Anbetung – ein handfestes Bekenntnis
„Du kannst doch nicht sagen, dass bei den Evangelischen Jesus weniger da ist!“ – „Ich sage nicht, dass Jesus bei ihnen nicht zugegen wäre, aber dass die Qualität ganz klar eine andere ist- schau doch mal die Anbetung. Wir bekennen da doch, dass Jesus da tatsächlich anwesend ist im Sakrament. Man würde sich doch vor einem Stück Brot nicht hinknien!“ – „Anbetung. Naja, das macht doch keiner mehr!“ – „Hier vielleicht nicht. Aber in … (nächste größere Stadt) gibt es das jede Woche.“ „*Ratlosigkeit*“.
Dieser kleine Ausschnitt eines sonntäglichen Gesprächs dreier engagierter Katholiken bei Kaffee und Kuchen sollte jedem Pfarrer guten Willens eindrücklich verdeutlichen, wieso Anbetung in wirklich jede Gemeinde gehört. Mittlerweile gibt es in der Nachbarstadt übrigens jeden Tag eucharistische Anbetung, was dem Engagement einiger Laien zu danken ist.
Die Sache mit der eucharistischen Anbetung ist die: Man kann, wenn man von ihr absieht, sehr viel Intelligentes über Symbole und Realsymbole sagen. Gerade die deutsche Sprache ermöglicht es auf faszinierende Weise, Dinge so zu verklausulieren, dass man gar nichts versteht, aber zumindest sehr klug klingt. Schauen wir uns die Leuenberger Konkordie an, also das Schreiben, das seit den 70er Jahren Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern, Reformierten und weiteren reformierten Konfessionen ermöglicht (es gibt viele Protestanten, die gar nicht wissen, dass das eine sehr junge Entwicklung ist, und gerade Unierte wissen oft nicht, dass es da Unterschiede gibt, geschweige denn, welcher Tradition sie eigentlich angehören), so sagt diese, dass das Nachhaken, in welcher Art und Weise Jesus in den eucharistischen Gestalten gegenwärtig sei, das Sakrament verdunkeln könne:
„Ein Interesse an der Art der Gegenwart Christi im Abendmahl, das von dieser Handlung [d.h. vom Akt des Essens und Trinkens, Anm. d. Autorin] absieht, läuft Gefahr, den Sinn des Abendmahls zu verdunkeln.“
Ich muss sagen, für die Konfession des aufgeklärten Vernunftgebrauchs und der Absage an Lehrautorität ist diese Aussage extrem beunruhigend: „Besser nicht nachfragen, zu viel Intellekt könnte gefährlich sein“ – ja, das Interesse an dieser Frage sei nicht gefährlich, sondern „verdunkelnd“. Eine beliebte und meiner Ansicht nach perfide Formulierung, da sie dem Licht Gottes bzw. des Heiligen Geistes eine „Dunkelheit“ entgegensetzt, die durch unser Nachfragen erzielt würde. Das ist das Gegenteil von Aufklärung durch Vernunftgebrauch. Katholiken brauchen vor Fragen keine Angst zu haben, denn wir haben erstens Antworten (und wenn es nur „Das ist ein Mysterium.“ wäre) und zweitens befürchten wir nicht, dass unser menschliches Nachfragen die unverfügbare Transzendenz Gottes irgendwie angreifen oder herabsetzen könnte. Schließlich fragen wir mit dem Verstand, und auch der ist eine gute Gabe Gottes. Diese Diffamierung des menschlichen Intellekts als Träger der Dunkelheit (obwohl wir ja als Getaufte durch das Licht des Heiligen Geistes erleuchtet und gelehrt werden) ist übrigens typisch, und ich verstehe nicht, wieso so viele Menschen zutiefst davon überzeugt sind, dass die evangelische Lehre diejenige sei, die dem Menschen positiver, freundlicher und humaner gegenüberstehe.
Sieht man von der eucharistischen Anbetung ab, kann man sich fröhlich in theologischer Wortkunst suhlen, die Gegenwart Christi als im Sakrament bloß beispielhaft dargestellt relativieren, ist doch Brot lebensnotwendig und daher ein passendes und angemessenes Symbol für den sich hinschenkenden Christus etc. etc, Solche Überlegungen fallen aber in sich zusammen, wenn man die philippinische Hausfrau, den englischen Professor und den deutschen Physiker gleichermaßen vor diesem Stück Brot kniend vorfindet. Ja, völlig krude wird es, wenn in Krisengebieten Priester oder Ordensfrauen ihr Leben in Gefahr bringen, um diese Brotstückchen vor Terroristen o.ä. zu retten. Das ist dann nicht mehr anders erklärbar, als dadurch, dass diese Leute den Verstand verloren haben, oder dass da mehr sein muss als Symbol oder Metapher. Auch abstrakte, überholte magische Lehre fällt aus: Während man die absichtliche Schändung des Leibes Christi mit Horror und Schrecken betrachtet, geht man ansonsten recht pragmatisch damit um, wenn Nachlässigkeit oder unangemessener Umgang guten Willens und in Unwissenheit geschehen. Dies widerspricht „magischem“ Verständnis. Man beachte auch, dass der Heilige, dem wir die innigste, packendste und zugleich klarste Poesie zum Altarsakrament verdanken, auch der unkitschigste, scharfsinnigste und verstandesgemäß unbestechlichste Theologe ist: Keinesfalls ist die Andacht zum Allerheiligsten Sakrament schwärmerisch-dümmlich.
