Klima und Eigenverantwortung

Zuerst mal ganz klar: Ich halte Umweltschutz (wir können es auch „Klimaschutz“ nennen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben) für sehr wichtig. Und das nicht etwa, weil, wie verschwörungstheoretisch angehauchte Neo-Cons argwöhnen möchten, ich Anhängerin der „grünen Ideologie“ wäre, sondern, Überraschung, weil ich Christin bin. Ich erinnere mich noch gut an eine Religionsstunde, die in der 6. oder 7. Klasse stattgefunden haben muss. Uns wurde das Steinrelief eines assyrischen Königs gezeigt und wir lernten über das orientalische Herrscherbild, dass Macht vor allem auch Verantwortung bedeutet habe. Und dann ging es um den Schöpfungsmythos, und darum, dass, wenn also in der Bibel der Mensch zum Herren über die Schöpfung eingesetzt wird, diese Herrschaft zuerst Verantwortung bedeutet. Ja. Evangelischer Religionsunterricht in NRW konnte rocken. In mir wurde also früh die Einsicht geweckt, dass sich aus dem Anspruch, sich die Erde untertan zu machen, vor allem ergibt, dass wir uns fürsorglich um diese Erde kümmern müssen.

Diese Sichtweise ist etwas völlig anderes als die grüne, die dazu neigt, den Menschen wie Agent Smith aus „The Matrix“ als Virus zu sehen, der der Welt durch seine Macht schadet. Leider macht die Kirche, zumindest in Deutschland, diesen enormen Gegensatz zwischen „Der Mensch herrscht und muss sich deshalb kümmern“ und „Der Mensch darf nicht herrschen um der Welt nicht zu schaden“ nicht ausreichend deutlich, sondern tut bequemerweise so, als sei die grüne Idee hinter dem Umweltschutz kompatibel mit dem Christentum, nur, weil eben Umweltschutz darin vorkommt. Eine fatale Folge ist, dass der Kirche damit die Handhabe fehlt, gegen Fehlentwicklungen der ökologischen Bewegung zu protestieren; eine weitere, dass mittlerweile viele konservative Katholiken als eine Art Backlash den Klimaschutz in Bausch und Bogen verdammen, weil sie – zu Recht – die menschenfeindlichen Anteile einer ökologischen Ideologie ablehnen. Das nennt man landläufig „Kind mit dem Bade ausschütten“. Dabei ist der Schöpfungsbericht nicht der einzige Aufruf zu in wahrem Sinne ökologischem Lebenswandel. Die christliche Tradition hat, verbunden mit der Liebe zu Armut und Einfachheit, grundsätzlich eine hohe Wertschätzung für das Land, das uns umgibt und nährt und für schonenden Umgang mit Ressourcen. Ein bekanntes Beispiel ist der Sonnengesang des hl. Franziskus, der keinesfalls bloß zu kitschigen pseudovangoghschen Altarbildern mit Sonnenblumen inspirieren sollte.

Man könnte nun grundsätzlich auf das falsche Menschenbild eingehen, das den grünen Klimaschutz auszeichnet, ich will aber hier nur einen daraus resultierenden praktischen Punkt benennen: Die Absage an die Eigenverantwortung des Einzelnen.

Im Augenblick ist in meiner Künstlerbubble alles in, was mit „Selbstverantwortung“ zu tun hat. Coaching nimmt einen immer wichtigeren Raum ein und Teil eines jeden guten Coachings ist, zu erkennen, dass man selbst verantwortlich ist, für das, was man tut. In esoterisch und asia-religiös angehauchten Kreisen geht das sogar weiter im Sinne eines Karma-Gedanken, demzufolge man sogar für alles verantwortlich ist, was geschieht. Lustigerweise sind die Menschen, die für sich persönlich ein Maximum oder sogar ein Übermaß an Selbstverantwortung proklamieren, dieselben, die in Sachen Klima „die Politik“ zur Verantwortung ziehen wollen. Sie sind, nebenbei bemerkt, auch die mit Chia-Samen und Avocados statt heimischer Produkte, die so unsexy klingen wie Leinsamen und Sauerkraut.

