biographisch.und bestätigen so genau meine Argumentation!
„Lieber Schubertmesse als das, was heute oft passiert“ jo. Klar. Es ist eben nur wichtig, zu verstehen, dass das, was heute passiert, durchaus im derselben bereits angelegt ist. In der INTENTION wohlgemerkt.sie ist qualitativ sehr viel besser, klar.
Zur stillen Messe habe ich mal einen sehr liebevollen Artikel geschrieben. Ich bin ein Fan.
Was die Intention von Johann Phillip Neumann wegen seiner Texte in der deutschen Messe angeht…die mussten doch auch durch die kirchliche Approbation um überhaupt gesungen werden zu können oder sehe ich das falsch?
Es ist ja nicht das eigentliche Thema hier (dazu vielleicht später noch was; aber andererseits, wenn man zustimmt, braucht man ja auch nichts groß schreiben, oder?^^). Was aber hier diesen „Seitenthread“ zur Schubertmesse betrifft: Sie, @gerd, haben das, was Anna sagen will, einfach nicht zur Kenntnis genommen. Ihr Punkt war, daß die Schubertmesse musikalisch sehr schön sei, aber als Begleitung zur Messe schlecht, da an der Liturgie vorbei. Da macht es sich als Argument schlecht, einfach irgendwie die Texte der Schubertmesse rauszuzitieren, daß sie doch sehr richtig sind (was weder Anna bestritten hat noch sonst jemand). Um zu widersprechen, sollte man die Aussage zur Kenntnis nehmen.
Nun ist es so, daß diese Aliturgizität, wie sie Anna beschreibt, völlig offenkundig ist, und die Folgerung „dann weg damit“ durchaus eine einfache logische Folgerung wäre. Dem zu widersprechen fällt zugegeben argumentativ nicht ganz leicht. Nur erschiene es mir auch das, was dann daraus folgen würde (wobei ich gar nicht weiß, ob Anna selbst so weit ginge), *auch* nicht der wahre Jakob zu sein: Nämlich auf die Schubertmesse, und nicht nur auf sie, sondern fast schon auf das Konzept des Gemeindegesangs zur Hl. Messe, völlig und ausnahmslos zu verzichten.
Die Schubertmesse ist schön; sie ist ein Ausdruck katholischen Glaubens („wenn auch“ auf gewissermaßen empfindsame Weise, die vielleicht nicht an allen Tagen ertragen werden kann) und insoweit nicht zu beanstanden (worin sie sich übrigens von den „offiziellen“ Messen Schuberts unterscheidet; einen Text, der gar nicht liturgisch sein will, vertonen ist eben etwas anderes als den liturgischen Text vertonen und dabei dann das Et unam sanctam rauslassen); sie will irgendwann gesungen werden (um das mal so zu formulieren) und war für die Messe gedacht. Und selbst wenn einer sagt: Nun, dafür gibt es doch die Konzerthalle (da hat das dann nebenbei auch noch musikalisches Niveau): trotz des Niveaus wäre das als *ausschließliche* Lösung ein *Notbehelf*. Primär gedacht war sie für den Volksgesang in der hl. Messe.
Jetzt wird vielleicht einer sagen: Alles gut und schön und auch richtig (denn soweit dürfte das klar sein), aber sündigen darf man ja schließlich auch nicht, nur weil das anderweitig (echte) Vorteile brächte. Wenn wir das nicht dürfen – und es ist ja unstrittig, daß es mit aktiver Partition im Sinne des letzten Konzils nicht viel zu tun hat, Begründung siehe oben – dann dürfen wir es halt trotzdem nicht.
Nun, der Grund, warum wir hin und wieder Schubertmesse singen dürfen, ist derselbe, warum man, obwohl wir uns das abgewöhnt haben, an und für sich auch einen Rosenkranz während der Messe beten darf: weil die tätige Teilnahme an der Liturgie, wie sie ist, zwar die *höchste* Form der Teilnahme ist, aber nicht die *einzig denkbare* – und weil auch ein Feinschmecker hin und wieder eine Currywurst ißt. Die führt dann unter Umständen dazu, daß er den Rehrücken umso mehr schätzt, aber mal ehrlich, wenn unser Feinschmecker ein normaler Mensch ist, wird er sich zwischen den ganzen Rehrücken, gebeiztem Lachs etc. auch mal eine Currywurst reinpfeifen wollen.
