Der Sündenfall, Mann und Frau im christlich-islamischen Dialog und wieso die Bibel nichts nützt, wenn man kein Lehramt hat – Versuch einer Antwort

Fellow-Bloggerin Saxhida von Frauen und Islam hat als Kommentar zu meinem Artikel über Männer, Frauen und Mozart bemerkt, ich würde den Islam diffamieren um mir meine eigene Religion „schönzulügen.“

Netterweise hat sie (hast du), folgend auf die „knackige“ erste Einlassung einen ausführlicheren Kommentar zu meinen kritischen Anfragen geschrieben, und seitdem geht es in den Kommentarspalten lebhaft zu. Leider ist wie üblich: Durch die Fülle der Sachen, die geschrieben werden, kann man kaum auf alles eingehen, der schriftliche Austausch gestaltet sich als schwierig. Darum hier ein eigener Artikel.

Die zentrale Behauptung, soweit ich es verstehe, ist, dass das Christentum tatsächlich durchaus frauenfeindlich sei und (implizit) unter Umständen auch frauenfeindlicher als der Islam. Nur durch selektive Wahrnehmung sei es möglich, das Christentum als nicht frauenfeindlich darzustellen. Meiner Ansicht nach resultiert diese Überzeugung aus einem großen Missverständnis, nämlich aus dem Gedanken heraus, die Worte der Bibel wären die Lehre.

Oft ist in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen oder Weltanschauungen ein Problem, dass man von sich auf andere schließt. Das geschieht vor allem dann, wenn der andere im eigenen Weltbild schon einen „Platz“ hat: So etwa spielen zahlreiche christliche Positionen eine Rolle im Islam – entweder, sie wurden übernommen (Propheten, Jesus, Maria), oder als falsche Lehren abgelehnt – wobei u.U. diese Lehren im Christentum aber etwas ganz anderes besagen, als was der Islam darunter versteht. Diese Verständnisschwierigkeit besteht auch im Hinblick auf Bibel und Koran. Die Bibel ist für den Christen nicht, was der Koran für den Moslem ist. Ich spreche hier vom Katholischen Glauben. Gerade die Abspaltungen in der Westkirche haben nämlich gerade in Bezug auf die Bibel einige Probleme, Logik, Vernunft und Glaube zu verknüpfen. Wieso sollte ich etwas glauben, das unlogisch ist? Aber das ist eine andere Frage.

Ist die Schilderung des Sündenfalls frauenfeindlich?

Ein Mythos ist etwas anderes als ein historischer Bericht oder ein Gedicht, und auch etwas anderes als eine Lehraussage. Der Mythos sagt uns nicht in erster Linie, was passiert ist, sondern, wie die Welt aussieht, und liefert dafür eine Erklärung, die über „Fakten“ hinausgeht und eine tiefergehende Wirklichkeit ausdrückt.

Erst einmal darf man hier natürlich nicht aus dem Zusammenhang reißen. Mann und Frau leiden unter den Folgen der Sünde. Man kann wirklich nicht behaupten, nur die Frau würde bestraft – Ist überhaupt Konsequenz eine Strafe? Kann ich sagen, dass das Auto, das mich überfahren hat, nachdem ich bei Rot über die Ampel gegangen bin, mich „bestraft“ hat? Nein, ich trage die Konsequenz meines eigenen Handelns. Wenn also die Konsequenz des Sündenfalls für Eva Geburtswehen sind, ist nicht die erste Frage „Wieso bestraft Gott die Frau auf diese Art und Weise“, sondern: Gibt es Geburtswehen? Ja! Die Folgen des Sündenfalls sind in der Welt vorhanden, sie sind da, sie existieren, sie sind Fakt: Sowohl sind Männer meistens (Ausnahmen bestätigen die Regel) stärker als Frauen, so dass sie, wenn sie sich nicht an Gesetze halten wollten, sehr wohl (gewaltsam) über die Frauen herrschen können, wenn sie möchten. Ebenso muss der Mensch sich mühen, um sein Leben zu erhalten. Auch die Hauptfolge des Sündenfalls, der Tod, ist unbestreitbar in der Welt. Der Mythos sagt also nur, wie die von uns vorgefundene Welt aussieht; aber erklärt uns netterweise, dass daran nicht Gott schuld ist. D.h. Schmerz, Tod, Uneinigkeit unter den Geschlechtern sind nicht Gottes Plan für die Welt gewesen. Freundlicherweise offenbart uns der Mythos, dass a) Gott ganz gut ist b) die Welt ganz gut war und c) wir die Sache vermasselt haben. Er ist also gerade nicht frauenfeindlich, da er die Situation der Frau als nicht von Gott gewollt, sondern als aus der Sünde resultierend darstellt.