Das ist der Punkt, der mich persönlich am Klimakult am meisten stört, und mir geht es hier nicht einmal „ums Prinzip“, sondern um die Umsetzung dessen, was sich alle vernünftigen Menschen wünschen: Den Erhalt unseres Planeten als unser Lebensraum. Die Umwelt kann nur geschützt werden, indem jeder Einzelne etwas tut, das ihm unangenehm ist, weil es in jedem Fall irgendwie „Entbehrung“ ist: Eine Flugreise weniger, keine Ananas, wenn man doch gerade Bock drauf hat, das Auto stehen lassen und zu Fuß den Berg hoch, kein neues Handy usw. Ja, vielleicht sogar im Winter eine Woche länger mehr Pullis, bevor man die Heizung anstellt. Aber ganz egal, was man tut, man muss es selbst tun. Und genau vor dieser unangenehmen Wahrheit drücken sich Klimaprotestler. Der Staat soll verordnen, damit ich mich nicht entscheiden, sondern nur noch fügen muss. Traurige Ironie an dieser Einstellung ist, dass das „sich Fügen“ tatsächlich für die meisten Menschen energiesparender ist, als die aktive Entscheidung – weil die meisten Menschen eben Mitläufer sind, was ja gerade sozial und ökologisch engagierte Deutsche für sich kategorisch ablehnen. Mitläufer, das sind die anderen, die Bösen, die Rechten, die Nazis.

Ich frage mich also, entsprechend der Haltung, die ein guter Coach einfordern würde: Haben die Leute, die die Politik als Hauptverantwortlichen ausgemacht haben, vorher gründlich analysiert, ob sie ihre eigenen Möglichkeiten in Sachen Klimaschutz ausgereizt haben? Haben sie den Entschluss gefasst, diesen Winter von Kohl, Karotten und Kartoffeln zu leben? Ich meine das übrigens nicht gehässig. Ich meine z.B. keinesfalls, dass jemand, der das Klima schützen will, nur dann glaubwürdig ist, wenn er 100% gibt. Nur kann man ja von anderen schlecht einfordern, was man selbst nicht einmal erbringen will. Ich kann also nicht von „den Politikern“ alles fordern, und selbst in importierten Klamotten vor einem importierten PC mit aus Frankreich importiertem Strom Fotos einer Klimademo hochladen, die mit einem Handy aufgenommen wurden, das mit afrikanischen Rohstoffen hergestellt wurde, wobei ich Quinoa-Avocado-Salat, Kaffee und Schokolade mümmele. Übrigens zieht sich so die Wirtschaft klammheimlich aus der Affäre, denn sie wird ja nicht bloß von der Politik kontrolliert, sondern vor allem von den Konsumenten mitbestimmt. Wir können sicher sein, dass keine Avocados angeboten würden, würden sie nicht gekauft. Im Leugnen der Eigenverantwortung tut der Klimaprotestler also bloß das, was schon Adam und Eva probiert haben: Schuld sind immer die anderen.

Hier müsste man zusammenarbeiten, einander unterstützen, bereichern usw. Man könnte z.B. durchaus konstruktiv eine nouvelle simplicité etablieren, die nicht in ökologisch schickem Konsum besteht, sondern sich dem Konsumverzicht stellt. Wir haben durchaus die ideellen und traditionellen Ressourcen für ein Leben im „Einklang“ mit der Natur, aber klar muss auch sein, dass wir dann mehr leiden, weniger besitzen und wahrscheinlich früher sterben werden. Man könnte daher auch diskutieren, ob man nicht stattdessen oder zusätzlich auf technologischen Fortschritt setzt – der etwa das Müllproblem der Kernenergie in Angriff nähme und somit eine effiziente Form der Energiegewinnung ihres Nachhaltigkeitsproblems beraubt (oh-oh, Weltbildsprengeralarm!). Da das nun wirklich unbequem ist, hat man sich lieber in bester, erprobter marxistischer Tradition den Kampf auf die Fahnen geschrieben und als „Klassen“ in diesem Fall „die Politiker“, „die Erwachsenen“ und „die Jugend“ definiert. Die gesellschaftlichen Folgen könnten sich als katastrophal erweisen, und dem Klima wird damit definitiv nicht geholfen.