Und so wie, gerade auch z. B. zur Entspannung, bisweilen so als Laie auch *andere*, an sich niederstehende wählen darf. (Das setzt natürlich eigentlich voraus, daß immerhin der Priester vorn am Altar die richtige Messe betet.) Klar ist dabei: Natürlich darf das nicht als aufoktroyieren verstanden werden. Wer es vorziehen kann, zu schweigen oder (etwa mithilfe eines Meßbuchs) tätig teilzunehmen im engeren Sinne des Wortes, der soll das um alles in der Welt tun und wer ihn dafür scharf anschaut, verwechselt die Messe mit einem Bataillonsappell. Außerdem: Mal ehrlich, bei der Lautstärke, mit der der einzelnen Leute in der Kirche zu singen pflegen, macht das eh nicht so viel Unterschied…
Ob das so ganz den Wünschen des II. Vatikanums entspricht, bezweifle ich (auch wenn hier einige einiges daraus machen, daß es für das, was es *vorschreibt*, participatio actuosa sagt, während die liturgische Bewegung die Vollform als participatio activa zu bezeichnen gepflegt hatte – aber an der Stelle muß ich dann tatsächlich auch mal ein „ich bin nicht vom Fach“ einwerfen). Ich müßte aber lügen, wenn ich sagte, daß mir die *Wünsche* des letzten Konzils – über das hinaus, was es über den Glauben lehrt und das hinaus, was in seiner Folge in jetzt bindendes Kirchenrecht eingegangen ist, versteht sich – jetzt sechzig Jahre später noch allzuviel bedeuteten. Den Grundzügen der liturgischen Erneuerung unter Pius X. und Nachfolgern dürfte es so gerade eben noch entsprechen, bisweilen, aber nicht als Hochform, während der Messe Rosenkranz oder Schubertmesse zu beten.
Persönlich denke ich übrigens, stärker einschränken wird den Gottesdienstgestalter statt diesem freien Herummeßandachten eine *andere* Aliturgität (wenn man die Schubertmesse auseinanderreißt – aber, warum zum Beispiel, sollte man *außerhalb* dieses Zusammenhangs das Schubert-Heilig, das nur *ein* Wort des Sanctus ausdeutet oder, wenn wir freundlich sind, drei, und den Rest wegläßt, überhaupt singen?). Wer eine freie Gebetszeit (sagen-wir vor dem Allerheiligsten) gestaltet, der ist an Formen weitgehend nicht gebunden (das ist bei der Messe ja etwas anders); aber wenn er nicht einfach nur schweigt, dann sollte selbst *der* er in neunundneunzig von hundert Fällen wenigstens irgendwie anklingen lassen, was für ein Tag heute ist oder welche Woche heute ist. Die Schubertmesse beandachtet die Messe. Dies tut sie übrigens meiner Meinung nach gar nicht so ungeschickt, wenn man sie *vollständig mit allen Strophen* singt (und ohne das sollte man es gar nicht tun). Das Sanctus ist zweifellos ihr schwächster Teil; den Hauptinhalt der Messe erwähnt sie nur so nebenher („O Lamm, das opfernd tilgte der Menschheit schwere Schuld“), aber dafür *ist* Schweigen auch angemessen und geschieht zur eigentlichen Wandlung ja auch. Das beste Lied der Schubertmesse, „Noch lag die Schöpfung formlos da“ zum Wortgottesdienst zu singen, egal welchem, ist durchaus tiefgründig.
Für sich, ja: aber das ist genau der Punkt: zum Wortgottesdienst, egal zu welchem. Die Schubertmesse beandachtet die Messe als solche; das Ordinarium; und damit hat es sich dann auch. Die altehrwürdige, in der Liturgiereform ja übertriebene, an und für sich selber aber ganz unstrittige Tradition, im Rahmen der Heiligen Messe die Heilsgeschichte (zu der ja auch das Auftreten der Heiligen gehört) durchzugehen, findet hier keinerlei Widerhall. Für mich ist wie gesagt das sogar eher das große Manko als die Tatsache, daß es sich nicht um die Messe, sondern um Meßandachten handelt.
Das macht sie schonmal unbrauchbar an allen Festen (außer solchen, die de facto als „Wochentage mit einem bestimmten Heiligen“ begangen werden – aber an denen wird meistens eh nicht gesungen), allen Sonntagen vom Ersten Fastensonntag bis zum Herz-Jesu-Sonntag einschließlich und an allen besonderen Anlässen. Und das Schlußlied geht eigentlich auch in der Vorfastenzeit nicht. Fügt man noch hinzu, daß es am Sonntag auch aus anderen Gründen allenfalls einmal alle paar Wochen sein sollte, dann bleibt bei uns feierfreudigen Katholiken gar nicht so viel übrig. Wenn ich Organist einer altrituellen Gemeinde wäre und der Herr Pater mich um einen Vorschlag fragen würde (mit dem Kondizionalsatz präsumiere ich wenigstens keinen Weihegrad^^) würde ich die Schubertmesse einmal zwischen Lichtmeß und Septuagesima, wenn es so einen Sonntag überhaupt gibt, und einmal im Herbst, etwa zwischen Allerheiligen und dem Volkstrauertag, und die Haydnmesse einmal im Sommer singen, so ungefähr. In etwa dem Rahmen, größenordnungsmäßig, darf es meiner Meinung nach aber schon sein.
