Warum dürfen Frauen nicht predigen?
Kennt ihr das Wort „framing“? Framing ist eine wichtige rhetorische Taktik, die es natürlich schon vor dem englischen Begriff gab. Es geht darum, einen Ausdruck zu prägen, ihn in einen kontextuellen Rahmen zu stellen, so dass der Zuhörer ihn sogleich in einer bestimmten (positiven oder negativen) Weise in sein Weltbild einordnet.
Eine einfache Form von Framing wäre z.B. bereits, wenn ein Amerikaner fragt, was ein Dirndl ist, und ich nicht sachlich sage,“ Ein Dirndl ist eine bestimmte Art von Kleid.“, sondern „Dirndl sind altmodisch.“ Framing findet also ständig unbewusst statt und ist nicht unbedingt gefährlich. Heutzutage wird es aber exzessiv benutzt, um ehrliche Auseinandersetzung zu vermeiden und um in einer Diskussion von Anfang an die Deutungshoheit zu übernehmen.
Wenn jemand fragt, warum Frauen in der katholischen Kirche nicht predigen dürfen, dann ist das bereits „geframed“. Denn die Frage ist so gestellt, als sei bereits klar, dass es am Frausein liege, wenn man in der katholischen Kirche nicht predigen darf, dass es hier also um eine Frage der Gleichberechtigung ginge.
Dabei stimmt die Behauptung, die hinter der Frage liegt, so gar nicht. Frauen dürfen in der katholischen Kirche natürlich „predigen“, d.h. das Wort Gottes verkündigen. Nur: Es gibt eine besondere Form der Predigt, die eigentlich „Homilie“ heißt. Das ist die Predigt innerhalb der heiligen Messe. Und die darf nur ein Priester (oder Diakon) halten.
D.h. kein Laie, weder Frau noch Mann, darf während der Messe predigen. Aber hätten Laien nicht viele tolle, eindrückliche, interessante Sachen zu berichten über das Leben mit Jesus, über die heilige Schrift etc.?
Klar haben sie das. Und sie sollen das bitte auch unbedingt teilen! Dazu später mehr. Zuerst die Gründe, warum es gar nicht schlecht ist, dass die Laienpredigt in der Messe nicht zugelassen ist. Ich empfinde drei ganz unterschiedliche Punkte als bedenkenswert:
- Anforderungen ans Predigen
- Die Liturgie und die Predigt
- „Gruppendynamik“ in der Gemeinde
Predigen – das kann doch jeder!
Der erste Knackpunkt bei der Predigt ist das Handwerk. Wie viele normale Gemeindemitglieder können eigentlich genügend Altgriechisch, um wenigstens das Neue Testament im Urtext lesen zu können? Und wie viele haben die literarischen, historischen etc. Kenntnisse, um Exegese (Auslegung) daran betreiben zu können? Und wie sieht es mit rhetorischen und sprachlichen Fähigkeiten aus?
Ganz klar: Auch einige Priester scheitern an diesem Handwerk. Meiner Ansicht nach zeigt sich hier, dass wir, wie nach dem Tridentinischen Konzil, eine umfassende Ausbildungsoffensive für die Priesteramtskandidaten brauchen, denn damals wie heute sehen wir, dass ein ungebildeter Klerus in die Katastrophe führt. Es sind ja auch damals nicht einfache Gläubige auf die Idee gekommen, die Kirche zu zerstören. Die Ideen wurden ihnen in den Kopf gesetzt von häretischen Geistlichen, die ihrerseits durchaus auch berechtigte Kritik gegenüber anderen Geistlichen anzumelden hatten, die mit vulgär- oder pseudokatholischen Ansichten ihre Herde gefährdeten.
