Synodalschach: Die Rochade

Seit geraumer Zeit spielen die Deutschen Bischöfe und Kirchenfunktionäre des ZDK ein Spiel gegen Rom, das mit „Schach“ eindeutig zu nobel betitelt ist – aber das Wortspiel im Titel funktioniert eben nur so. Vielmehr ist es der würdelose Versuch, zu intrigieren, wobei man sich selbst aber wahnsinnig schlau vorkommt. Der Ablauf einer Runde ist immer gleich: Die Deutschen tun etwas, die Römer wenden etwas ein, die Deutschen lassen verlauten, dass sie sich „bestärkt“ und „ermutigt“ fühlen. Lehramtstreue Deutsche äußern ihre Bedenken, es folgt die Beschwichtigung, niemand habe die Absicht, ein Schisma herbeizuführen, etwas gegen den Willen Roms zu tun, Sonderwege zu gehen usw. Noch während man dies durch Pressesprecher und Vorsitzende verlauten lässt, tut man bereits das Gegenteil.

Für einen Außenstehenden muss eigentlich sehr verwunderlich sein, dass dieses Spiel so gut funktioniert. Woran liegt es? Sind Römer, Afrikaner, Amerikaner, Nordmänner und Argentinier zu dumm oder politisch zu unwissend, um zu erkennen, wenn jemand das Gegenteil dessen tut, was er sagt, oder Worte mit völlig neuen Bedeutungsnuancen versieht? Ich denke, sie sind zu höflich. Ich denke, sie halten an der Grundüberzeugung fest, dass Christen untereinander, bei allen persönlichen Schwächen, bei allen Eigeninteressen und Agenden, irgendwie halbwegs aufrichtig miteinander umgehen. Dass Kirchenpolitik das Kirchesein praktisch ersetzt, muss einem normalen Katholiken auf diesem Planeten ziemlich monströs vorkommen.

Nachdem der Vatikan bereits beim Ad-Limina-Besuch klare Stoppschilder aufgestellt hatte, hatte die Synodalversammlung in Frankfurt nichts anderes zu tun, als eins nach dem andern umzufahren. Schon damals hätte man sich, um sich als deutscher Katholik nicht in Grund und Boden schämen zu müssen, gewünscht, dass einfach mal jemand sagt „Rom, wir haben verstanden. Wir hören ab jetzt auf mit unseren Charaden und bemühen uns, den Glauben gemäß Schrift und Tradition weiterzugeben.“ Stattdessen wurde Rom nicht einmal mehr beschwichtigt, sondern einfach komplett ignoriert. Auch eine Taktik. Die Alpen sind hoch, der Papst ist weit weg. Oder so.

Nun hat sich Kardinal Roche eingeschaltet und ein Schreiben an Bischof Bätzing geschickt, das es in sich hat. Katholisch.de liegt das Schreiben vor. Obwohl sie versuchen, die Ehre der DBK zu retten, zitieren sie so umfänglich wörtlich, dass nicht mehr wirklich etwas zu retten ist. Ja, ich verlinke hier katholisch.de, ich weiß, kommt nicht so oft vor. Zum einen erteilt er der Laienpredigt (besser gesagt: Der Laienhomilie) eine Absage. Warum ich Predigt durch Laien für eine extrem schlechte Idee halte, könnt ihr übrigens hier nachlesen. Das echte Schmankerl aber ist die Ablehnung der Taufspendung durch Laien. Was ja an sich jetzt gar nicht so wahnsinnig problematisch ist, schließlich kann jetzt schon in der Not jeder taufen. In Japan wurde das Christentum während der Christenverfolgung im Untergrund durch die Taufe am Leben erhalten, ohne Priester. Also an sich jetzt gar nicht so schlimm. Roche aber spielt überhaupt nicht mit:

Bei der Taufspendung durch Laien verweist Roche auf das geltende Recht, das Laien nur bei Abwesenheit oder Verhinderung eines Klerikers als erlaubte Spender des Sakraments vorsieht. Diese Bedingung ist laut dem Präfekten dann erfüllt, wenn ein ordentlicher Taufspender nicht innerhalb eines Monats erreicht werden kann. Solche Umstände „scheinen in keiner Diözese im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vorzuliegen, wenn man die Daten des Päpstlichen Jahrbuchs über die zur Verfügung stehenden Kleriker zugrunde legt“, ergänzt Roche. Schon beim Ad-limina-Besuch hätten ihn die deutschen Bischöfe nicht überzeugen können, dass es klare Gründe für die Taufspendung durch Laien gibt: „Auf jeden Fall gab es immer noch genügend geweihte Amtsträger, um die jährliche Zahl der Taufen in den deutschen Diözesen zu bewältigen, welche im Rückgang begriffen ist.“

katholisch.de

Ich muss mich ehrlich fragen, warum diese Worte mich so begeistern. Sie sagen im Grunde nur völlig rational und emotionslos, was dem gesunden Menschenverstand entspricht: Es gibt genügend Priester um zu taufen. Also lasst die Priester taufen. Allerdings bleibt es nicht so prosaisch:

Roche weist in seinem Brief außerdem darauf hin, dass in der 2006 von seiner Behörde genehmigten deutschsprachigen Ausgabe der Taufliturgie der im lateinischen Original enthaltene Abschnitt über die Kindertaufe bei Abwesenheit eines Priesters oder Diakons nicht aufgenommen wurde, „da die Deutsche Bischofskonferenz die Bedingungen der Notwendigkeit, die in Missionsländern oder Ländern der jüngsten Evangelisierung häufiger vorkommen, nicht für gegeben hielt“

Vielleicht bin ich einfach nur ein böser Mensch. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Roche so etwas ohne ein genüsslich-maliziöses Grinsen formuliert hat. Es ist einfach zu gut: Ihr, liebe deutsche Bischöfe, habt Zustände wie in einem Dritte-Welt-Land weit von euch gewiesen. Dementsprechend braucht ihr auch keine Ausnahmegenehmigungen, wie sie für den Amazonas notwendig sein könnten. Und wenn ihr unbedingt von Laien taufen lassen wollt, dann müssen die das halt auf Latein machen. Oder Swahili. Wie. Ihr könnt nicht mal Quechua? Na schade aber auch. Eure wilhelminischen Ethnologen-Forschervorfahren waren da besser drauf.

Spaß beiseite: Es ist eigentlich skandalös, dass die Äußerung ganz einfacher Fakten in diesem Kontext überhaupt notwendig ist. Wenn Rom davon spricht, man dürfe nicht klerikal sein, dann ist offenbar damit auch gemeint, dass die Laien nicht klerikalisiert werden dürfen – so einfach ist das!

Zwei kleine Nebenbemerkungen möchte ich mir noch erlauben: Aus dem Schreiben geht hervor, dass einige deutsche Diözesen und evangelische Landeskirchen 2021 einen ökumenischen Taufritus veröffentlicht hätten – der nicht genehmigt sei und daher nicht verwendet werden dürfe. Ich muss sagen, da kann ich nur noch die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Seit wann kann sich jeder Eigenriten schaffen, wie er lustig ist? Und wenn, haben ein paar ausgestorbene Riten Vorrang, würde ich behaupten. Sodann nötigt mir die stoische Unbeirrbarkeit Respekt ab, mit der der Pressesprecher der DBK insistiert, dass man weiter mit Rom „im Gespräch“ bleibe. Im Internet kursiert derzeit ein Meme, das diesen Sachverhalt folgendermaßen darstellt:

Dem ist nichts hinzuzufügen.