Die Welt brennt, die Kirche tagt

Ganz ehrlich: Diesen Artikel hatte ich schon seit einigen Wochen im Sinn. Dass am Wochenende die Hamas einen entsetzlichen und widerlichen Terrorangriff auf Israel ausüben würde, konnte ich da noch nicht wissen. Aber ich hatte keine Zeit, mich hinzusetzen und meine Gedanken aufzuschreiben. Daher kommen sie nun vielleicht noch massiver herüber – eigentlich sollen sie ein kleiner Einwand sein, keine große Infragestellung.

Worum geht’s? Klar, es geht um die Weltsynode. Wer mir ein wenig folgt, weiß, dass ich mitnichten ein erklärter „Feind“ von Synodalität bin. Im Gegenteil. Ich wünsche mir mehr von dem, was Papst Franziskus ständig fordert: Meiner bescheidenen Ansicht nach ist mangelnde Kommunikation eines der größten Probleme in der Kirche. Ich habe schon so viele unnötige Konflikte in der Kirche erlebt, einfach nur, weil Menschen einander zwar anhören, aber nicht zuhören. Wer wissen möchte, wie ich die europäische Etappe der Weltsynode erlebt habe, auf der ich als Teilnehmerin zugegen war, kann dies in einem Tagespost-Interview nachlesen, in dem ich davon berichte.

Natürlich kommt nun ein „aber“ ins Spiel: Mich stört gewaltig, dass die Kirche derzeit so massiv um sich selber kreist. Wer den Synodalen Weg in Deutschland verfolgt hat, der hat bemerken können, dass unfassbar viel Energie in diesen Prozess geflossen ist. Energie, die man in positive Kraft hätte umsetzen können, die zum Aufbau der Kirche dienlich hätten sein können. Aber sie war im Synodalen Weg sozusagen gebunden. Natürlich war beim Synodalen Weg auch vieles wirklich toxisch; der Umgang auf der Weltsynode ist da deutlich anders.

Aber auch hier wird sehr viel Energie investiert, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Dabei ist die Ecclesia die Herausgerufene! So viele Menschen sind verwirrt, verroht, verzweifelt. Wir brauchen Trost. Wir brauchen Leitung. Wir brauchen einen Leuchtturm in der rauen See, ein Licht, das den Weg weist. Und wenn mir jetzt irgendwelche Modernissimi kommen mit „Ja, ja, diese altmodische Einstellung, dass die Kirche einfache Antworten bieten soll, das ist nicht zeitgemäß…“ – nein. Die Kirche soll keine einfachen Antworten bieten, sie soll Antworten bieten, und zwar gemäß der Offenbarung, die ihr geschenkt ist. Ist ihr keine geschenkt, ist sie auch nicht Kirche, und dann brauchen wir sie auch nicht. Und ganz ehrlich gesagt: In der heutigen Zeit ist die allgemeine Verwirrung so groß, dass es schon viel wäre, die Kirche würde grob eine einigermaßen heilsame Richtung anzeigen.

Es behagt mir nicht, dass die Menschen derzeit so allein gelassen werden. Ich habe in den letzten Tagen sehr viele schlimme Bilder und Videos angesehen. Irgendwann habe ich beschlossen, dass ich damit aufhören muss, weil das Grauen einfach zu groß wird. Als ich das nächste Mal Twitter geöffnet habe, war sofort das Bild eines ausgebrannten Autos mit den komplett verkohlten Leichen darin auf meiner Timeline – Menschen, die von der Hamas verbrannt worden waren. Aber die Sache ist: Es ist völlig egal, ob ich diese Bilder gesehen habe oder nicht. Sie sind Realität. Viele Menschen mussten am letzten Samstag Dinge erleben, ertragen und sehen, die zu viel waren, die sie nicht ertragen konnten, und für die eine Menschenseele auch nicht ausgelegt ist. Während ich durchaus noch entscheiden kann, ob ich schnell weiterscrolle (oder die App gar nicht erst öffne), konnten diese Menschen sich das nicht aussuchen. Und ich wünsche mir einen Heiligen Vater und eine Heilige Kirche, die uns in so einer Situation in den Arm nehmen, die da sind, die gemeinsam mit uns aushalten und ausharren. Und nicht eine Kirche, die dichte Wortwolken ausstößt, die letztlich nichts Konkretes besagen. Und Israel ist ja nicht das einzige Land: Da ist immer noch der Krieg in der Ukraine. Da sind die Armenier, unsere Glaubensgeschwister, eine der ältesten christlichen Nationen und wie die Juden als Opfer von Völkermord von der Auslöschung bedroht – und abgesehen von den Menschenleben geht dort nebenbei auch ein unwiderbringliches, einmaliges christliches Erbe verloren. Da sind Nigeria und der Sudan und andere afrikanische Länder, in denen Christen verfolgt werden. Wir wissen nicht, ob wir nicht schon am Rande eines Dritten Weltkrieges stehen, und die Polarisierung, die medialen Bubbles und die immer weiter fortschreitende Brutalisierung der Menschen verengen den Blick der Menschen zusehends, sodass es immer schwieriger wird, zu Kompromissen und Ausgleich zu gelangen. Da sind Bestrebungen, den Menschen immer noch weiter auszubeuten, ihn selbst zum Material herabzuwürdigen. Da sind die vielen Ängste, da sind jene Profiteure und Hysteriker, die den Menschen Panik einreden; vor dieser und jener Krankheit, vor dem eigenen Körper, vor dem Alter, vor dem Kinderkriegen, vor der Zukunft. Da sind die vielen falschen Propheten, die den Menschen die Möglichkeit nehmen, ein glückliches, erfülltes Leben zu leben. An allen Ecken und Enden brennt es, die materielle und die immaterielle Welt betreffend. Da wäre ein wenig Orientierung keine unangemessen Übergriffigkeit, meine ich.

Papst Franziskus hat die Kirche mal als Feldlazarett bezeichnet. Ich frage mich, was wohl los gewesen wäre, wenn sich die Krankenschwestern in einem Lazarett im ersten Weltkrieg unmittelbar nach einer verlustreichen Schlacht erstmal mit ner Zigarette zum Palavern zusammengesetzt hätten, um auszudiskutieren, wer den gutaussehenden Oberarzt bekommt, während die Verwundeten sich aus eigener Kraft hineinschleppen müssen, und blutend und röchelnd herumliegen. Das kann’s irgendwie nicht sein, oder?

Aber gut – als filiale Tochter der Kirche nehme ich auch diese Frustration an und vertraue sie Gott und der Gottesmutter an. Die werden schon wissen, was zu tun ist, und was geschehen soll, und werden alles zum Besten wenden!

Heilige Maria, Mutter der Kirche, bitte für uns! Heiliger Charbel, bitte für uns! Heilige Edith Stein, bitte für uns!