Rettet die Jugend!

Eigentlich habe ich nicht wirklich Lust, mich mit Evangelischen Kirchentagen zu befassen. Nicht mein Verein=nicht mein Problem. Die Gleichung stimmt natürlich nicht, denn wenn die Anhänger der EKD-Religion der Gesellschaft erklären, Christentum bestünde im Wiederkäuen politisch korrekter Positionen, könnte die Gesellschaft auch von Angehörigen anderer christlicher Denominationen erwarten, sich zu den Themen Umwelt, Einwanderung oder Wirtschaftsfragen genauso zu äußern, wie es ein diffuser Mainstream vorzugeben scheint.

Allerdings hat eine Bloggerkollegin auf Facebook auf dieses wundervolle Video aufmerksam gemacht, das nicht nur alle Probleme des Kirchentages in einer knappen Viertelstunde auf den Punkt bringt, sondern auch an einer Stelle überrascht und uns alle eindringlich zum Handeln auffordert.

Zuerst muss man natürlich schmunzeln, wenn die Moderatorin berichtet, dass in Wittenberg „Lutherburger, Luthertaschen, Luthergemälde (…)“ zu erstehen seien. Für eine Konfession, die Heiligenverehrung ablehnt, ist die Verehrung eines normalen Nichtheiligen offenbar kein Problem. Ich jedenfalls habe bisher nirgends Fatima- oder Lourdesburger angeboten bekommen, vielleicht wäre das eine Marktlücke. Aber das nur nebenbei.

Die Jugendlichen des Zentrums Jugend auf dem Kirchentag bauen dafür – eine Kirche! Das erstaunt die Jugendpfarrerin: „Genial“, dass Jugendliche, wenn sie den Auftrag haben, ein Jugendzentrum auf dem Kirchentag zu gestalten, auf die Idee kommen, eine KIRCHE zu bauen (O-TON: „Nichts mit Sport oder was Kulturelles“), da staunt die Geistliche. Offenbar wissen die Kids, was die Moderatorin des Trailers nicht weiß: Es geht nicht um Politik, Soziales oder Zivilgesellschaft, sondern um Gott. Und wo begegnet man Gott? In der Kirche. Krass, dass die Jugendlichen das wissen! Und wie gut, wenn Erwachsene, die mit Jugendlichen arbeiten, diese auch ernst nehmen und für fähig halten, sich tiefere Gedanken zu machen! (Okay, ich weiß, ich bin gemein, jetzt unterstelle ich der Jugendpfarrerin etwas…). Dass die Verantwortlichen den kindlichen sensus fidei bereits verloren haben, wird erkennbar, als eine junge Frau berichtet, was in der Kirche stattfinden wird: Gestaltung, Theater, Recycling und natürlich wird ganz viel gesungen werden. Fehlt jemandem in der Aufzählung etwas? Da war was… mit „b“… be…be… hm. Ich komm nicht drauf.

Die Kirche steht unter dem Motto „Was mich trägt“, und eines kann man den Jugendlichen nicht vorwerfen: Dass sie sich keine Gedanken gemacht hätten. Allerdings sind die Gedanken naturgemäß ziemlich beunruhigend, wie soll man auch durchblicken ohne ordentliche Glaubensunterweisung? Zwei Schüler haben etwa Salzklötze auf einer Gerüststange angebracht, in Bezug auf das Jesus-Wort „Ihr seid das Salz der Erde“. Die Schülerin, die den Sinn erläutert, verleiht dem Gleichnis einen Öko-Mother-Earth-Touch: Mit dem Salz kann man sich identifizieren, weil es Teil der Erde ist, und man selbst ja auch. Dann sagt sie, die Salzblöcke seien mit „Hammer und Meißel“ herausgebrochen worden, und sie sagt das mit so viel Emphase (endlich mal was Handfestes), dass ich beinahe erwarte, dass sie im martialisch-calvinistischen Duktus fortfährt, auch der Mensch müsse mitunter durch den Hammer des Leidens herausgebrochen werden aus der Ordnung der Sünde und durch Bekehrung neu geformt werden und festgemacht an der tragenden Stange, die da ist Gott – oder so. Kommt aber nicht, keine Sorge. Schön, dass sie sich mit der Bibelstelle auseinandergesetzt hat. Schade, dass niemand da war, der ihr den Sinn des Gleichnisses hat erläutern wollen.