Wieso Erbsünde?

Das führt uns zur Frage der Erbsünde: Natürlich kann man einfach sagen „Es gibt keine Erbsünde.“ Dann kann man aber nicht erklären, wieso es den Tod gibt. Wenn der Tod die Folge einer individuellen Sünde wäre, dann würde nur sterben (bzw. leiden), wer gesündigt hat. Es sterben aber alle. Dann kann man sagen „Na gut, weil eben alle sündigen.“ Welche Sünde hat das Baby getan, das kurz nach der Geburt stirbt? Sündigen wirklich alle? Und an dieser Stelle stellt sich die Frage, ob denn der Mensch (unerlöst, von sich aus, aus sich heraus) dazu in der Lage wäre, nicht zu sündigen. Das Christentum verneint dies. Wie der Islam das sieht, weiß ich nicht. Wenn er allerdings Erbsünde ablehnt, müsste er dafürhalten, dass ein Mensch aus sich heraus nicht sündigend leben kann (also: „gerecht“ sein kann). Dann würde dieser Mensch aber nicht sterben können. Es sei denn, der Tod wäre keine Konsequenz der Sünde. Dann wären Tod und Schmerz normaler Bestandteil der Schöpfung von Anfang an. Dann wäre Gott nicht ganz gut, denn er hätte eine Welt mit Tod und Schmerz geschaffen. Es ist natürlich total okay, an einen Gott zu glauben, der nicht gut ist, wenn dies auch philosophische Probleme heraufbeschwört, auf die ich allerdings nicht weiter eingehen kann. Ist Gott gut, kann der Tod nicht von Anfang an in der Welt gewesen sein, dann wurde er von jemandem konkret verschuldet, und da er seit diesem Augenblick nachgewiesenermaßen alles trifft, was in die Welt kommt, kann es sich nicht um eine konkrete Strafe für eine individuelle Sünde handeln, sondern muss eine Konsequenz sein, die unverschuldet alle trifft, die sind, und das nennen wir Erbsünde, weil es eben wie ein Erbe alle trifft, die nach den Schuldigen die Welt betreten, auch, wenn sie selbst noch gar nicht gesündigt haben.

Du behauptest, es würde in besonderem Maße Evas Sünde herausgehoben, was zu einer Art Verteufelung der Frau unter christlichen Theologen geführt habe. Als Beispiel führt sie Jesus Sirach an. Zur Qualität der Zitate später. Er sagt: „Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, / ihretwegen müssen wir alle sterben.“ Das  ist erst einmal ein Fakt, stellt aber keine theologische Überlegung dar: Er erinnert angesichts gemeiner Frauen daran, dass ja schon Eva „gemein“ war. Der Satz bedeutet also sinngemäß im Kontext: „Schaut euch Eva an, was sie gemacht hat, und was für Folgen es hatte – kein Wunder, dass es so schlimm ist es, wenn eine Frau gemein (im Sinne von „fies“) ist,“ Er sagt weder, dass alle Frauen gemein sind, noch, dass nur Frauen gemein wären (er redet sonst so viel über Lügner, Übeltäter etc., dass es auch lächerlich wäre, das zu behaupten!). Vergleichen wir mit Paulus, der tatsächlich eine Theologie entfaltet:

„Wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt hineinkam und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen gelangte, weil sie alle sündigten – denn [schon] vor [dem] Gesetz gab es Sünde in [der] Welt. Sünde wird zwar nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt, doch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, die nicht in der Art der Übertretung des Adam gesündigt hatten, der ein Vorausbild des Kommenden ist. Aber mit der Gnadengabe verhält es sich nicht wie mit der Verfehlung: Wenn nämlich durch die Verfehlung des Einen die Vielen starben, um wie viel mehr wurde die Gnade (des) Gottes und die in [der] Gnade [bestehende] Gabe des einen Menschen Jesus Christus den Vielen zuteil.“

Hier wird sogar nur von ADAM und Christus und gar nicht von Eva gesprochen. Ergo: Ob nun von beiden, nur von Adam oder nur von Eva gesprochen wird, wenn man sich mit dem Sündenfall beschäftigt, kommt immer darauf an, was man aussagen will. Geht es um die allgemeine menschliche Disposition, wird über beide oder über Adam gesprochen. Geht es um die spezifische Disposition der Frau, oder will man den spezifischen Aspekt von Evas Sünde herausstellen, spricht man nur über Eva. Keinesfalls ist es so, dass in der christlichen Lehre nur Evas Schuld angesehen wird.

