Mahlgemeinschaft? oder: Eine neue Sau bitte!

I. Rhetorischer Einstieg

Ich möchte mit einigen rhetorischen Fragen beginnen:

  • Müsste das Sommerloch nicht langsam vorbei sein?
  • Wann finden die da oben endlich mal eine neue Sau, die man durchs Dorf treiben kann, die alten sind alle aus der Puste?
  • Hat die Kirche eigentlich keine Probleme?

Ich meine: Findet es wirklich irgendwer erstaunlich, dass eine gemeinsame Teilnahme an der Eucharistiefeier bzw. am Abendmahl für Protestanten und Katholiken nicht möglich ist? Und wenn ja: Auf welchem Planeten lebt dieser Irgendwer?

II. Glauben ernst nehmen

Gut, emotionaler Ausbruch Ende. Lasst uns sachlich werden. Jedes Mal, wenn aus der katholischen Kirche jemand in die deutsche katholische Kirche hineinruft, dass gemeinsamer Kommunionempfang nicht möglich ist, tun entsetzte säkulare Presse, verletzte Protestanten und die Organisatoren des ökumenischen Bibelkreises so, als sei das ein Affront.

Tatsächlich ist es so, dass die Ablehnung gemeinsamen Kommunionempfangs nichts anderes bedeutet, als dass man den Anderen und sich selbst ernst nimmt. Katholiken glauben nicht nur wirklich daran, dass Brot und Wein in Leib und Blut des Herrn gewandelt werden, sie glauben auch wirklich daran, dass dies eine unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers ist (kein Gedenken oder Reenactment des letzten Abendmahls, das lediglich Jesu Gegenwart bewahrt – die gibt es ja auch in anderen Formen durchaus!), die überdies nur durch den in apostolischer Sukzession geweihten Priester möglich ist. Sie glauben nicht, dass das eine magische, esoterische oder gefühlsmäßig-rituelle Sache sei, sondern eine reale. Wir tun nicht bloß so, als ob wir das glaubten.

Und weil wir das wirklich glauben, gehen wir davon aus, dass auch Angehörige anderer Konfessionen das, was sie bekennen, wirklich glauben. Nun gibt es sehr unterschiedliche, ja, sogar einander ausschließende Ansichten über das Abendmahl bzw. die Kommunion in den evangelischen Konfessionen. Von „Wir nehmen Toastbrot und werfen die Reste in die Sonntagssuppe“ (reformiert) bis „Das ist der Leib des Herrn, den wir anschließend im Sakramentenschrank aufbewahren“ (erzlutherisch), gibt es alle möglichen lehrmäßigen und persönlichen Abstufungen. Allen gleich ist aber, dass sie den Opfercharakter der Eucharistie, die apostolische Sukzession und das Priesteramt ablehnen. Es wäre ein unfassbare Unhöflichkeit, eine himmelschreiende missbräuchliche Anmaßung und Übergriffigkeit in jede Richtung, wenn die katholische Kirche sagen würde: „Ach, wisst ihr was, wir nehmen euch nicht ab, was ihr glaubt. Eigentlich findet ihr doch, was wir finden. Ihr meint doch eigentlich auch, dass man mindestens einmal im Jahr beichten muss, dass man keine schwere Sünde auf dem Gewissen haben darf, bevor man kommuniziert und dass man eine Stunde lang nüchtern gewesen sein muss, vorher. Ihr glaubt doch an das Sakrament der Priesterweihe und an die apostolische Sukzession. Ihr glaubt doch eigentlich, dass es sich hier um die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers handelt. Ihr sagt das bloß nicht.“

Aber auch andere Äußerungen seitens „der Protestanten“, ich verallgemeinere, muss man ernst nehmen. Immer noch haben sich die EKD oder der Lutherische Weltbund, um mal größere Dachorganisationen zu nennen, nicht dafür entschuldigt, dass Protestanten 500 Jahre lang Fakenews über die Kirche verbreitet haben. Ich habe noch im evangelischen Religionsunterricht gelernt, dass die katholische Kirche Erlösung durch Werke gelehrt habe – was sie nie getan hat. Ich habe gelernt, dass in der katholischen Kirche Heilige angebetet würden, was niemals der Fall war, dass ihre Marienverehrung falsch sei und dass die Kirche sich in verfälschender Weise von der Urkirche abgewandt hätte, was sie nie getan hat. Dazu kommen noch Verschwörungstheorien, die man nicht einfach pauschal evangelischen Christen der Vergangenheit oder Gegenwart anlasten kann, die aber mit Wonne weiterhin verbreitet werden: Dass die Kirche bildungsfeindlich gewesen sei, z.B., dass sie wissenschaftsfeindlich (gewesen) sei, dass sie die Hexenverfolgung begründet habe usw.

Wie kann man ernsthaft annehmen, die Kirche würde ihren größten Schatz Menschen anvertrauen, die solche Lügen über sie verbreiten? Das wäre grotesk.

Wir können unsere Sakramente nicht zu banalen sozialen Happenings herabwürdigen. Es geht hier nicht darum, sich in wohliger Gemeinschaft einen Keks abzuholen. Wenn ein Protestant aus tiefstem Herzen glaubt, dass die geweihten Priesterhände ihm in der heiligen Kommunion wahrhaft den Leib und das Blut Christi austeilen, dann ist er herzlichst willkommen, diese Einsicht seinen Glaubensbrüdern und – schwestern mitzuteilen. Dann wird es ihn dazu drängen, auch der Gottesgebärerin alle Ehrfurcht und Liebe darzubringen, die ihr gebühren, sich in die Gemeinschaft der Heiligen einzufügen und den katholischen Glauben anzunehmen. Das ist der einzige logische, respektvolle und akzeptable Weg zur Mahlgemeinschaft.

