Jesus lädt uns ein – aber wohin?
Ich war sehr überrascht über die zum Teil heftige Ablehnung eines Tweets, den ich (allerdings ohne dies explizit zu nennen) mit Bezug auf die Ablehnung des Dokuments „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ durch die Glaubenskongregation abgesetzt hatte. Er lautete folgendermaßen:
„Liebe Protestanten. Ihr seid herzlich zur #Mahlgemeinschaft eingeladen. Bloß den katholischen Glauben umfassend und öffentlich annehmen, sich an die Kirchengebote halten et voilà, Jesus ist euer. Sprecht mir nach: #Credo in unam sanctam catholicam et apostolicam Ecclesiam. Yeay!„
Im Grunde habe ich damit nichts Weltbewegendes ausgedrückt. Diese Sätze bedeuten: „Du musst glauben, was du tust.“ Dementsprechend waren die Reaktionen einiger Angehöriger der SELK (Selbstständige Lutherische Kirche, von einem Bekannten von mir liebevoll „Betonköpfchen“ genannt) klar: Wir wollen euren Glauben nicht bekennen, und wir wollen auch eure Kommunion nicht. Soweit so logisch. Weniger logisch aber vorhersehbar war die modernistisch-„katholische“ Front, die das natürlich ganz furchtbar mittelalterlich fand (wie gesagt, es handelt sich hier um eine Binsenweisheit), Menschen in die Konsequenz ihrer Entscheidungen zu zwingen.
Ziemlich erstaunt war ich allerdings von den protestantischen Reaktionen. Ich war einfach länger nicht mehr im schwarmgeisterischen Milieu unterwegs, hierzulande sind die Evangelischen entweder stramm lutherisch oder evangelikal, in beiden Fällen ist die Ökumene angenehm, weil man an gemeinsamen Themen engagiert arbeitet, aber nicht übergriffig wird.
Konkret hat mich die Vehemenz erstaunt, mit der die Position vertreten wurde, Jesus selbst lade zum Mahl, weshalb man niemanden davon ausschließen dürfe. Hier zeigt sich beispielhaft, wie inkohärent evangelische Lehre(n) sind. Erst einmal wird hier durch die Wortwahl eine emotionale Ebene aufgemacht, die eine sachliche Auseinandersetzung erschwert. Eine Einladung abschlagen, einem Gastgeber vorschreiben, wen er einladen dürfe – wie unhöflich. Tatsächlich hat aber Jesus die Eucharistie im letzten Abendmahl eingesetzt, wir könnten auch sagen „gestiftet“. Und während das Kreuzesopfer öffentlich vor aller Welt dargebracht wurde, wurden nur die Zwölf Zeugen dieser Stiftung. Eine echte Einladung hat also nur ein ausgewählter Kreis erhalten. Der Begriff Einladung erzeugt schon beinahe eine gegensätzliche Vorstellung zum Gedanken der „Einsetzung“, der ja eigentlich der traditionelle, auch evangelische, Begriff für das Geschehen im Obergemach ist: Denn die „Einsetzung“ oder Stiftung beinhaltet, dass Jesus hier etwas an die Apostel übergibt, während „Einladung“ suggeriert, er behalte die Verwaltung des Sakraments in seinen Händen. Genau das tut er aber laut einvernehmlichem Verständnis aller Christen nicht: Er sagt „Tut dies“, nicht etwa „Dies tue ich weiterhin für euch.“ Protestanten, die „Einladungs“vokabular verwenden, benutzen also eine Sprache, die ihrem eigenen Glaubensinhalt zwar nicht direkt widerspricht, ein Missverstehen aber stark begünstigt.
Nicht nur theoretisch bewegen sich Protestanten, die so argumentieren, außerhalb ihrer eigenen Glaubenslehre(n), auch ihre eigene Praxis widerspricht ihrer Diktion: Mit dem Hinweis darauf, dass Jesus selbst sich hingebe und austeile, wird behauptet, die Kirche maße sich an, was ihr nicht zusteht, wenn sie den Zugang zur Kommunion beschränke. Nun gibt es keine einzige evangelische Konfession, bei der der Zugang zur Kommunion nicht beschränkt wäre: Die Taufe ist genauso Voraussetzung wie ein bestimmtes Alter, normalerweise die Konfirmation, was ergibt, dass (landeskirchliche) Protestanten viel später zum Abendmahl zugelassen werden als katholische Kinder zur Kommunion (von Orthodoxen gar nicht zu reden). Protestanten haben also kein Problem damit, den Zugang zu beschränken, sie haben nur ein Problem damit, wenn die Gründe IHNEN den Zugang verwehren. Dann darf man aber nicht so argumentieren, als sei die (beschränkende) Verwaltung des Sakraments an sich falsch, denn dann wären evangelische Gemeinschaften ja genauso „anmaßend“ wie Katholiken.