Toter Buchstabe – lebendiges Wort

Nun ist hoffentlich hinreichend geklärt, dass unter den fraglichen Passagen der Sündenfall definitiv nicht frauenfeindlich ist. Selbst wenn, wäre das egal, denn Christen glauben, dass DAS Wort (der Logos) Gottes nicht die Bibel, sondern Christus selbst ist – das sagt übrigens die Bibel selbst.

Christus ist die Erfüllung der Verheißung. Stellen wir uns vor, man sagt uns, man wird uns das Schönste auf der Welt schenken. Das Schönste, was ich bisher gesehen habe, ist ein Swarovski-Kristall. Nun lebe ich jahrtausendelang in der Erwartung des Swarovski-Kristalls. Am Ende bekomme ich das Geschenk, packe es aus – und es ist ein echter Diamant drin. Die Verheißung war schon toll, die Erfüllung ist besser (hoffentlich liest diese Vulgärerklärung kein Theologe…urgs…).

Analogien des Grauens beiseite: Das Alte Testament spiegelt die Erlösung voraus, die Evangelien schildern, wie die Erlösung erfüllt wurde, und die Briefe lehren, wie man nun als Neue Schöpfung in der Heilsordnung leben soll. Dadurch ergibt sich eine Hierarchie des Bibelworts.

Tatsächlich wurden aber die alttestamentlichen Zitate auch noch sämtlichst falsch zitiert, mit sinnentstellenden Auslassungen und ohne Kontext. Darauf will ich jetzt im Einzelnen nicht weiter eingehen, schließlich kann jeder selber googeln – allerdings sollte eigentlich auch jeder halbwegs sinnwahrend zitieren können. Die neutestamentlichen Verse sind nicht frauenfeindlich, aber das kann man woanders nachlesen, u.a. hier.

„Schönlügen“ heißt „wahrlügen“

Und damit möchte ich zum Ausgangspunkt deiner Kritik kommen: Schönlügen. Tatsächlich ist das Christentum die Religion des „Schön“redens schlechthin. Klingt erst einmal komisch. Wie meine ich das? (DISCLAIMER: Ich bin kein Philosoph, entschuldige mich also schon mal für meine Plumpheit) Grundlage des Christentums ist nicht eine Lehre oder ein Buch, sondern wie gesagt eine Person, Jesus Christus. Dieser hat uns Gott offenbart. Und was hat er uns offenbart? Gott ist der Seiende, der Gute (das Gute „schlechthin“). Wenn das so ist, dann muss alles, was in der Welt ist, Leben, Tod, Sünde, Bibel, so gelesen und gedeutet werden, dass am Ende „herauskommt“ Gott ist gut. Eigentlich ist es natürlich andersherum – wir deuten es nicht so, dass dieses Fazit herauskäme, sondern das ist der Ausgangspunkt, die Wahrheit, die Realität, aus der sich das richtige Verständnis ergibt. Wenn das geoffenbarte Wahrheit ist, muss alles dahin gedeutet werden können, sonst habe ich es offensichtlich falsch verstanden! Wenn also ein Gotteswort nicht gut ist, so, wie ich es verstehe, habe ich es falsch verstanden – oder Gott wäre eben nicht gut, was aber nicht sein kann! Daher wird auch der kritischste Kritiker zwar in der Bibel eine Menge kritikwürdige Dinge, Haltungen, Handlungen und Zustände finden, aber er wird sie nicht im Christentum wiederfinden, denn das Christentum deutet alle diese Dinge auf Jesus bzw. Gott hin, der vollkommen gut ist, d.h. die wahre Bedeutung der Bibelverse wird erst in Bezug auf ihn klar. Wenn Christen Bibelstellen so lesen, dass am Ende „das Gute“ herauskommt, heißt das lediglich, dass sie die Bibel wahrheitsgemäß lesen. Das bedeutet, dass man Stellen unterschiedlich einordnet, so, dass sie der Wahrheit entsprechen.