III. Die Handreichung konkret

Das Dokument, um das es konkret geht, ist übrigens eine herbe Enttäuschung, allerdings fehlt mir nach der Lektüre wirklich jede Motivation, es gründlich auseinanderzunehmen. Man versucht, mit selektiver Rezeption des Neuen Testaments (Jesu eucharistische Rede im Johannesevangelium wird ignoriert) zu begründen, wieso verschiedenste Sichtweisen legitim seien und will diese dann darin aufheben, dass Jesus sich schließlich gewünscht habe, dass alle eins seien. Dass für das Eins-Sein Voraussetzung ist, dass man auch inhaltlich dasselbe meint, wird kunstvoll in relativierenden Worten ertränkt. Dazu kommt die bereits in sich aus katholischer Sicht nicht anwendbare Argumentation, in der frühen Kirche habe es verschiedene Ansätze gegeben. So etwas ist aus katholischer Sicht keinesfalls irgendeine Legitimation dafür, heute unterschiedliche Ansätze zu haben, denn der Sinn in der Leitung durch den Heiligen Geist ist ja, dass sich die wahre Lehre herausschäle und entfalte. Unterschiedliche Ausformungen desselben Ansatzes dagegen lehnt die Kirche nicht ab: Sie akzeptiert ja unterschiedliche Riten, die die Eucharistie unterschiedlich liturgisch ausgestalten. Die unterschwellige Annahme, man halte die evangelische Abendmahlsfeier deshalb nicht für legitim, weil sie anders aussehe als die eigene liturgische Tradition, ist also schon fast eine Beleidigung des Intellekts. Hier ist es (ironischerweise) die im katholischen Glauben angelegte „Fortschrittlichkeit“ (im Sinne einer Entfaltung), die ein Stehenbleiben auf reformatorischem Niveau („Nichts Genaues weiß man nicht) unmöglich macht.

Der Opfercharakter, dem die Kirche höchsten Wert beimisst, wird natürlich von allen Sichtweisen am kritischsten beäugt und eher abgelehnt, obwohl er nicht nur im Gesamtkontext der heiligen Schrift, sondern auch im Gesamtkontext der Erlösung nicht hintergangen werden kann.

Und wer Zeit und Lust hat, kann hier nachlesen, wie Theologen das Kunststück fertig bringen, gegen jedes Zeugnis der Reformatoren und gegen jede sakramentale Praxis zu erklären, dass evangelische und katholische „Ordination“ IM KERN doch irgendwo denselben Inhalt und dasselbe Ziel hätten, das haben bloß noch nicht alle erkannt. Dieser Abschnitt hat mich zwischenzeitlich sprachlos gemacht. Es ist kein bisschen weniger sinnvoll, anzumerken, dass zwischen Spinat und Steak kein relevanter Unterschied bestünde, weil man beides essen kann. Wenn etwa bemerkt wird: „Den Ausgangspunkt für die Verständigung über das kirchliche Amt bildet heute die gemeinsame Einsicht, dass alle Christen durch die Taufe im Glauben an Christi Priestertum Anteil gewinnen.“, dann ist das Augenwischerei. Der Katechismus der Katholischen Kirche erläutert nicht nur (Lumen Gentium zitierend), inwiefern Amtspriestertum und allgemeines Priestertum sich ihrem Wesen nach unterscheiden und dass beide einander zugeordnet seien (KKK 1547). Er erläutert auch ganz genau, worin konkret das allgemeine Priestertum besteht! Ein Hervorgehen des einen aus dem anderen wird gerade nicht formuliert, sondern, dass beide aus Christus hervorgehen. Hier wird also der Einfachheit halber evangelisches Denken dem katholischen Glauben übergestülpt. Was ist da bitte anderes zu erwarten, als dass Rom den Verfassern ein Gratisexemplar des Katechismus zukommen lässt?

Das Problem an solchen Texten ist, dass sie verunklaren. Wo zwei oder drei klare Lehren vorliegen, kann man sie auf ihre jeweilige Schlüssigkeit hin untersuchen, nachfragen, kritisieren. Wenn alles in begriffliche Nebelwolken gehüllt ist, fällt es zunehmend schwer, den wirklichen Inhalt einer Lehre zu bestimmen. Es kann aber nicht unser Ziel sein, „Einheit“ zu erreichen, indem keiner mehr weiß, was zu glauben ist. Wer Jesu Gebet um Einheit so verzerrt, dass damit maximale gemeinsame Glaubensblindheit gemeint ist, kann schwerlich erwarten, von Rom ernstgenommen zu werden. Für die Zukunft wäre hilfreich, wenn man nicht unhinterfragt protestantische Denkmuster von vornherein als gültige Instrumente betrachten würde. Ich dachte, Wissenschaftler würden die eigene Vorgehensweise transparent machen, kritisch reflektieren und legitimieren. Dass da nicht schon im Vorfeld einer der katholischen Theologen schmerzerfüllt aufgeschrien hat, ist doch ein bisschen verwunderlich.