Bloß: Wenn schon die Priester, die ja eine umfassende Ausbildung erhalten, hier oft scheitern, lösen wir dann das Problem, indem wir einfach noch mehr Menschen predigen lassen, die vielleicht in einem der Bereiche, aber sicher nicht in allen so intensiv ausgebildet sein können? Sicher nicht. Die Kirche hat die Möglichkeit und die Pflicht, „Qualitätskontrolle“ zu üben und kann gegenüber den Priestern am effizientesten eingreifen, weil diese ihr in besonders ausschließlicher Weise verpflichtet sind. Dieser Punkt träfe natürlich wenigstens theoretisch auch auf Hauptamtliche Mitarbeiter zu, die ja besonders gern „illegal“ predigen und dies genau damit begründen. dass sie fachlich genauso viel können wie Priester. Handwerk ist aber nur ein Parameter unter mehreren! Damit wären wir beim zweiten Knackpunkt:
Der Glaube und die Liturgie
Die Predigt hängt – nach menschlichen Parametern – nicht nur vom Handwerk ab, sondern auch vom Glauben des Predigers. Deshalb ist sie innerhalb der Liturgie ein störungsanfälliger Punkt: Die Heilige Messe feiert die Heilsgeheimnisse ja von Gott her, ungeachtet unserer Befindlichkeiten. Die Liturgie kann vom Priester nicht verändert werden (haha, ich weiß.): Ob er jedes Wort davon gut findet und mag, ob er die Dramaturgie stimmig findet, ob er gute Laune oder schlechte hat oder sich gerade in einer Glaubenskrise befindet, ist der Liturgie selbst völlig schnuppe. Der Priester vermittelt die Gnaden, die Gott durch die Messe schenkt, unabhängig von seiner Person und Disposition. Sein „Eigen“anteil an der Predigt ist dagegen sehr hoch! Dennoch ist er verpflichtet, einzig und allein im Sinne der Lehre der Kirche Gottes Wort auszulegen. Auch hier scheitern viele Priester. Aber: Auch hier greift wieder, dass die Kirche auf Priester mehr Einfluss hat bzw. haben könnte. Außerdem wird dadurch, dass nur Geistliche predigen, auch deutlich, dass sich die Predigt aus derselben Quelle speist wie die Liturgie, dass sie zur heiligen, dem Menschen entzogenen Sphäre gehört. Deshalb wäre es auch nicht angemessen, wenn ein Ungeweihter die Predigt in der Messe übernimmt, auch nicht, wenn er Theologe ist. Gerade Katholiken wird ja oft vorgeworfen, dem Wort nicht genügend Gewicht zu geben – gerade die Predigt durch den Priester verdeutlicht aber die Einheit von Altar und Kanzel (ja, ich nehme mein Protestant Privilege in Anspruch, von der Kanzel zu sprechen, obwohl natürlich Katholiken Kanzeln nicht benutzen). Und so kommen wir zum letzten Punkt, der nicht theoretisch, aber praktisch wahnsinnig wichtig ist:
Die Gemeinde – es menschelt
Die Predigt darf nicht missverstanden werden als Ort der Meinungs- oder Befindlichkeitsäußerung, sie darf auch nicht politisch oder für sonstige Zwecke missbraucht werden. Dass wird auch dadurch deutlich, dass sie durch den Priester gehalten wird, der ja idealerweise kein anderes Anliegen kennt als das Werk Gottes.
Das ist auch aus sozialen Gründen wichtig (und soziale Gründe sind ja heute oft das einzige, was zählt): Meine Erfahrung ist, dass ich noch nie eine gute Homilie von einem Laien gehört habe. Das entspricht einer lebenspraktischen Tatsache: Nicht jeder, der sich berufen fühlt, ist es auch. Und häufig sammeln sich um Aufgaben, die etwas mit Präsentation zu tun haben, nicht die, die einen Inhalt am besten präsentieren, sondern einerseits jene, die sich selbst am besten präsentieren und andererseits jene, die sich zwar nicht gut, aber gern selbst präsentieren. Es soll auch nicht darum gehen, ob Frau Professor oder Herr Doktor etwas zu sagen haben. Und woher weiß ich, dass die die Sache Jesu besser kennen, als die Putzfrau mit Migrationshintergrund, der Obdachlose oder auch das kleine Kind, die alle zur Gemeinde gehören? Die Gemeinde wird also davor geschützt, dass sich eine Zweiklassengemeinde bildet, in der manche etwas zu sagen haben, vielleicht aus ganz profanen Gründen, und andere nicht.
Und ganz egal, welche soziale Stellung man in einer Gemeinde einnimmt: Wir haben Anspruch auf eine gute, glaubenstreue Predigt. Denn in die (Sonntags)messe muss jeder Katholik gehen. Deshalb ist auch klar, dass gerade dort auf keinen Fall etwas Falsches verkündet werden darf.
Warum Laienpredigt?
Was aber ist denn nun mit dem Potenzial der Gläubigen, mit ihren Erfahrungen mit Christus, ihren Charismen und mit dem heiligen Geist, der ja auch auf ihnen ruht?
Nun, der Kirche geht es nicht um Redeverbote. Jeder Gläubige kann anbieten, etwas über den Glauben zu sagen, und die Mitgläubigen können entscheiden, ob sie es hören wollen. Jede und jeder kann sich äußern und verkündigen (mit der Einschränkung, dass die Kirche natürlich einschreiten kann, wenn jemand Falsches verkündigt, aber praktisch tut sie das kaum.).
Ich finde, dass wir diese Möglichkeit viel zu wenig nutzen: Dass Gemeindemitglieder Raum schaffen bzw. bekommen um Zeugnis zu geben, aus ihrem Glaubensleben zu berichten, andere zu erbauen, zu stärken, zu lehren. All das können Laien tun. Sie können und dürfen auch das Evangelium auslegen. Es gibt z.B. Blogs und Vlogs von Laien, Männern und Frauen, die sich schwerpunktmäßig genau damit beschäftigen, in manchen Gemeinden gibt es Bibelkreise oder Gruppen, die sich mit den jeweiligen Sonntagesevangelien oder anderen Schriftstellen befassen.