Konkreter: Gehen wir zur Frage nach Mann und Frau, können wir natürlich innerhalb der Kirche Frauenfeinde finden. Das Christentum kann das sogar erklären: Aus der Sündhaftigkeit und Schwäche des Menschen ergibt sich, dass es frauenfeindliche Christen gibt. Aber diese Christen sprechen mit ihrer Frauenfeindlichkeit gegen die Gebote Jesu, gegen das Wahre und damit gegen das Gute. Übrigens ist Heiligkeit nicht Irrtumslosigkeit! Unsere Kirche ist einfach so fies – hat immer noch ein Ass im Ärmel…: Daher ist nicht einmal alles, was Kirchenlehrer geschrieben haben, Lehre. Einfache Faustregel: Lehre ist nur, was der Wahrheit entspricht (*höhö*). Deshalb lege ich Nichtchristen ans Herz, bezüglich der christlichen LEHRE den Katechismus zu lesen. Man kann nämlich die Querverbindungen und Gewichtungen in der Bibel alleine kaum finden und richtig einordnen (es sei denn, man wird vom Heiligen Geist mit Verständnis beschenkt, das passiert auch oft, wenn Nichtchristen die Bibel lesen). Dafür gibt es das Lehramt, eine Einrichtung, die man sonst in der Welt so nicht kennt: Die Kirche erkennt geführt vom Heiligen Geist, was wie zu verstehen und wie zu gewichten ist. Durch die Jahrhunderte entfaltet sich diese Erkenntnis (der Glaube ändert sich also nicht, entfaltet sich aber). Nun sagt der Nichtkatholik: Das ist doch im Kreis gedacht: Die Bibel sagt der Kirche, dass sie vom Heiligen Geist geleitet wird, und die Kirche sagt, weil sie vom Heiligen Geist geleitet wird, kann sie erkennen, dass das stimmt. Man macht dann seine Rechnung aber ohne den real-existierenden Gott: Es war ja nicht zuerst das Bibelwort da, sondern erst war (ist) die Person Jesus Christus, seine Selbstoffenbarung, und dann das Zeugnis der Christen. Erst daraus entstand die Bibel. Die Ereignisse in der Bibel sind ja nicht ausgedacht. Die Bibel ist also schriftgewordene Überlieferung, nicht „Urquelle“ der Erkenntnis! Dem Nichtkatholiken mag es also so vorkommen, als würden Katholiken sich den Glauben zurechtbiegen. Eigentlich aber muss man sagen: Jeder liest die Schrift im Einklang mit sich selbst, die Kirche aber liest und versteht im Einklang mit der Wahrheit.

Gott erhöht

Zum Schluss ein kurzer Denkanstoß zum Thema Anthropologie – Du hast für den Islam festgestellt: Der Mensch ist nicht Gottes Abbild, aber Mann und Frau sind gleich. Dabei hast du allerdings in deiner Erklärung Abbild und Kopie synonym gebraucht – ein Abbild ist aber keine Kopie. Auch das Christentum lehrt, dass Gott unendlich und unfassbar ist. Das ist kein Widerspruch dazu, dass der Mensch sein Abbild sein kann. Wer kann das tiefste Wesen eines Menschen abbilden? Aber dennoch kann das Porträt eines Menschen eine Ahnung davon geben, wenn der Maler ein Meister ist – und wer ist der größte Meister?

Das aber einmal beiseite – du sagst nichts anderes als mein Artikel. Im Islam sind Mann und Frau gleich – und im Vergleich zum Christentum gleich niedrig, da nicht Gottes Abbild, ihre (relative) Niedrigkeit ist also, da es keine Erbsünde gibt, gottgemacht. Im Christentum hat sich der Mensch selbst erniedrigt (durch die Sünde) und wird durch die Liebe Gottes wieder zur ursprünglichen Würde – als Gottes Abbild – erhöht: sie „reichen an die Gottheit an“. Ich muss also den Islam nicht diffamieren. So, wie aus islamischer Sicht das Christentum den Menschen ungebührlich erhöht, ist die islamische Haltung aus christlicher Sicht letzlich menschenverachtend; nicht in dem Sinne, dass sie dem Menschen schaden will, sondern in dem Sinne, dass sie die Würde des Menschen nicht ausreichend erkennt – woraus Schaden notwendigerweise resultiert. (Was uns zur Frage führt, die aber wiederum komplex ist, ob ein Übel aus dem Befolgen einer Religion oder aus dem Nichtbefolgen derselben entsteht). Wenn, dann „diffamiert“ sich der Islam also selbst: „Du sagst es!“

Ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen. Zum einen würde mich der Komplex rund um Sünde sehr interessieren: Wenn es keine Erbsünde gibt, wieso gibt es dann den Tod? Kann ein Mensch also sündlos leben? Worin besteht „ewige Seligkeit“ bzw. Paradies? Welche Gewissheit hat der Mensch über Sündenvergebung?

Sodann eher zum zweiten Themenkomplex: Ist Saudi-Arabien kein muslimisches Land, wenn nein, mit welcher Autorität stellst du das fest, wenn ja, wie erklären sich die Ungleichheiten (Zeugnis vor Gericht nur halb so viel wert, Polygamie), wenn Mann und Frau im Islam an sich gleich sind? Ich meine damit konkret bestehende künstliche Ungleichheiten – natürlich können Unterschiede bestehen, die aus unterschiedlichen Aufgaben herrühren (Mutterschaft, Arbeit), solche Unterschiede meine ich aber explizit nicht…

Und schließlich: Woraus und wie erkennst du, was islamische Lehre ist, und was nicht? Welche Autoritäten ziehst du zu Rate?