Die Praxis der katholischen Kirche ist gerade heute wichtig, weil gerade heute die Wirklichkeit des Glaubens angezweifelt wird. Glaube als Gefühl, Glaube als diffuses Aufgehobensein, Glaube als soziale Einrichtung und vielleicht auch noch als soziale Kontrollinstanz – ja. Glaube ist in Ordnung, so lange er als vom Menschen ausgehend begriffen wird. In dem Augenblick, in dem der Glaube aber von Gott ursächlich ausgeht, und sich nur auf diesen zurückbezieht, ist er inakzeptabel für eine säkulare Welt. Überraschend viele Menschen sind heute durchaus „spirituell unterwegs“. Krasser atheistischer Säkularismus ist gar nicht übermäßig attraktiv, da er das Sehnen der Menschen so überheblich wegwischt. Aber das Besondere am katholischen Glauben ist nicht, dass er spirituell ist, sondern, dass er Körper und Geist in einzigartiger Weise verbunden sieht. Und diese Synthese steht in engem Bezug zu Gott, der sie selbst auf seine Weise eingeht: Er wird Mensch, überschreitet von sich her die Grenze, die der Mensch nicht übertreten kann, und als „Unterpfand“ der Einheit zwischen Mensch und Gott gibt er sich selbst in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein. Die Kirche hat stets wert darauf gelegt, dass es sich hier nicht um ein bloßes Versprechen handelt. Wir haben einen Vorgeschmack, aber der ist eben echt und wahr. Und an der bleibenden Gegenwart im Altarsakrament haben wir den handfesten, den beängstigend konkreten, den überwältigenden Beleg für Gottes Zusage. Wir glauben an einen Gott, der ist. Und auf unbegreifliche Weise wird dieser Glaube immer realer und immer intuitiver anwendbar auf unser Leben, je mehr wir die Realpräsenz anbetend bekennen.
Darum gibt es hier nur zwei Positionen: Wir sind entweder Brotanbeter oder Anbeter des Wahren Gottes. Tertium non datur.
Heiliger Thomas von Aquin, bitte für uns!
Das Problem ist weniger die Eucharistie als die Anbetung. Wenn transkatholische Menschen of faith, die von der Hure Vernunft wenig halten, die Metaphysik der Eucharistie aus Vernunftgründen negieren, dann kann ich das nicht ernst nehmen. Und sowohl der biblische wie der kirchengeschichtliche Befund bestätigt die bleibende Gegenwart. –
Wo keine Kniebank, da keine Anbetung. Das ist der Fall. Ein interessanter! Bei den Freikirchen gibt es zwar auch körperbetonte Gebetshaltungen, aber Niederfallen ist nicht drin. Gott müßte dazu ein leibliches Gegenüber sein.
Sowohl im Begriff von Liturgie als auch von Gottesdienst sind wir von den Protestanten weit entfernt. Kenne kaum einen Katholiken (selbst Priester), der das verstanden hat. Vermutlich weil auch wir zu wenig knien.
Danke! Megakommentar! Das mit den transkatholischen Prostitutionsgegnern ist episch. Und der Rest einfach nur wahr.
Anbetung kann ich verstehen, sie nimmt mich ein, bildet den steten Tropfen, ist das Beispiel.
Alles andere lässt mich den Ausgang suchen.
Heute kryptisch unterwegs?
Sorry, akuter Anfall Morbus schwurbel…
Was ich sagen wollte ist, dass mir Anbetung für einen Gott an den man glaubt, absolut verständlich erscheint, welches Bild hat man denn sonst von ihm. Aber ich habe diese Form von Religiosität wenig kennengelernt und wenn, dann hat sie mich eher davon überzeugt, dass da etwas ist, als alles was ich je im Konfirmandenunterricht erlebt habe (gut, mag auch altersbedingt sein).
Und was ich eben nicht verstehe ist jemand, der behauptet an Gott zu glauben, diesen aber nicht anbetet, so etwas interessiert mich eben gar nicht.
So besser?