5 Dinge, die ich im Katholizismus vermisse

Im letzten Artikel habe ich mich über die Nichtexistenz reformatorischer (n.b. nicht „protestantischer“) Errungenschaften ausgelassen. Natürlich haftet dem der schale Beigeschmack des „Bashings“ an, so dass ich dachte: Jetzt mal was Positives! Also, hier ist sie, die ultimative Liste der Dinge, die ich am Katholizismus vermisse. Es gibt noch einige, die ich am Protestantismus schön finde, ohne sie zu vermissen, aber über die schreibe ich vielleicht zwischendurch mal, bloß wahrscheinlich nicht vor 2019, denn 2017 werde ich sicher genügend traurige bis inakzeptable Effusionen zum Reformationsgedenken verarbeiten müssen, und 2018 muss ich dann dazu nutzen, um mein inneres Gleichgewicht wiederzufinden.

5 Dinge, die ich im Katholizismus vermisse

#1: Die Bibel

Nein, ich vermisse natürlich nicht die Bibel an sich. Zum einen ist der katholische Gottesdienst durchtränkt von biblischen Texten. Das gilt insbesondere für die außerordentliche Form. Hier werden Inhalte und Passagen der Bibel aufs dichteste miteinander verwoben und ineinander verschränkt, so dass sich vor dem inneren Auge die Heilsgeschichte von Adam bis Christus entfaltet. Tatsächlich ist mein Bibelstudium nach der Konversion fast völlig zum Erliegen gekommen, weil plötzlich die kurzen Passagen, die ich in der Messe las, derart inhaltsreich waren, dass ich den Eindruck hatte, vom Bibelwort ganz umhüllt und bekleidet zu sein. Der Effekt wird durch das Diurnale noch einmal verstärkt, das einen ja ganz und gar in die Gebetswelt der Bibel und der Kirche eintauchen lässt. Mit dieser Erfahrung war natürlich das alte Vorurteil, die katholische Kirche behandle die Bibel stiefmütterlich, völlig ad acta gelegt. Wenn die Kirche zu irgendeiner Zeit die Bibellektüre nicht groß beachtet hätte, dann allein deshalb, weil sie ohnehin ganz und gar in den Kategorien der Bibel denkt und betet und lebt und webt. Sie verbindet Tradition und Schrift derart, dass an den gelungensten Stellen kein Unterschied zwischen Schrift, Tradition und Leben erkennbar ist.

Wieso nun aber fehlt mir die Bibel? Mir fehlt eine passende Übersetzung. Mit echtem Entsetzen lauschte ich an meinem ersten katholischen Weihnachten den Worten aus dem Lukasevangelium, die seit immer nur folgendermaßen lauten können:

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Quirinius Landpfleger von Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.

Ich wage den linguistischen Vergleich mit der Einheitsübersetzung, der Geißel der Konvertiten:

In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.

Ich habe dafür nur vier Worte: Wie kann man nur?

Von den Psalmen wollen wir lieber gar nicht reden. Ich konnte zahlreiche Psalmen auswendig, und mir erschließt sich nicht, wie man das holprige Sprachgestolper der EÜ, das jeglicher Schönheit, jeglichen Rhythmus‘ und jeglicher Eingängigkeit entbehrt, auswendig lernen könnte.

Übrigens, nette Anekdote: Als ich einen Pater einmal in meiner Gewissensnot fragte, welche Übersetzung ich denn nehmen könne, ich müsse immer noch Luther lesen, weil ich EÜ nicht ertragen würde, da dachte er kurz nach, räusperte sich und sagte „Also, ich lese die Bibel immer auf Latein.“ Danke, sehr hilfreich. Eine Übersetzung ins DEUTSCHE meinte ich.

