Maria und Joseph: Rollenbilder auf dem Prüfstand
Am 1. Mai ist wie so oft katholische Festakkumulation. Zum einen ist das Fest Joseph der Arbeiter. Jawohl. Der katholische Versuch, Gewerkschaftsmitglieder davon zu überzeugen, dass Messe und Frühschoppen besser ist als sozialistische Demos. Kirche inkulturiert und appropriiert mal wieder frech und komplett schamlos. Ich finde das so witzig. Dann ist natürlich auch Beginn des Marienmonats! Holt die Wallfahrtsstandarten raus, schmückt die Altäre, besingt die Maienkönigin, zu hoch, mit maximal schleifenden Portamenti bitte.
Ich habe in letzter Zeit von verschiedenen Personen Aussagen zum Geschlechterverhältnis von Mann und Frau und im weiteren oder engeren Sinne zu Feminismus gehört, die ich nicht alle teile, mal kritisch sehe, mal ablehne. Von den ganz unterschiedlichen Kontexten möchte ich nur einen Nebengedanken herausgreifen, und den Blick einmal darauf lenken, dass die katholische Sicht auf Mann und Frau deutlich weiter ist, als 50er-Jahre-Retro-Larp-Fantasien vermuten lassen, die einfach bürgerliche Ideale sehr begrenzter Zeiten und Schichten als katholisches Ideal darstellen. Was mich besonders nervt, sind biologistische Engführungen. Die sind meiner Ansicht nach von der Aufklärung induziert, gehören in dieselbe Mottenkiste wie große Teile dieser völlig zu Unrecht glorifizierten Strömung, und ganz weit hinten im Giftschrank der Geistesgeschichte verstaut (Ich möchte an dieser Stelle, bevor man mich steinigt, darauf hinweisen, dass die Aufklärung hochgradig rassistisch war. Und chauvinistisch. Das hat man bloß lieber vergessen.).
Wenn wir uns Maria und Joseph anschauen, können wir feststellen, dass insbesondere die katholische Tradition die beiden mitunter sogar in einer Weise betrachtet, die man teilweise nachgerade als Rollentausch qualifizieren könnte – wenn man als Maßstab 50-Jahre-Retro-Larp-Fantasien ansetzen würde. Nehmen wir mal zwei Titel aus der Lauretanischen und der Josephs-Litanei: „Du Turm Davids“ / „Du Zierde des häuslichen Lebens“. Na, welche Anrufung bezieht sich auf Maria, welche auf Joseph? Welcher testosteronstrotzende virilitätsbesoffene Mann würde sich gern als „Zierde des häuslichen Lebens“ bezeichnen lassen? Das Vorbild des Mannes schlechthin wird von der Kirche so genannt. Der Vollständigkeit halber: Er wird durchaus auch als „Schrecken der bösen Geister“ und „Schutzherr der Kirche“ angerufen. Aber Maria hat ebenfalls einen ganzen Kranz martialischer Namen, besonders in der Ostkirche, wo das brave katholische „Schutzwehr“ noch mal ganz schön aufgemotzt wird zur Zertreterin der Häresien, jene, die die Götzen Ägyptens vom Thron gestürzt hat usw. usf. Natürlich finden wir auch stereotype Bilder: Maria die Gehorsame, die Sanfte, die Zärtliche; Joseph, der schweigsame Macher. Aber diese Bilder sind nur Teil einer Darstellung, die Mann und Frau nicht als Schablonen betrachtet, sondern die Weite und Tiefe des Menschseins in allen Facetten auch beiden Geschlechtern umstandslos zugesteht. Mir geht es hier keineswegs um einen feministischen Wettbewerb im Sinne von „Frauen sind aber genauso … wie Männer“. Es ist einfach Fakt, dass die Kirche weder die Sicht auf die beiden als historische Personen, noch ihre allegorische oder eschatologische Deutung mit Blick auf möglichst nützliche soziale Rollenbilder konstruiert hat. Genau dies ist ein weitverbreiteter Vorwurf: Als Frau könne man ja legitimerweise nur Mutter oder Jungfrau sein, die in himmlische Sphären entrückte Maria habe dazu gedient, die real existierenden Frauen zu degradieren und als zwangsläufig unzulänglich darzustellen, etc. Rollenbilder kommen natürlich auch vor: Durchaus sieht die Mutter an Maria, wie Mütterlichkeit aussieht, der Vater kann von Joseph lernen, wie man die Familie stützt und schützt etc. Aber die Frau schlechthin, Maria, ist eben auch machtvoll, prächtig, und für den Satan richtig gefährlich, der Mann ist auch zärtlich und sanft. Das hat etwas damit zu tun, dass Tugenden halt nicht (wie leider immer wieder behauptet wird) „männlich“ oder „weiblich“ sind: Mut oder Geduld z.B. sind für alle Menschen erstrebenswerte Tugenden, deren konkrete Manifestation aber je nach Stand, Aufgabe und auch Geschlecht anders aussehen kann. Wie wichtig diese Erkenntnis ist, möchte ich an einer Begebenheit aus meinem Berufsleben schildern:
Ich war an einer Produktion mit einem jungen Regisseur beteiligt, der gerade megastolzer Vater geworden war. Er kam aus einem eher spießig-bürgerlichen (natürlich südwestdeutsch, woher sonst) familiären Umfeld, und gemäß der irreführenden Sprachregelung unserer Zeit definierte er dieses Milieu freilich als „konservativ“. Und zu konservativ gehört was? Genau. Religiös. Katholisch. Er schilderte nun, dass ein Onkel (oder so) ihn bei einem Familientreffen dafür verspottet hatte, dass er sein Kind in den Armen trug. Ein echter Mann macht so etwas ja nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass für diese typisch grob-ungehobelte Stammtisch-Mentalität die religiöse Prägung dieses Verwandten genau null verantwortlich war, aber sie wurde als Teil dieser Haltung betrachtet. Nach dem Motto: Wer konservativ ist, hat ein enges Männerbild, das um Gefühllosigkeit und Härte kreist UND das ist auch das Männerbild der Religion, weil Religion ist ja AUCH konservativ. Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass auch eine signifikante Anzahl an tatsächlich konservativ und religiös gleichzeitig tickenden Männern ein entsprechendes Männerbild pflegt (bzw. ich weiß es sogar aus bestimmten sozialmedialen Kontexten, aber da trifft man ja auch immer die extremsten Spinner). Und dieses Männerbild stimmt nun einmal nicht für die katholische Kirche. Es gibt kaum eine Kirche ohne eine Darstellung des hl. Antonius, der das Jesuskind im Arm hält. Ebenso gibt es zahlreiche Darstellungen von Joseph. Beide halten hier das Jesuskind, also nicht einmal ihr eigenes leibliches Kind, voller Zärtlichkeit und Liebe im Arm, fürsorglich, schützend, man würde heute leider sagen wollen „mütterlich“, es ist aber halt einfach väterlich und – männlich. Man könnte noch hinzufügen, dass es bei Madonnenstatuen sehr unterschiedliche Darstellungen gibt, von denen viele Maria überhaupt nicht als zartfühlende Mutter, sondern als Thron zeigen, die Jesus lediglich darstellt, hinhält, vorzeigt. Das hat natürlich theologische Gründe und stellt keine Absage an die Bedeutung der Mütterlichkeit dar. Ich kenne allerdings keine einzige Darstellung des heiligen Antonius, die nicht Zärtlichkeit vermitteln will. Ganz egal also, ob hormonell bedingt Zärtlichkeit eine weibliche Eigenschaft wäre: Die Kirche ist der Ansicht, dass sie Mann und Frau gleichermaßen auszeichnen sollte. Punkt. Retro-Larp könnt ihr machen, aber nicht mit der Begründung, das sei katholisch.
Ich denke, ich werde demnächst noch einen weiteren Artikel zu diesem Thema schreiben, weil ich es wahnsinnig ärgerlich finde, wenn sich Katholiken Fakenews über ihre Religion zu eigen machen und anfangen, selbst daran zu glauben. Und dieses Phänomen meine ich gerade auch in sehr stereotypen und pauschalen Ansichten über das Geschlechterverhältnis zu erblicken. Während sich die Priester, die ich dazu höre, meistens bemühen, die Bedeutung der Genesis hervorzuheben, scheinen sich einige lehramtstreue Laien lieber an die christliche Haustafel zu klammern wie Amische und Mennoniten, als würde es so etwas wie die Tradition überhaupt nicht geben, und so, als könne man Bibelstellen kontextfrei auf das eigene Leben anwenden. Ich denke, dass uns damit viel von dem anthropologischen Durchblick der Schrift und der Tradition verloren geht.