Ich lasse hier natürlich völlig außer acht, dass das katholische Kirchenverständnis ohnehin zwischen Kirche und Christus ein Verhältnis annimmt, das die Kirche dazu verpflichtet, das, was er ihr übergeben hat, zu hüten: Die Frage, die Protestanten nämlich ausklammern ist: Warum gibt es die Eucharistie nur in der Kirche? Woher wissen sie überhaupt, dass es Sakramente gibt, und worin sie bestehen? Oder anders gefragt: Wohin lädt Jesus ein?
Gibt es „Spontankonsekrationen“ vom Paderborner Landbrot am Abendbrottisch? Wohl kaum! Die Eucharistie wird nur in der Kirche gefeiert (und wer nun sagt „aber antike Hauskirchen“: Ich meine nicht das Gebäude): Außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen gibt es ja gar keine Eucharistie, man kann also nicht sagen, die Kirche schließe aus, wenn man nur als Teil der Kirche kommunizieren kann. Vom Ausschluss kann nur gegenüber Mitgliedern der Kirche die Rede sein, die aus verschiedenen Gründen die Kommunion nicht empfangen können – und das ist ein anderes Thema.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder, Jesus hat gar nichts eingesetzt, und alles ist nur eine Erfindung machtgeiler alter weißer (naja…vorrangig olivfarbener) Männer: Dann gibt es überhaupt keinen Grund, die Eucharistie empfangen zu wollen. Oder aber er hat die Eucharistie eingesetzt, dann hat er sie aber in die Hände der Kirche gelegt, denn ganz offensichtlich finden wir keine solche außerhalb der Kirche. Jesus lädt uns also zuerst in die Kirche ein – und dies ist tatsächlich eine Einladung an alle!
Sind wir Teil der Kirche, können wir, entsprechend ihrer Vorkehrungen, die diesen Schatz bewahren wollen, teilhaben am Sakrament. Hier kommt natürlich auch zum Tragen, dass Protestanten durch ihr aus katholischer Perspektive extrem verkürztes, unzureichendes Kirchenverständnis auch ein verkürztes Eucharistieverständnis haben. Ein Protestant will ja nicht die Eucharistie mündig mitfeiern (dazu müsste er ja alles bekennen, was die katholische Kirche bekennt), er will bloß am Kommunionempfang teilnehmen, weil alle das machen.
Hier kommt ihm die Krankheit entgegen, dass innerhalb der katholischen Kirche viele vergessen haben, dass auch der Katholik nicht automatisch jeden Sonntag nach vorne tapert und sich einen Cookie abholt, der ihn der Zugehörigkeit zur Pfarrei versichert. Viele Katholiken übertragen den Gedanken der Gemeinschaft der Heiligen in unzureichender Weise in die Praxis und erleben Kirche als sozialen Raum. Deshalb gehört die Kommunion für sie dazu, nicht so sehr als Teilhabe am Leib Christi, sondern als Teilhabe am Sozialgefüge, dessen Säulen Gemeindereferentin Heiter-Sonnenschein, Frau Blumenschmuck-Kaffeekranz und Herr Immerda bilden. Es ist ein gemeinschaftliches Erlebnis. Das wäre gar nicht falsch, wenn der Kern dieses Erlebnis‘ die Gegenwart Christi wäre und nicht, „dass man etwas gemeinsam tut“. Für unzureichend katechisierte Menschen ist eben nicht das Etwas (d.h. Christus) von Interesse, sondern das tun. Dementsprechend, und weil sie selbst den Verzicht auf den Kommunionempfang (weil etwa die letzte Beichte schon länger zurückliegt, weil man die eucharistische Nüchternheit nicht beachtet hat oder weil man sich nicht disponiert fühlt, unbeschadet der Tatsache, dass man hier natürlich nicht skrupulös sein soll) gar nicht mehr kennen, empfinden sie es als höchsten Grad der sozialen Ächtung, wenn ein Mensch am Kommunionempfang nicht teilnimmt, weshalb sie nur allzu gern etwaig vorhandene Skrupel zerstreuen und Protestanten auch noch dazu ermuntern, sakrilegisch tätig zu werden. Eine wirklich ökumenische Alternative wäre, zur geistlichen Kommunion anzuregen.
Die Eucharistie ist also keine Einladung an alle. Sie ist Ausdruck des Lebens und Glaubens der Kirche. Es gibt überhaupt keinen Grund für jemanden, der Leben und Glauben der Kirche nicht mitvollziehen will, die Kommunion empfangen zu wollen. Will er Leben und Glauben der Kirche mitvollziehen, hält ihn nichts davon ab, sich ihr eingliedern zu lassen.
