Unbefleckte Empfängnis? #1
„Unbefleckte Empfängnis“ – was soll das denn sein? Die meisten meinen es zu wissen: Schwanger werden ohne Sex halt, ist doch klar. Und die meisten liegen damit natürlich – falsch. Ist klar. Warum sind in unserer Informationsgesellschaft so viele Menschen wahnsinnig schlecht und falsch informiert? Wieso googeln die Leute „unbefleckte Empfängnis“ nicht, wenn sie keine Ahnung haben, was das ist? Bei uns zuhause stand früher der Brockhaus, und wenn bei einem Gespräch ein Begriff aufkam, der unklar war, dann hieß es „Hol mal den Brockhaus“. Und dann wurde nachgeschlagen.
Zwischenbemerkung: Dieser Artikel ist ein Zweiteiler. Im ersten Teil erkläre ich, was die Unbefleckte Empfängnis bedeutet (soweit mein kleiner irrlichternder Verstand dieses Mysterium zu erfassen vermag), und zwar gehe ich damit auf die unausgesprochene Challenge von Andreas Batlogg ein, der meint, man soll das Fest lieber umbenennen. Ich lade also ein, diesen Text allen Leuten zu schicken, die ihr kennt, die nicht wissen, was das ist, und sie einzuladen, wenn sie dann noch Fragen haben, sie hier zu stellen. Wäre doch gelacht, wenn man dieses Dogma nicht erklären könnte. Wer schon weiß, was die IC ist, kann gleich hier weiterlesen, wo ich über selbigen Batloggschen Vorstoß abrante, wie es sich gehört.
Was ist die Unbefleckte Empfängnis und wozu ist das gut?
Nun erklärt das Dogma der Unbefleckten Empfängnis sehr gut und klar, was dieser Begriff bedeutet:
„(…) Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jedem Fehl der Erbsünde rein bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben. (…)
Ineffabilis Deus (8. Dezember 1854)
Hier steht alles, was man dazu wissen muss: Maria ist vom ersten Augenblick ihrer Existenz an von der Erbsünde bewahrt worden: Ein altes aus dem Lateinischen entnommenes Lehnwort für Fleck heißt „Makel“ von „macula“. auf Latein heißt Unbefleckte Empfängnis „conceptio immaculata“. Bei dem Fleck, von dem hier gesprochen wird, geht es nicht um Körperflüssigkeiten oder Sex, der irgendwie unrein machen soll, sondern um den „Fleck“ der Erbsünde, von dem Maria bewahrt wurde, obwohl sie ansonsten ganz normal wie alle anderen Menschen auch empfangen wurde – also nicht wie Jesus, der bekanntlich keinen leiblichen menschlichen Vater hat, sondern von einer Jungfrau geboren wurde.
Wichtig ist, dass dies im Hinblick auf Jesu Erlösungstat geschieht. Das heißt, Maria ist nicht aus eigenem Verdienst erlöst, sondern wie alle anderen Menschen auch durch Jesus, nur als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk eben schon zu ihrer eigenen Empfängnis.
Das Ganze ist natürlich ein ganz unfassbar großes Wunder! Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren alle Menschen, die nach Adam und Eva entstanden waren, von der Erbsünde betroffen. Um das vielleicht kurz zu klären: Erbsünde heißt Erbsünde, weil sie keine persönliche Sünde ist. Niemand von uns hat sie, weil er etwas falsch gemacht hat, und auch unsere Eltern haben sie nicht geschaffen, sondern lediglich weitergegeben. Urheber der Erbsünde sind Adam und Eva. Die beiden haben sich gleich zu Beginn der Welt entschlossen, Gott ungehorsam zu sein. Und dadurch kam der Tod in die Welt, und dass alle Menschen von der Sünde durchdrungen sind, ohne, dass sie selbst „etwas dafür können“. Ich finde es ziemlich verwunderlich, dass diese Lehre so unbeliebt zu sein scheint, denn sie ist die entlastendste Erklärung für das Böse in der Welt, die es geben kann. Sie entlastet uns, weil wir erkennen dürfen, dass wir erstmal nicht persönlich schuld daran sind, dass die Welt ist, wie sie ist. Das macht es uns übrigens auch viel leichter, Sünder dennoch zu lieben. Wir sind alle Teil der gefallenen Welt. Klar sind wir dann durch Taufe und Gewissen sehr wohl verantwortlich für unsere eigenen persönlichen Sünden, aber für den Grundzustand der Welt können wir nichts. Das ist eine gute Nachricht!
Wie dem auch sei: Maria hatte diese Erbsünde nicht, weil Gott sie davor beschützt hat. Damit hat Er sie frei gemacht. Denn Gott wollte Maria ja später fragen, ob sie ihm helfen wolle, die Menschheit zu erlösen. Er wollte Mensch werden, und zwar richtig, d.h. Fleisch werden von dem Fleisch eines Menschen, nämlich einer menschlichen Frau, seiner Mutter. Abgesehen davon, dass nichts, was nicht vollkommen gut ist, vor dem Angesicht Gottes bestehen kann, Maria also sowieso sündenfrei sein musste, wollte Gott anscheinend noch mehr (er hätte sie ja auch irgendwann im Laufe ihres Lebens per Wunder befreien können): Er hat dafür gesorgt, dass Maria, wenn er sie fragen würde, so frei sein würde, wie Eva vor dem Sündenfall.
