Die Klerikalisierung der Frau – Maria Magdalena is not amused

Eigentlich hatte ich einen Artikel schrieben wollen, der sich damit beschäftigt, dass die heilige Maria Magdalena in Westeuropa seit einigen Jahrhunderten fehldargestellt wird, und dass wir mit Blick auf die Ostkirche die wahre Maria Magdalena wiedergewinnen können. Dieser Artikel muss aber warten, weil ich dummerweise eine der wenigen war, denen der Algorithmus einen Tweet des Erzbistums Bamberg in die Timeline gespült hat.

Das Erzbistum Bamberg verkündet darin stolz, dass am Magdalenentag, dem 22. Juli, bzw. am Sonntag darauf, „Tag der Frauenpredigt“ sei. Beschlossen vom Diözesanrat. Hat Bamberg eigentlich einen Bischof? Als ich das las, war ich sogar zu erschöpft, um zu schimpfen wie ein Rohrspatz; ich seufzte vielmehr innerlich nur noch auf. Kann man mir erklären, wie man von Menschen verlangen kann, dass sie eine Kirche ernst nehmen, die ihr eigenes Recht bricht, sich um die eigenen Vorgaben nicht kümmert, und zwar von ganz oben her?

Warum es überhaupt nicht schlimm ist, dass Frauen keine Homilie halten dürfen, sondern meiner Ansicht nach sogar absolut richtig, habe ich übrigens hier dargelegt.

Was mich besonders nervt, ist, dass für diese pseudo-feministischen Auswüchse eigentlich immer jene Frauen herhalten müssen, die die heutigen Maria 2.0-Damen mindestens hochkant aus der Kirche hinauswerfen würden. Bei der einen oder anderen Äbtissin könnte ich mir auch vorstellen, dass ihr Krummstab zum Einsatz gekommen wäre, und zwar nicht zu knapp.

Die arme Maria Magdalena nun, immerhin Apostelgleiche und Apostelin der Apostel, wird hier aufs Übelste instrumentalisiert: Maria hat den Jüngern die Auferstehung des Herrn verkündet. Das zeigt nicht, dass Frauen predigen sollen, sondern, dass sie genau wie Männer zur Zeugenschaft berufen sind. Das ist für uns heute in Deutschland pillepalle, aber für einen Semiten des 1. Jahrhunderts oder einen Saudi des 21. Jahrhunderts ist das gewagt. Frauen und Männer haben gleiche Würde, sind gleichermaßen zur Einheit mit Gott berufen. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass es keine Hierarchie gäbe, oder dass Männer und Frauen „gleich“ wären. Man müsste das Evangelium schon sehr selektiv lesen, um aus der hohen Stellung der Maria von Magdala zu schließen, die Kirche müsse die Homilie den Laien freigeben (denn Frauenpredigt ist Laienpredigt). Solche kleinkarierten Akte des Ungehorsams sind zudem völlig kontraproduktiv:

Frauen haben sehr viel „Macht“

Frauen haben grundsätzlich wahnsinnig viel Einfluss in der Kirche. Und das nicht erst seit jüngerer Zeit. Im Schulwesen hatten katholische Frauen größten Einfluss auf die (Mädchen-)Bildung, und damit auf die Entwicklung der kommenden Generationen, und natürlich ganz konkret auf zahllose Lebensläufe. Als Äbtissinnen hatten sie zum Teil bischöfliche (Voll)macht – und daran haben diese Frauen durchaus auch gegen Widerstand aus der Hierarchie jahrhundertelang festgehalten, bis die Säkularisation die Klöster aufhob und Ordensfrauen im caritativen Bereich festkettete (nichts gegen caritative Aufgaben, aber die Zisterzienserin, Karmelitin und Benediktinerin sind halt auch wichtig und ergänzen die Charismen, die Frauen in der Kirche entfalten wollen und sollen). Und das Zweite Vatikanum – o Wunder – sah keine Veranlassung, bischöfliche Befugnisse für Frauen wiederherzustellen, die die Herren Bischöfe noch nie so richtig toll gefunden hatten.