Wir nähern uns dem Kern der Tragödie. Andere Jugendliche haben ein Marienbild zu der Kirche beigesteuert. Ja! Ein Marienbild! Evangelischer Kirchentag! Das Gesicht ist sehr hübsch, Maria in einer meditierend-betenden Haltung. Wenn das die Haltung ist, die Jugendliche so berührt und bewegt, dass sie sie darstellen wollen, obgleich sie aus einem marienfernen bis marienfreien Umfeld kommen, dann schreit in ihnen die Seele ganz laut nach Spiritualität, nach der Begegnung mit Gott, so, wie Maria sie erleben durfte. Wow. Leider muss diese positive Erkenntnis in Tränenfluten begraben werden, denn die Marienfigur schält sich aus einer überdimensionierten Vulva heraus (durch die sinnfällig die Gerüststange, an der das Bild hängt, hindurchragt…). Pussy-Mary statt Pussy-hat, oder was möchte man uns damit sagen? Offenbar haben sich die Menschen, die sich an diesen Kindern katechetisch vergangen haben (Gnade ihnen Gott!), Mühe gegeben, feministische „Perspektiven“ zu vermitteln. Dummer-, elender- und (wer noch lachen kann) ironischerweise haben sie zum einen bewerkstelligt, dass die Jugendlichen die ihnen vermittelten Eindrücke nicht anders als durch ein blasphemisches Marienbild verarbeiten und ausdrücken konnten. Damit kann dieses Marienbild als Initiation in den gut-gemeint-Ritus, das Hauptsakrament des EKDismus, betrachtet werden.

Den Vogel schießt dann aber das Mädchen ab, dem die Deutung des Bildes obliegt (und jeder, der für diesen geistlichen Missbrauch verantwortlich zeichnet und halbwegs anständig ist, wird sich hoffentlich schämen und sich als Buße lebenslangem Einsiedlertum verschreiben.).

Als die Interviewerin fragt, was das Bild bedeuten solle, sagt sie: „Dass also quasi der Ursprung von Gott, und von, also Gott, liegt ja auch in der Kirche, und von Jesus, in der Maria liegt, und ja, den Rest kann man ja vielleicht auch auf Eigeninterpretation beruhen lassen.“

Eigentlich muss man dem Mädchen dankbar sein. Erstens erwähnt sie das Wort „Gott“ zwei-, den Namen Jesu einmal. Womit sie das Vorkommen des Namens des Herrn im Beitrag um signifikante 100% erhöht, und sich auch um das Wort „Gott“ verdient macht, das abgesehen von dieser Stelle genau einmal fällt.

Zweitens weist sie – natürlich durch ihr Unwissen völlig deformiert – auf die tragende und zentrale Rolle Mariens im Heilsgeschehen hin, und sogar auf Analogie und Urbild Maria – Kirche: Die Reformation krümmt sich vor Schmerz. Drittens zeigt das Mädchen, was unversehens geschehen muss, wenn die katholische Lehre verlassen wird: Ihr O-Ton bedeutet eindeutig eine Vergötzung Mariens – Gottes Ursprung läge in ihr. Hier wurde die Lehre der Kirche mit dem Argument abgelehnt, sie würde Maria zu hoch einschätzen, mit dem Ergebnis, dass Menschen sich die Sache selbst zusammenreimen und dann „logischerweise“ zum Fazit kommen, dass der Ursprung von Gott in Maria liegen müsse, wenn sie Gott geboren hat. D.h. wo nicht die katholische Lehre ist, herrschen „eigeninterpretatorisches“ Chaos und allgemeine Unklarheit. Phantom Punch: Die Reformation geht k.o.

Dieser kurze Abschnitt des Beitrages ist eindeutig ein Hilferuf der Jugend: Wir wollen Kirche, wir wollen sogar Kirche bauen. Wir wollen Maria. Wir wollen Glauben. Holt uns hier raus! Rettet uns davor, von Menschen belehrt zu werden, die nicht nur dümmer sind als wir, sondern die auch noch keinerlei Beziehung zu geistlichem Leben haben.

Können wir einen solchen Hilferuf unbeantwortet lassen?!