Gott hat laut katholischer Lehre dafür gesorgt, dass Maria komplett frei war, Ja oder Nein zu sagen. Sorry, aber in welcher Religion hat Gott eine derartige Achtung vor der Freiheit, dass er absolut sichergehen will, dass die Person, die ihm helfen soll, die Welt zu retten, auch wirklich 100% frei ist, das selbstbestimmt zu entscheiden? Und dann auch noch eine Frau, auf deren Freiheit zu dieser Zeit außer Gott wirklich niemand wert legte! Eine solche Freiheit ist für Frauen wie Irme Stetter-Karp, die sich so sehr an Macht und Einfluss hängen, dass sie ganz vom Gedanken daran beherrscht werden, wahrscheinlich nicht einmal mehr vorstellbar — ich wünsche es ihnen allerdings von Herzen, dass sie das können.
Und für alle Protestanten ist das Goodie dieses Dogmas, dass Maria dafür absolut nichts getan hat. Eine Erwählung aus Gnade, ohne jedes Zutun ihrerseits. Als ich das verstanden hatte, war ich baff: Denn offensichtlich können Katholiken sogar „sola gratia“ besser als die Protestanten selbst. Diese behaupten zwar, man werde allein durch die Gnade gerettet, gleichzeitig meinen sie aber, man müsse sich für den Glauben mindestens entscheiden, Jesus sein Leben in einem Glaubensakt übergeben, oder ähnliches. Wieso das nun keine „Werke“ sein sollen, konnte mir noch niemand schlüssig erklären. Maria dagegen musste nicht mal das. Sie konnte es auch gar nicht, sie war zu dem Zeitpunkt ja gerade dabei, durch Vereinigung zweier haploider Zellen zu einer diploiden Zelle zu verschmelzen und zu beginnen, zu existieren. Pure, reine Gnade.
Kein Wunder also, dass sich dieses Dogma, nachdem ich als Exprot damit heftig gefremdelt hatte, mein Lieblingsmariendogma geworden ist – vielleicht noch haarscharf überboten vom Dogma, dass Maria Gottesgebärerin ist; wobei ich das eh selbsterklärend finde. Wer noch ein bisschen schmökern will, wie ich mich dem Fest der Unbefleckten Empfängnis und der Marienerscheinung in Lourdes angenähert habe, kann das hier tun.
Maria, ohne Makel der Erbsünde empfangen, bitte für uns!
Und natürlich sprechen folgende drei Dinge dagegen, den sicherlich „auch enthaltenen“ Gedanken Mariä Erwählung irgendwie zum Hauptnamen des Festes zu machen. Ich ordne aufsteigend nach Wichtigkeit.
1. Der gläubige Katholik kann nicht behaupten, daß „unbefleckte Empfängnis“ *unzutreffend* wäre, denn dann würde er einem Dogma widersprechen. Aber es gibt einen Haufen Leute, nennen wir sie etwas umgangssprachlich (ohne damit eine *genaue* Aussage treffen zu wollen, wie sehr die in Pascendi geschilderte Grundhaltung hier *genau* zutrifft) „Modernisten“, die mit dem Titel „unbefleckte Erkenntnis“ ein *Problem* haben und mit „Mariä Erwählung“ nicht. Das allein schon ist bezeichnend genug; schlagt die Modernisten, wo ihr sie trefft.
Die Ungläubigen übrigens haben dieses Problem interessanterweise *nicht*; die zucken vielleicht verständnislos die Achseln, aber (anders als, Gott sei’s geklagt, bei einer Menge *anderer* Dinge wie z. B. Sexualmoral) sie wollen nicht, daß wir den Festnamen ändern. Wenn überhaupt haben sie ein Problem mit, aber dabei komme ich zu (2).
2. Die Allerseligste ist ohne den Makel der *Erbsünde* empfangen; dies impliziert insbesondere, daß es eine solche *gibt* und wir anderen unter ihr leiden. „Erwählt“ wurde auch Elija. Und Jeremia (sehr ergreifend zu lesen). Und die Apostel. Und der hl. Benedikt. Und die hl. Margareta Maria. Und der meines Wissens nicht einmal als Heiliger verehrte König Chlodwig der Franken. Und unsere Gastgeberin. Und, zumindest zum Allgemeinchristen, ich.
3. Der entscheidende und in der Vergangenheit bis zur Klärung ja auch fragliche Punkt ist, daß diese Bewahrung wirklich im Moment der Empfängnis geschehen ist. Die Freiheit Mariens von der Erbsünde war ja eigentlich nie strittig, seit das Thema auf den Tisch gekommen war, aber es hat sehr wohl sehr eminente und, da das Dogma damals noch nicht bestand, auch rechtgläubige Theologen gegeben, die davon ausgingen, Gott müsse quasi pro forma noch quasi ein paar Sekunden gewartet haben, bevor er die Erbsünde, die sie sich dem normalen Verlauf der Dinge gemäß zugezogen hätte, wegnahm. Duns Scotus hat dann den Ausweg gewiesen, und das Dogma wies insbesondere diese Annahme ausdrücklich zurück. (Für Mathematiker: in diesem Fall ist Epsilon ausnahmsweise tatsächlich null, weil, wie Scotus mit Recht gesagt hat, warum nicht.) Deswegen muß der Festname beinhalten, daß die Befreiung von der Erbsünde wirklich im Moment der Empfängnis erfolgte und nicht erst später.
Ich glaube, dieser Kommentar hätte unter den anderen Artikel gehört. Ups. Weihnachtsfeier und so? (Catholic life hacks: Mal schnell noch die erste Vesper vom Hochfest am Folgetag beten, damit das ganze wenigstens nicht *ganz* so mit der Saison auf Kreuzfuß steht…)
Aber ja, sehr vielen Dank für beide Artikel!
Danke!