Unbefleckte Empfängnis! #2
Im ersten Teil dieses Artikels ging es um eine Erklärung, was der Begriff „Unbefleckte Empfängnis“ bedeutet. Ich freue mich über Feedback auch im Hinblick auf tatsächliche Verständlichkeit für Leute, die von dem Thema keinen Schimmer haben, man lebt ja doch so in seiner Bubble. Mit meinen Gedanken dazu wollte ich eine praktische Antwort auf den Vorstoß des Theologen Andreas Batlogg [von mittelangelsächsisch *Bad-log(ic)] geben, der meint, man solle den Namen des Festes ändern, weil keiner versteht, was gemeint ist.
Warum ändern wir den Namen nicht?
Bevor ich wild drauf los meckere, möchte ich übrigens zugeben, dass ich seinen Vorschlag an sich gut finde! „Maria Erwählung“ gibt tatsächlich für mich persönlich genau das wieder, was das Fest aussagen will, und was ich als besonders wichtig und bedeutsam daran empfinde.
Nun ist mein Empfinden aber weder Gipfel der Erkenntnis, noch maßgeblich für das Denken der Kirche. Abgesehen davon aber stört mich die gesamte Herangehensweise. Obwohl das Dogma klipp und klar erklärt, worum es geht, denken trotzdem viele Menschen, es ginge bei diesem Dogma um Sex (bzw. kein Sex). Das hat verschiedene Gründe, z.B., dass viele Menschen – übrigens (auch) Nichtchristen – irgendwo in ihrem Innern denken, dass Sex schmutzig sei. Das liegt wahrscheinlich daran, wie sie selbst damit umgehen. Ich kann mir schon vorstellen, dass so mancher Mensch im Hinblick auf sein Sexualleben ein völlig berechtigtes „beflecktes“ Gewissen hat – man bedenke nur, wie Prostitution und Pornographie florieren, von subtileren Formen gewalttätiger und entwürdigender Sexualität mal abgesehen. Aber natürlich ist mal wieder die Kirche daran schuld, wenn Leute merken, dass das, was sie tun, nicht gut ist. (Nebenbemerkung: Stimmt ja sogar irgendwie, die Lehre der Kirche sagt ihnen schließlich explizit, was sie im Innern vage spüren.)
Wie dem auch sei: Wenn Leute etwas falsch verstehen, muss man es eben richtigstellen, nicht den Begriff ändern. Es ist irgendwie symptomatisch, dass solche Ideen immerzu von Theologen zu kommen scheinen, nicht etwa von Mathematikern oder Physikern oder Chemikern. Die scheinen leidlich zufrieden zu sein damit, dass man sich mit den Inhalten ihrer Fächer eben auseinandersetzen muss, um sie zu verstehen. Ja, man muss einige Dinge wissen, um den Begriff „Unbefleckte Empfängnis“ verstehen zu können. Aber mal ganz ehrlich: Wäre das bei „Erwählung“ anders? Im Gegenteil! Erwählung ist ein weniger sperriges Wort. Was zur Folge hätte, dass die Leute dann eben noch eher und noch fälschlicher denken würden, sie wüssten, worum es geht. Da der Festinhalt sich um kein Deut ändern würde, hätten die Leute auch immer noch nichts verstanden. Maria wurde halt erwählt, ja, klar, wurde sie doch aber als der Engel ihr die Botschaft brachte, also wieso nochmal im Dezember feiern?
Außerdem ist das blasse Wort „Erwählung“ auch noch in dreierlei Hinsicht auf unsere postmoderne, säkulare Welt hin ungünstig: Erstens lässt man sich die 1A-Gelegenheit entgehen, den Menschen zu erklären, dass die Kirche nicht sexfeindlich ist. Zweitens vermeidet man mit dem Begriff Empfängnis auch den Hinweis auf die geschlechtliche Fortpflanzung, durch die Maria – wie jeder andere Mensch – entstanden ist. Sind wir hier dann doch g’schamig, oder was? Und Drittens ist das klare Bekenntnis zur personalen Würde jedes Menschen von Beginn, von der Empfängnis an heutzutage unschätzbar und unverzichtbar. Punkt. Die Kirche bezeugt hier wie selbstverständlich als Nebenprodukt, dass der Mensch Mensch ist von Beginn an, und bezeugt dies als Teil ihrer Tradition und verbindliches Glaubensgut, obwohl es dazu in der Kirchengeschichte verschiedene andere Theorien gab.
Es ist nicht schlecht, das Fest „Mariä Erwählung“ zu nennen. Aber die Begründung ist schlecht, die Praxis wäre unserer Zeit weniger angemessen, als das zu tun, was die eigentliche Aufgabe von Theologen ist: Erklären, erklären, erklären.
Und zum Schluss dann noch das ultimative Argument für alle marianischen Ultras da draußen: Es wäre eine grobe Unhöflichkeit gegenüber der Schönen Dame, ihr Fest anders zu nennen, als sie es selbst tut: Als Maria am 11. Februar 1858 dem Mädchen Bernadette Soubirous erschien, sagte sie von sich: Ich bin die Unbefleckte Empfängnis. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Heilige Maria, Unbefleckte Empfängnis, bitte für uns. Heilige Bernadette, bitte für uns.
