Generäle in distress
Okay, wir haben es kapiert. Prinzessin Leia ist General Leia, sie ist eine Heldin, kein hilfloses Prinzesschen, sie ist total emanzipiert und so weiter. Das sagt uns jedenfalls folgender Screenshot::
Bevor wir uns dem eigentlichen Komplex zuwenden, möchte ich darauf hinweisen, dass wir definitiv mehr Bildung brauchen. Und ich meine nicht Goethe. Die Retweeterin ist offensichtlich der Meinung, starke weibliche Filmcharaktere seien eine Neuheit des 21. Jahrhunderts. The African Queen oder Mary Queen of Scots von 1971 (Vanessa Redgrave im epischen Psychokrieg gegen Glenda Jackson) sollte dringend Pflichtschau in Schulen werden.
Allerdings scheint auch Mark Hamill unter Amnesie zu leiden. Keine Ahnung, wie Ihr das seht, aber ich habe General Leia noch als knapp bekleidete potenzielle Sexsklavin Jabba the Hutts in Erinnerung, und mir scheint doch, dass diese Situation eine ist, in der auch ein gestandender voll emanzipierter General der Hilfe bedurft hätte.
Das ist das Problem mit dieser Sichtweise auf Emanzipation. Sie macht nicht nur Frauen kaputt, sondern auch Männer. Erstens ist eine Prinzessin nicht hilflos und nutzlos, nur, weil sie eine Prinzessin ist. Eine Prinzessin ist diszipliniert, muss sich zurücknehmen und ihrer Rolle gerecht werden; sie braucht ziemlich viele Fähigkeiten, Bildung, Empathie, Klugheit und so weiter. Sie muss im Rampenlicht stehen können und darf sich über mangelnde Privatsphäre nicht beklagen. Es braucht einiges Durchhaltevermögen, um Prinzessin zu sein, wie man an den zahlreichen an dieser Aufgabe gescheiterten Persönlichkeiten ablesen kann. Und auch unser „Standardbild“ einer Prinzessin ist nicht sträflich: Hübsche Kleider, ein elegantes Auftreten, Freude am Schönen, an der Leichtigkeit, was bitte soll daran degradierend sein?
Zweitens: Es ist absolut nicht schlimm, eine „Damsel-in-distress“ zu sein, und zwar ganz egal, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Jeder von uns braucht Hilfe. Hilfe, um geboren zu werden. Um lesen zu lernen. Um einen Ikea-Schrank aufzubauen. Um Jabba the Hutt zu entkommen. Das ist keine Schande.
Postmoderner Feminismus ist kein Feminismus, sondern der entschiedenste Verfechter von toxischer Männlichkeit. Fragen wir, was für ein Bild hinter dem „Leader“ steht, den Mark Hamill in seinem Tweet anspricht, muss ich sagen: Nein, danke. Wir brauchen keine Anführer, die keine Hilfe brauchen, die alles allein schaffen, die immer stark und toll sind, die alles allein wuppen.
Nebenbei bemerkt: Das ist der Grund, warum ich die neue Generation Filme unfassbar langweilig finde. James Bond ist ständig in irgendwelche dummen Schwierigkeiten geraten, aus denen er entweder mit Hilfe von anderen oder durch pures, ironisch wirkendes Glück rausgekommen ist. Indiana Jones wäre alleine schon tausend Mal verreckt. Die Helden meiner Kindheit und Jugend, die sich mir als „starke Männer“ dargestellt haben, waren oft dumm, tollpatschig, schwach, und haben generell Hilfe gebraucht um ihre Mission zu erfüllen. Trotzdem habe ich an ihrer Männlichkeit und Heldenhaftigkeit nie gezweifelt. Jetzt braucht jeder Film (Ich sach nur Guyladriel in „Rings of Power“ – darüber könnte ich Romane schreiben, aber ich komme zu spät, ich empfehle einfach die Youtube-Rezensionen von all den Angry Aficionados da draußen, herrliche Verrisse) eine „Heldin“, die praktisch nie in eine wirklich aussichtslose Situation kommt, sondern alles alleine schafft und natürlich vor allem die Männer blass aussehen lässt. Damit ist diese Frau aber nicht endlich „so toll wie ein richtiger Mann“, sie ist einfach nur unglaubwürdig als Charakter, weil kein Mann und keine Frau so ist. Selbst Gott will, dass wir ihm bei seinem Erlösungswerk helfen, und der könnte es alleine.
Wie dem auch sei: Das Bild, das unsere Gegenwartskultur von Heldenhaftigkeit zeichnet, ist hochproblematisch und illusorisch. Jeder von uns darf ein Prinz und eine Prinzessin in Not sein. Genau genommen ist das jeder von uns: Jeder von uns ist ein Kind Gottes, gefangen im Erdental, mit dem Auftrag, ins Königreich zurückzukehren. Aber auch in ganz alltäglichen Dingen: Wir dürfen Hilfe brauchen. Wir dürfen uns nicht selbst helfen können. Wie dieser rigide anthropologische Reaganismus ausgerechent unter Linken derart grassieren kann, ist schon irgendwie hochkomisch.