 #2. Gesangbuch

Das Gotteslob kommt gleich nach der Pest. Das Problem ist, dass es eine eierlegende Wollmilchsau sein soll. Andachtsbuch, Gesangbuch, Gebetsbuch, Katechetisches Buch und was nicht noch alles. Damit wäre jedes Buch überfordert und überfrachtet. Zumal es offenbar im deutschsprachigen Raum schwer zu sein scheint, Notwendiges von nicht Notwendigem zu unterscheiden. In dieser Hinsicht ist das neue Gotteslob etwas besser als das alte. Grundgebete haben sich sogar auf Latein hinein verirrt. Aber wer sich des schönen Gefühls entsinnt, das kapitale EG in den Händen zu halten, die uralten Bachchoräle und zu Herzen gehenden Paul-Gerhardt-Lieder, einiges davon im Satz , so dass die sangesfreudige Gemeinde vierstimmig die Stimme zu Gott erheben kann, der muss nostalgisch werden. Übrigens ist selbst das schlimmste Lied des EG um ein Vielfaches besser als die mittelmäßigen im Gotteslob. Insbesondere das Neue geistliche Liedgut im Gotteslob treibt einem regelmäßig die Tränen in die Augen, denn gegen Tanzen, ja tanzen wollen wir und Suchen und fragen muten Danke für diesen guten Morgen und Laudato si, die Ausreißer im EG, wie tiefsinnigste Meditationen an.

#3. Gemeindehäuser

In einem evangelischen Gemeindehaus kenne ich mich aus wie in meiner Westentasche. Kennst du eines, kennst du alle. Es gibt dort alles, was das Herz begehrt, und die freundliche (!) Küsterin wird dir auf Nachfrage zeigen, wo du Kaffee und Tee findest, und wahrscheinlich stehen auch irgendwo Kekse herum. Das evangelische Gemeindehaus ist ein wunderbarer Ort, an dem sich Senioren, Konfirmanden und Blockflötenkreis gleichermaßen aufgehoben  und willkommen fühlen. Häufig ist es nicht einmal abgeschlossen, die Heizung ist eigentlich immer an, wenn es notwendig ist, und kein Mensch beäugt dich, ob du auch wohl nichts Arges im Schilde führst.

Ganz anders die katholische Kirche. Oft gibt es kein Gemeindehaus, sondern nur ein Pfarramt, und häufig ist das nur ein Sekretariat. Dich erwarten also weder Kaffeeseen noch Kuchenberge, sondern maximal eine Toilette. Das katholische Pfarramt ist normalerweise zu. Gut, dann geht man eben umso mehr in die Kirche. Aber dort herrscht unangefochten der grimmige, grummelige und nie lächelnde Mesner, vor dem auch ein Pfarrer erst einmal seinen Bückling machen muss, wenn er irgendetwas braucht oder in der Kirche machen will.

#4. Hochaltäre

Häh? Ja. Hochaltäre. Wenn man das Privileg hat, in einem urtümlich lutherischen Gebiet zu sein, so wird man feststellen, dass ein Großteil der Kirchen ganz selbstverständlich einen Hochaltar hat, an dem auch ganz selbstverständlich der Gottesdienst gefeiert wird. Da die evangelische Kirche den einzigartigen Segen empfangen hat, nicht durch ein zweites Vatikanisches Konzil gegangen worden zu sein, hat sich im Großen und Ganzen dort noch nie jemand über die Hochaltäre in den Kirchen aufgeregt. Sie stehen da einfach herum und deshalb werden sie auch benutzt. Und wenn der Pastor dann bei der Abendmahlsfeier mit dem Rücken zum Volk steht – so what! Für Lesungen etc. kann er sich ja umdrehen! Vielleicht sollte man diese epochemachende Erkenntnis mal unter vehementen Gegnern der Alten Messe verbreiten. Es ist ein Treppenwitz der Kirchengeschichte, dass zahlreiche Dinge, die in der katholischen Kirche diskutiert werden, keinerlei Aufsehen in der evangelischen Kirche erregen. Ich bin vor Lachen fast umgefallen, als ich erfuhr, dass die Änderung der Einsetzungsworte zu „für viele“ ein Politikum sein solle. Das sollte mal einem evangelischen Pfarrer einfallen, das Bibelwort einfach zu „für alle“ zu verändern (mittlerweile ist der katholische Einfluss in der evangelischen Kirche so groß, dass es sogar vorkommt, aber zu meinen Zeiten war das undenkbar!). Natürlich heißt es „für viele“, weil es eben in der Bibel so steht (ein Halleluja für sture Bibeltreue) und Punkt. Hach war das schön.

#5.

Ich hatte den Beitrag „Fünf Dinge, die mir in der katholischen Kirche fehlen“ genannt. Dummerweise fielen mir aber nur vier ein. Das hier bleibt also nun eine Leerstelle, die ich bei Bedarf füllen kann, sollte mir in der allein seligmachenden einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche noch irgendetwas auffallen, was ihr gegenüber den Protestanten fehlt.