Aber: Hier findet dann Kommunikation tatsächlich gleichberechtigt statt, und ich meine, da liegt der Hase im Pfeffer: Zu Vortrag oder Katechese gehe ich nur, wenn ich Lust habe, einen Blog klicke ich nur an, wenn ich das will. Die Predigt aber lässt keinen Raum für Diskurs und ich muss sie mir anhören. Meine Vermutung ist, dass die, die nach der Predigt für Laien rufen, im Grunde unbewusst eine „klerikalistische“ Einstellung haben: Denn es ist ihnen ja nicht genug, ihre Botschaften sagen zu können. Sie wollen einen Rahmen, der sie heraushebt aus der Gemeinde und in dem sie ihre Aussagen nicht in Frage stellen lassen müssen. Es ist also an dieser Stelle typisch: Man fordert die Laienpredigt nicht, weil einem etwas vorenthalten wird, sondern, weil man beim Priester eine Machtfülle, irgendetwas Spezielles vermutet, das man selbst gern hätte, und man ist beleidigt, solange man es nicht hat. Davon ist man so besessen, dass man zweierlei übersieht: Die wahnsinnig vielen grandiosen Möglichkeiten, die man hätte, wenn man nicht so fixiert auf die Homilie wäre, und, dass Predigt nicht Privileg, sondern Dienst ist: Ein Pfarrer muss das jeden Sonntag tun, egal, ob er ein begnadeter Prediger ist oder nicht. Privileg dagegen ist es, einen Vortrag vorbereiten zu dürfen, wenn man Zeit und Lust dazu hat. Und im Rahmen anderer Formate können ja auch Austausch und Diskussion untereinander stattfinden – übrigens auch mit dem Priester, der ja seinerseits nicht alles, was er so „findet“ in der Predigt sagen sollte. Das wäre für alle viel nutzbringender!
Es ist also nicht so, dass man davon ausgeht, einfache Gläubige hätten nicht genügend heiligen Geist um predigen zu können. Ich saß vor einiger Zeit in einer heiligen Messe, die auch eine berühmte Philosophin mitfeierte. Obwohl sie wahnsinnig tiefsinnige Dinge hätte verkünden können, hat die Predigt ein ganz junger Priester gehalten. Der natürlich nicht so erfahren und weise ist, wie diese Philosophin. Aber das muss er auch nicht sein, denn er garantiert in seiner Eigenschaft als Priester erst einmal einfach nur, dass das, was von der Kanzel (ich träume schon wieder… also, was vom Ambo aus) verkündet wird, genauso wie alle anderen Bestandteile der Messe direkt von Gott kommt. Wenn der Priester diese Zusage nicht einlöst, verletzt er seine Pflicht! Die Philosophin hat uns dann in einem anderen Rahmen einen fantastischen Vortrag gehalten, aus dem wir wahnsinnig viel über den Glauben haben lernen können. Uns Gläubigen wurde also nichts vorenthalten und jeder konnte sich gemäß seiner Fähigkeiten einbringen: Das ist gelingendes Kirchesein!
Sancta Maria, sedes sapientiae, ora pro nobis! Sancte Dominice, ora pro nobis! Sancta Caterina, Sancta Teresa, Sancta Teresia Benedicta a Cruce, orate pro nobis!
Sehr guter Artikel, Chapeau! Im wahren Sinn eine gute Predigt. Sollten Sie mal ihrem Pfarrer als Zeugnis nach der Messe anbieten.
Dank für diese Erläuterung.
Ergänzen möchte ich: Ein Priester, der sich mit einem Predigtthema überfordert fühlt, aus welchen Gründen auch immer, hat die Möglichkeit, zu zitieren. Dabei kann er durchaus auch einen Laien seiner Gemeinde um Hilfe bitten. Es wäre keine Schande für einen Priester, rechtzeitig einen Laien seines Vertrauens anzusprechen: „Nächsten Sonntag muss ich über Perikope xy predigen und mir fällt nichts Sinnvolles ein, außerdem habe ich vorher noch x Krankenbesuche und y Sitzungen. Können Sie zu dem Thema eine kurze Predigt schreiben? Ich lese sie dann vor.“
Ich bin einmal jährlich Ghostwriterin eines Priesters. Der kann zwar sehr gut predigen, aber nicht dichten. Und da die Karnevalspredigt in Reimen gewünscht wird, schickt er mir dann seine Prosa-Predigt und ich mache ein Gedicht draus. Dabei fließen auch mal eigene Ideen mit ein. Ist ihm recht, und wird immer gern angenommen.
Also, Laien, die etwas zu sagen haben, können von Priestern, die keine begnadeten Prediger sind, auch mal um Hilfe gebeten werden. Vorlesen kann der Priester ja.
Ein einziges Mal habe ich eine meiner Ansicht nach völlig legitime „Laienpredigt“ gehört – die im strengen Sinne gar keine war. Da hatte unser Pfarrer eine Stimmritzenentzündung und konnte nur heiser flüstern (durfte aber nicht mal das) – und hat seinen Predigttext dem ältesten Ministranten gegeben, der ihn dann vom Ambo (für Dich: von der Kanzel) vorlas. Das ist aber wirklich die einzig legitime Form.