Traditionis Custodes – wie man seine eigene Autorität untergräbt

Zugegeben, Terroris Conditores (danke an einen ungenannten Priester für die Korrektur des offensichtlich falsch betitelten Motu Proprio, man scheint im Vatikan die lateinische Sprache nicht mehr zu beherrschen) hat mich geschockt. Mittlerweile kann ich nur noch den Kopf schütteln. Die Argumentation ist unlogisch (das halte ich naturgemäß für das dramatischste Problem), die Anklage gegenüber Gläubigen und Priestern, die der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus verbunden sind, ist so ungerecht, dass auch Menschen, die selber gar nicht in die Lateinische Messe gehen, den Stoß vor den Kopf spüren. Eines aber ist geradezu unglaublich: Wie ein Papst seine eigene Autorität so untergraben kann.

Kein Flugzeuginterview, keine Doppeldeutigkeit, kein Schweigen des Papstes ist derart geneigt, die Gläubigen ihm zu entfremden.

Wann immer ich Zeuge liturgischer Missbräuche wurde (und dies ist in neun von zehn Messen der Fall, übrigens egal, ob von glaubenstreuen oder offensichtlich ungläubigen Priestern gefeiert), habe ich das irgendwie hingenommen. Mal habe ich mir im Blog oder unter Freunden Luft gemacht, meist habe ich nicht vergessen, die Sache Gott anzuempfehlen. und den Verdruss abzugeben, um nicht ungerecht zu werden. Und beruhigt habe ich mich nicht selten mit der Einsicht, dass der Papst und die Bischöfe eben nicht mit ihrem „eisernen Zepter“ dreinschlagen können, ohne große Kollateralschäden zu riskieren. Geduld, Sanftmut, Langmut. Lieber selbst ein bisschen mehr leiden, als jemanden aus der Kirche zu vertreiben, der eben Verschiedenes gewöhnt ist, eine falsche aber ehrlich gemeinte Vorstellung von dem hat, was Liturgie und Lehre sind.

Und dann das: Während allerorten Teile des Ordinariums weggelassen, Einsetzungsworte verändert werden, der Priester unverfroren den Gläubigen „Brot und Wein zur Stärkung auf unserem Lebensweg“ anbietet statt „das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt“, wo Messtexte als bloße Anregung verstanden werden etc. etc.: Während all dies ohne jegliche Sanktion geschehen kann, zerschlägt der Heilige Vater mit einer Unterschrift jahrzehntelange Mühen, Leiden, Schmerzen, die Bereitschaft, sich als Außenseiter diffamieren zu lassen, Argwohn zu ertragen, vielfach am Sonntag viele Kilometer Anreise auf sich zu nehmen, tausendfachen persönlichen Einsatz der Gläubigen für eine würdige Liturgie.

Hier, wo keinerlei Gefahr echter Auflehnung besteht – die Gläubigen, die die Außerordentliche Form des Römischen Ritus vorziehen, hätten ja jederzeit die Möglichkeit, auf die gut vernetzte, sehr gut aufgestellte Piusbruderschaft zurückzugreifen, was sie bewusst nicht getan haben- hat der Papst keine Scheu, nicht nur eisern dreinzuschlagen, sondern eine gezündete Handgranate mitten unter die Gläubigen zu werfen. Hier, wo Gläubige stehen, die sich durch keinen Missbrauchsskandal, durch keine Heuchelei von Bischöfen und Priestern davon abhalten lassen, die Kirche zu lieben, und in kauf nehmen, für die widerlichen Verbrechen und Vertuschungen anderer von der säkularen Welt verachtet und lächerlich gemacht zu werden. Und nicht zuletzt: Hier, wo Gläubige, deren Seelen schwach und anfällig für Glaubensverlust sind, einen Schutzraum haben, der sie vor dem Schlimmsten bewahrt.

Ich schreibe dies nicht wütend, sondern schlicht verwundert. Wie kann ein Papst derart unbekümmert seine Autorität wegwerfen? Sicher, er hat sie nicht aus sich heraus. Er hat sie von Petrus, und dieser von Christus. Aber damit ist ja eine Verantwortung verbunden. Wenn ich jemandem im Namen Christi ins Gesicht schlage, dann sollte ich schon ein heiliger Nikolaus sein, und mein Gegner mindestens ein Arius (und selbst da frage ich mich, ob das wirklich sein musste).

Wir wissen jetzt jedenfalls, und das ist des Pudels Kern, dass der Papst jeden einzelnen liturgischen Missbrauch, dem wir Tag für Tag und Sonntag für Sonntag ausgesetzt werden, rigide verfolgen könnte, wenn er denn wollte.

Und wenn mich diese Erkenntnis völlig zerdötscht und etwas bedröppelt zurücklässt, möchte ich nicht wissen, wie es gerade Menschen geht, die mit weniger Gleichmut ausgestattet sind.

Dieser Blogartikel soll nicht ohne hoffnungsfrohe Note enden: Es ist erfreulich, wie ehrlich bestürzt die kritischen Verlautbarungen zu diesem Vorgang bisher sind: Von der Piusbruderschaft bis hin zu katholischen Würdenträgern, die gar nicht selbst betroffen sind, nirgends Häme oder Zorn, nur Trauer, Bestürzung, Verblüffung. Ganz offensichtlich sind die Liebe zur Kirche, die Verbundenheit mit dem Papst und die Hochachtung vor seinem Amt unter den verteufelten Dunkelkatholiken viel größer, als der Papst denkt. Mir scheint nicht unrealistisch, anzunehmen, dass die erzwungene Ghettoisierung (wenn es dabei bleibt) mittelfristig zu einem Backlash führen wird. Die „Reform der Reform“ ist erst einmal tot, was bedeutet, dass die ordentliche Liturgie nun noch schneller erodieren und an Attraktivität verlieren wird.

Stat crux dum volvitur orbis (Latein für: Keep calm and carry on!). Wirklich persönlich nehme ich dem Heiligen Vater übrigens nur eines: Dass er diese Gemeinheit am Fest unserer geliebten Herrin, unserer lieben Frau vom Berge Karmel gegeben hat. Dementsprechend kann man sich hier auch nur ihr anempfehlen: Gütigste, mildeste, süßeste Mutter, unsere liebe Frau vom Karmel, bitte für uns!

Saint Nicholas Owen, pray for us!