Dass man den Marienmonat seit ein paar Jahrzehnten mit einem Josephsfest einleitet, hatte ja nun mit Geschlechtern gar nichts zu tun, sondern mit Politik. Dennoch finde ich es letztlich sinnig: Joseph hat sein Leben in den Dienst Mariens und ihres Sohnes gestellt. Und zwar auch seine Arbeit – das wäre noch mal ein eigenes Thema für einen Artikel. Wir sind im Marienmonat aufgerufen, dasselbe zu tun. Außerdem gehören Mann und Frau zusammen, aufeinander hingeordnet, nicht einander feindselig gegenübergestellt. Dies ist auch bedeutsam im Hinblick auf die soziale Ordnung der gesellschaftlichen Schichten, die am 1. Mai auf so unheilsame und kurzsichtige Weise erzwungen werden soll. Denn letztlich wird diese sozialistische Sicht auf den Menschen durch Ideologien wie Feminismus und Gendertheorie ja auf das Geschlechterverhältnis übertragen: Die einen unten, die andern oben, und man muss irgendwie versuchen, die Ordnung umzukehren, oder auf eine Ebene zu hieven. Dieser marxistische Ansatz ist so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass es sehr schwer zu sein scheint, seine Stichhaltigkeit auch nur zu hinterfragen. Die Kirche jedenfalls war schon vor 2000 Jahren weiter, als es Sozialismus, Marxismus, Feminismus und alle möglichen weiteren -Ismen jemals sein werden.
Ein sehr gut geschriebener Artikel. Leider hat der Beitrag, das Thema verfehlt. Dies ergibt sich aus der Wahl der Protagonisten. Die Heilige Familie, Vater und Mutter von Jesus zu missbrauchen, ist der Versuch brüchiges Eis gefahrlos zu überqueren. Ohne das Ja von Maria zurAufnahme Christi in ihrem jungfräulichen Leib, hätte es keine Rettung für die Menschheit gegeben. Ihr Ja war die edelste und mutigste Entscheidung der Menschheitsgeschichte. Josef war der Mutigste und edelste Mann aller Zeiten. Obwohl mit Maria verlobt, hat er sich bedingungslos der Führung des Heiligen Geistes anvertraut. Alleine hat er Jesus, unseren Herr mit seinem Leben gegen alle Feind verteidigt.Deshalb empfehle ich dringend, die wichtigsten Protagonisten der Menschheitsgeschichte nicht mit aller Welt Themen zu verwechseln. Amen
Es gibt meiner Meinung nach Aspekte der Hl. Familie, die können und sollen wir nachahmen („Ein jeder nehme sein Kreuz auf sich“). Andere können wir gar nicht nachahmen, weil nur Otto-Normal-Geschöpfe sind.
Heinrich hat also recht: wir geben z.B. kein Fiat von der Tragweite Mariens. Wir retten auch nicht wie Josef den Erlöser der Welt vor Herodes.
Heinrich hat aber auch unrecht: denn wir alle sollen – ganz im Ernst – Heilige werden. Vielleicht eine Nummer kleiner als Maria und Josef…
Sehe ich auch so. Unter anderem sage ich ja in dem Artikel auch, dass die Kirche Maria und Joseph NICHT als soziologische Role-Models entworfen hat. Vorbilder SIND sie aber dennoch. Gerade Joseph ist aber von den dreien der Nachahmensfähigste, weil weder Gott noch von Erbsünde frei, sondern ein „ganz normaler Mann“.
Ob das Thema verfehlt ist, entscheidet allein die Autorin :D. Wenn Sie mir jetzt noch sagen können, inwiefern ich die wichtigsten Protagonisten der Menschheitsgeschichte zu „Allerweltsthemen“ mache, wäre ich dankbar. Nichts von dem, was Sie beschreiben, leugnet der Artikel.
Josef war auch ein Mann der seine Träume Wirklichkeit werden liess. Gott sei Dank, würde ich mal sagen.
Danke für die Ergänzung! Ich wollte nicht noch die Traumsache noch reinnehmen, weil ich das schon so oft so gefühlig-kitschig gehört habe, dass ich da immer schon voll genervt bin, der Träumer, hach, schwärm. Aber natürlich vollkommen richtig! 😀