Vor allem aber sind Frauen Mütter – und damit die ersten Erzieherinnen und Glaubenszeuginnen so ziemlich jedes Priesters, Bischofs und Papstes. Dass eine säkular-feministische Haltung sich dagegen wehrt, dies als echte Macht, echten Einfluss zu begreifen, liegt wahrscheinlich nicht einmal nur an einer gewissen Skepsis gegenüber der Mutterschaft, sondern durchaus auch an einem defizitären Bild dessen, was Kirche ist. Wer denkt, Kirche sei zuerst eine Institution, die dem einzelnen Christen gegenübersteht, kann natürlich nicht begreifen, dass eine katholische Mutter selbst als Glied der Kirche auch „Kirche ist“ und ihr Muttersein als Teil der Kirche ausübt und lebt. Es ist sehr schade, dass über die Dimension der Kirche als Gottesvolk (Lumen Gentium) zwar ständig geredet wird, aber offensichtlich kaum jemand die Konsequenzen aus dem zieht, was dieser Begriff bedeutet: Nicht zuletzt nämlich, dass jeder Christ an der Stelle, an der er steht, Kirche ist, und dass ein Laie nicht klerikalisiert werden muss, d.h. klerikale Ämter und Aufgaben übernehmen oder sich klerikaler Ausdrucksformen befleißigen müsste, um vollwertig Christ und Katholik zu sein. Und das gilt eben auch für Frauen: Frauen haben Teil am priesterlichen Geschlecht. Ohne Weihe. Ohne in der Messe zu predigen.

Es kann schlimme Folgen haben, wenn Frauen sich ihrer tatsächlichen Machtfülle nicht bewusst sind, und ihre Macht dort suchen, wo sie nicht zu finden ist. Das bedeutet schließlich auch ein Machtvakuum: Es gibt Aufgaben in der Kirche, die nur Frauen ausüben können. Z.B. die eigentlich geradezu priesterliche Aufgabe, dem Kind Gottes Liebe sichtbar und erfahrbar zu machen, und damit eine unersetzbare Grundlage zu bieten für die Entwicklung zum stabilen, glücklichen Christenmenschen, der seinerseits ein Werkzeug Gottes sein kann – dass auf diesem Weg noch einiges schief gehen kann, und nicht die Mutter oder die Eltern „schuld sind“, wenn das nicht klappt, ist klar, ich will hier kein Eltern-Shaming oder -Bashing betreiben. Aber wenn Frauen ihre Aufgaben an dieser Stelle als minderwertig empfinden, oder meinen, hier die Gestalt der Kirche nicht genügend mitprägen zu können, dann äh – ja, dann liegt hier wohl ein ziemlicher Realitätsverlust vor.

Streben nach persönlicher Profilierung statt Kampfansage an echte Probleme

Freilich gibt es in der Kirche auch tatsächlich Frauenfeindlichkeit, echte Missachtung dessen, was Frauen zur Kirche beitragen. Es wäre die Aufgabe der (akademisch) gebildeten Frauen und derer, die aus sonst einem Grund einen hohen Status innehaben, für die Frau in der Kirche die Stimme zu erheben, und nicht nach persönlicher Macht zu streben. Letzteres wird gern als ersteres getarnt: Was bringt es Anneliese Müller, wenn Dr. Gesine Schwafel-Schwof endlich auch vom Ambo aus er Gemeinde ihren glänzenden Intellekt darbieten darf? Wenn Pastoralreferentin Susi Salb-Säusel endlich Pfarrer spielen und allen zeigen kann, dass sie eine ganz genauso tolle Theologin ist, wie ihr Chef, pardon Partner auf Augenhöhe im Pastoralteam – dem sie eigentlich alles vorschreiben kann, denn wenn er nein sagt, ist er ja frauenfeindlich, ne? Das hat mit Empowerment für Katholikinnen reichlich wenig zu tun, und geht zugleich am Wesen der Kirche, der Messe, der Predigt komplett vorbei: Maximal kann man so evangelisches Akademikerchristentum nachahmen. Der Frau in der Kirche hilft das nicht: Nicht den Müttern, die darunter leiden, dass man sie zwar in höchsten Tönen lobt und idealisiert, aber nichts tut, um ihnen zu helfen. Nicht den Singlefrauen, die keinen Mann finden, der eine katholische Ehe mit ihnen aufbauen will. Nicht den Mädchen, die von einer übersexualisierten, pornographischen säkularen Umwelt erschlagen werden. Nicht den Frauen, die im Berufsleben ihre Charismen entfalten. Nicht den Ordensfrauen, die sich für die Armen und Kranken aufreiben. Nicht den kontemplativen Nonnen, deren zum Teil lukrative Immobilien und deren Unabhängigkeit die Begehrlichkeiten so manchen Bischofs weckt, und denen erschwert wird, angestammte Rechte zu verteidigen.

Das sind die echten Probleme der Frauen, die am Herzen der Kirche sind, die den Glauben leben, und die ein Recht darauf haben, dass die Kirche ihnen zuhört, hilft, und sie unterstützt. Maria Magdalena hat den Jüngern den auferstandenen Herrn verkündet. Allerdings nicht in der Synagoge. Die Ansicht, nur klerikale Aufgaben seien geeignet, uns mit Würde zu bekleiden, legt ein äußerst korrekturbedürftiges Verständnis dessen offen, was Macht, Vollmacht, Dienst und Liebe für einen Christenmenschen bedeuten. Sie ist unfassbar chauvinistisch und degradierend.

Heilige Maria Magdalena, bitte für uns!