Es wäre im Gegenteil ein Ausdruck von Respektlosigkeit, wenn die Kirche davon ausginge, dass Protestanten „in Wirklichkeit“ glauben, was die Kirche lehrt. Dies würde bedeuten, dass man ihre eigenen Überzeugungen nicht ernst nähme: „Ihr meint gar nicht, was ihr sagt.“
Ein wenig liegt die Feindseligkeit gegenüber der Kirche hier vor, weil dadurch, dass die Kirche den Kommunionempfang vom Glauben abhängig macht, klar wird, dass nicht jeder Glaube als gültig und wahr betrachtet wird. Nun betrachten ja Protestanten hier den Glauben der Kirche selbst als unwahr. Allerdings ist es einigermaßen sinnlos, zu versuchen, dies zu erklären. Protestanten ohne klares Bekenntnis (SELK, evangelikal etc.) zeigen sich im Allgemeinen völlig immun gegenüber der Tatsache, dass sie, indem sie Glaubenseinsichten der katholischen Kirche ablehnen, nichts anderes tun als einen Glauben, der ihrem widerspricht, als falsch einzuordnen.
Antike Hauskirchen sind eh mehr oder weniger ein Mythos. Es gab ziemlich bald ein einziges Kirchengebäude pro Stadt, das dann nicht mehr als Wohnhaus genutzt wurde (s. z. B. Dura Europos); ja, auch in Zeiten der sporadisch immer wieder auftretenden Christenverfolgungen (da gibt es auch Berichte, dass die Verfolger dann die Kirchen zerstörten).
– LG, Crescentia.
Danke für die Ergänzung!
Na ich würde mal – als ex-Protestant – sagen, dass Sie sich an der falschen Seite des Problems engagieren.
Zunächst, ja ich verstehe die Unterschiede in der Sicht des Abendmahlgeschehens und ich finde es irgendwie nicht vereinbar nebeneinander mit vollkommen unterschiedlicher Sicht darauf teilzunehmen, aber wenn beide Seiten sich angemessen verhalten, was soll es. Das biblische Vorbild wurde bestimmt auch an Menschen getan, die auch nicht sofort seine Bedeutung erkannten.
Nur: Wenn sich Nichtkatholiken harsch gegen die „Vereinnahmung“ durch eine Katholikin verwahren, auch wenn diese humorvoll vorgetragen wird, liegt dem ja eine Logik zugrunde, wiewohl auch der Protestantismus, in seiner Entstehung sehr reale Gründe hatte und die real existierende katholische Kirche auch nach 500 Jahren viele dieser Gründe bis heute repräsentiert.
Und: Nicht nur werden Realpräsenz und Wandlung in der „modernen katholischen Kirche vielfach nicht geglaubt, der Unglaube als solcher mit kirchlichen Organisationen (Ausschlafen ist meine Sontagspflicht, Selbstbezeichnung als Update der Gottesmutter, Gott mit Genderstar)die diesem Glauben spotten, Mißbrauchsexzesse ohne eisernen Reinigungsbesen und was es sonst noch so gibt und gab – all das zeigt doch, dass es schwer ist in der katholischen Kirche die Kirche des Herrn zu sehen. Mir fällt es da schwer, Verständnis für das doch regelmäßige abarbeiten an den Protestanten zu entwickeln (Splitter und Balken nicht wahr).
Und: Hier in Deutschland mehren sich die Zeichen, dass Katholiken und Protestanten eine Entscheidung treffen werden müssen, ob sie der vereinigten deutschen Staatskirche angehören wollen, oder neue Wege gehen müssen.
Keine Zeit für Protestantenschelte.
Ich stimme hier Vielem zu, nur wieder nicht der Verabsolutierung ???. Also: Ja, Protestantenschelte darf auf gar keinen Fall verhindern, dass man sich AUCH, und MEHR den eigenen Fehlern zuwendet, und zwar zuerst meinen persönlichen und sodann denen der Kirche. Ich meine aber NICHT, dass, nur, weil es diese massiven Probleme,die Sie nennen, gibt, man protestantische Haltungen nicht auch benennen und kritisieren dürfe.
Zumal, das sollte man nicht vergessen, ein Teil der innerkatholischen Probleme auf den Protestantismus und gewünschte Protestantisierung zurückgehen. Den Unglauben unter Katholiken benenne ich ja auch als Problem, das protestanten erschwert, sich angemessen zu verhalten, und das gilt natürlich für die Ekklesiologie ganz besonders.
Ich kritisiere auf meinem Blog ja auch immer wieder innerkatholische Probleme, weshalb ich mir Protestantenschelte eben auch erlauben auch, wenn nicht nur, als Ex-Protestantin ?
Danke für die durchaus humorvolle Antwort, im Grunde gebe ich Ihnen auch recht.
Die katholische Kirche schafft es immerhin oft genug mich nachhaltig zu enttäuschen, die evangelische interessiert mich einfach nicht mehr.