So, jetzt der Kommentar da, wo er eigentlich hingehört:
Und natürlich sprechen folgende drei Dinge dagegen, den sicherlich „auch enthaltenen“ Gedanken Mariä Erwählung irgendwie zum Hauptnamen des Festes zu machen. Ich ordne aufsteigend nach Wichtigkeit.
1. Der gläubige Katholik kann nicht behaupten, daß „unbefleckte Empfängnis“ *unzutreffend* wäre, denn dann würde er einem Dogma widersprechen. Aber es gibt einen Haufen Leute, nennen wir sie etwas umgangssprachlich (ohne damit eine *genaue* Aussage treffen zu wollen, wie sehr die in Pascendi geschilderte Grundhaltung hier *genau* zutrifft) „Modernisten“, die mit dem Titel „unbefleckte Erkenntnis“ ein *Problem* haben und mit „Mariä Erwählung“ nicht. Das allein schon ist bezeichnend genug; schlagt die Modernisten, wo ihr sie trefft.
Die Ungläubigen übrigens haben dieses Problem interessanterweise *nicht*; die zucken vielleicht verständnislos die Achseln, aber (anders als, Gott sei’s geklagt, bei einer Menge *anderer* Dinge wie z. B. Sexualmoral) sie wollen nicht, daß wir den Festnamen ändern. Wenn überhaupt haben sie ein Problem mit, aber dabei komme ich zu (2).
2. Die Allerseligste ist ohne den Makel der *Erbsünde* empfangen; dies impliziert insbesondere, daß es eine solche *gibt* und wir anderen unter ihr leiden. „Erwählt“ wurde auch Elija. Und Jeremia (sehr ergreifend zu lesen) (*). Und die Apostel. Und der hl. Benedikt. Und die hl. Margareta Maria. Und der meines Wissens nicht einmal als Heiliger verehrte König Chlodwig der Franken. (**) Und unsere Gastgeberin. Und, zumindest zum Allgemeinchristen, ich.
3. Der entscheidende und in der Vergangenheit bis zur Klärung ja auch fragliche Punkt ist, daß diese Bewahrung wirklich im Moment der Empfängnis geschehen ist. Die Freiheit Mariens von der Erbsünde war ja eigentlich nie strittig, seit das Thema auf den Tisch gekommen war, aber es hat sehr wohl sehr eminente und, da das Dogma damals noch nicht bestand, auch rechtgläubige Theologen gegeben, die davon ausgingen, Gott müsse quasi pro forma noch quasi ein paar Sekunden gewartet haben, bevor er die Erbsünde, die sie sich dem normalen Verlauf der Dinge gemäß zugezogen hätte, wegnahm. Duns Scotus hat dann den Ausweg gewiesen, und das Dogma wies insbesondere diese Annahme ausdrücklich zurück. (Für Mathematiker: in diesem Fall ist Epsilon ausnahmsweise tatsächlich null, weil, wie Scotus mit Recht gesagt hat, warum nicht.) Deswegen muß der Festname beinhalten, daß die Befreiung von der Erbsünde wirklich im Moment der Empfängnis erfolgte und nicht erst später.
* Und der wurde sogar, wie später noch Johannes der Täufer, im Mutterleib von der Erbsünde befreit! Aber sie waren beide eben nicht unbefleckt empfangen.
** Erwählt war auch Chlodwig, König der Franken,
dem wir den christlichen Glauben verdanken.
Eine Frage hätte ich zu diesem Dogma: Wenn Maria wirklich von Anfang an von der Erbsünde befreit war und nicht gesündigt hat wusste sie dann, dass mit ihr etwas anders war? Wie lebte sie in einer Welt, die von ihr verschieden ist? Sie konnte ja dann auch kein einziges Mal in ihrem Leben eine Schuld bekennen, da sie ja nie eine Sünde begangen hat. Ich muss sagen, dass ich bei aller Verehrung für die Gottesmutter und dieses Dogma und das dazugehörige Fest so meine wenn man so will psychologischen Schwierigkeiten damit habe.
Ich finde, das sind spannende Fragen, die ich freilich nicht beantworten kann :D. Ich denke, sie wusste, dass mit ihr etwas anders war. Es gibt ja viele Geschichten von Erwählung in der heiligen Schrift (wenn auch anderer Art), und die Leute merken immer, dass etwas anders ist mit ihnen, weil Gott sie ja berührt hat. Den zweiten Teil des Kommentars verstehe ich nicht so ganz. Warum ist das psychologisch problematisch? In dem Sinne „Dann ist sie ja viel besser als ich“? Ich denke, es ist eher ein Grund zu großer Freude, oder? Denn es ist ja gerade nicht ihr Verdienst, ohne Sünde zu sein. Ihr Verdienst ist, Ja gesagt zu haben. Und das können wir ja auch jeden Tag wieder tun bzw. wenigstens versuchen.