Interessanter Hinweis übrigens bezüglich actuosa /activa!
Korrektur: „wenn man die Schubertmesse *nicht* auseinanderreißt“ in obigem Kommentar.
und „vom Ersten Fastensonntag bis Herz-Jesu-Sonntag“: da hab ich wohl den Advent und die Weihnachtszeit unterschlagen, sowie den Sonntag vom Jüngsten Gericht. Da natürlich auch nicht.
@Nepomuk
Nun sollte man allerdings auch nicht so kommentieren, als wäre für mich die Schubert-Messe das „Nonplusultra“ des Gemeindegesangs und in jeder Messe gefälligst zu singen.
Sie schreiben: „Die Schubertmesse beandachtet die Messe als solche; das Ordinarium; und damit hat es sich dann auch.“ Ja genau, das war auch so ungefähr die Argumentation von unserem fortschrittliichen Pfarrer, der sie dann ein für alle mal aus dem Repertoire des Kirchenchores hat streichen lassen. Und diesem Pfarrer ging es nun wirklich nicht um Andacht, sondern genau um die theologisch korrekten Texte, aber das nur am Rande.
Nun wird sie eben nicht mehr gesungen, dafür erschallt zum Credo, „Wir glauben all an einen Gott“ zum Agnus Dei, „Kleines Senfkorn Hoffnung“ und dann als Andachtslied „Da berühren sich Himmel und Erde“.
Ja ich weiß im Grunde genommen denken Sie genau so…..ich wollt es nur noch einmal gesagt haben.
Volle Zustimmung.
@Gerd
„Na ja, das müssen wir ja nicht hinnehmen. Ich z.B. singe in den Messen immer laut mit, egal ob singen verboten ist oder nicht.“
Ich singe ja auch mit, wenn sich die Gelegenheit ergibt, weil ich mir den Mund nicht verbieten lassen will. Meine Aussage war eher auf die allgemeine Stimmung gemünzt. In meinem neuen Umfeld sind die Leute, soweit ich das beurteilen kann, etwas ’subversiver‘ und nicht ganz so staatshörig, was ich ganz gut finde, aber ich in der Summe ist das alles sehr bedrückend und perspektivlos.
„Probleme mit den Kontaktbeschränkungen habe ich auch nicht, den Friedensgruß habe ich immer schon für Nonsens gehalten. Da fehlt mir nix.“
Das stimmt, den vermisse ich auch nicht. Winter in Zeiten vor Corona: Da sitzen die Leute in der Kirche, ziehen ihr Schnupftüchel aus der Tasche und rotzen herzhaft hinein, und danach halten sie einem ungeniert dieselbe Hand hin. Eine der wenigen Vorteile von Corona, dass man sich dem jetzt nicht mehr elegant entziehen muss, ohne dabei als unhöflich zu gelten.
Mit Kontaktbeschränkungen meine ich aber vor allem das vollkommen eingefrorene, durch Telefon und Skype kaum zu ersetzende Sozialleben mit Familie und Freunden, da muss ich jetzt in gewisser Weise den bitteren Preis für die im meinem Berufsfeld geforderte Mobilität bezahlen. Kurz gesagt, auch wenn ich im Gegensatz zu Künstlern, Gastwirten und anderen Berufen keine existenziellen Sorgen habe, halte ich diesen ganzen Sch***dreck nicht mehr aus und ich frage mich, wie das alles eigentlich weitergehen soll. Aber ich will mit dieser schon millionenfach geführten und fruchtlosen Diskussion nicht den Thread kapern…
@Sokleidas
Off Topic: Ich bin im letzten Jahr nach über 25 Jahren aus der Krippenaufbaugruppe in unserer Gemeinde befördert worden. Der Grund: Fehlende Verantwortungs- und Solidaritätsbereitschaft. Ich weigerte mich während des Baumschlagens und dem Aufbau der Kripppe eine Maske zu tragen, sondern nur da, wo sie vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist.