Heuchelei und Schwäche
Das letzte Gespräch mit einem Atheisten könnte Bände füllen, jedenfalls dient es als unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Was mir immer wieder auffällt, ist, dass man, wenn man die Kirche nicht mag, alles gleichermaßen gegen sie verwenden will.
Kleiner O-Ton: „Dann verurteilst du auch Homosexuelle?“ „Nein, ich sage, dass homosexuelle Akte objektiv schwer sündhaft sind.“ „?“ „Ob etwas schwere Sünde ist, kann ich nicht mit letzter Sicherheit feststellen, weil ich ins Menschenherz nicht hineinschauen kann, und damit etwas schwere Sünde sein kann, muss es mit vollem Wissen und Willen geschehen. Das kann ich nicht feststellen. Darum kann ich niemanden verurteilen.“ „Man kann es sich auch einfach machen.“
Ja. Das war die Antwort! Also: Dass ich als Katholikin den Menschen nicht verurteile, dass ich seine Taten objektiv zu betrachten versuche, aber ohne deshalb den Menschen zu verdammen, das wird mir ebenso angekreidet, wie mir mit Sicherheit angekreidet würde, wenn ich Menschen ob ihrer Taten verurteilen würde.
Wobei – vielleicht auch nicht! Der moderne säkulare Mensch neigt viel mehr als der Katholik jeglicher Zeit dazu, den Menschen nach seinen Taten zu bewerten. Die tatsächliche katholische Haltung wäre vielen Menschen viel zu „lax“. Denn sie selbst halten es für total normal, einen Menschen anhand seiner Taten, Gedanken und Einstellungen zu verurteilen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Scharia mit ihrem Ansatz, Gottes Recht zur menschlichen Justiz zu formen, dem säkularen System näherliegt als der katholische Fokus auf dem Gewissen und der persönlichen Gottesbeziehung!
Aber Spekulationen beiseite (Spekulatius dagegen ist so langsam wieder statthaft…): Der säkulare oder nicht katholische Mensch hat also ein Problem damit, zu unterscheiden zwischen Lehre, Mensch und Tat. Deshalb kann er auch nicht unterscheiden zwischen Schwäche und Heuchelei. So wird jede Schandtat eines katholischen Menschen zur katholischen Schandtat. Dabei ändert ja die Kirche ihre Lehre nicht, bloß, weil ein Katholik Böses tut. Im Gegenteil. Spannenderweise hat sie z.B. auch dann an ihrer Morallehre festgehalten, als Päpste Kinder hatten. Und kein Mord eines Katholiken wird als weniger schwerwiegend betrachtet, weil ein Katholik die Tat ausgeführt hat. Im Gegenteil. Da man davon ausgeht, dass ein Katholik weiß, was dem Heile dient, ist es eher wahrscheinlich, dass seine Schuld schwerer wiegt als die eines Nichtkatholiken.
Es ist also in hohem Maße unlogisch, die Kirche zu verurteilen für gegen ihre Lehre durchgeführte Greuel. Natürlich kann man damals Verantwortlichen jeweils vorwerfen, nicht genügend streng, eindringlich oder effektiv auf die Einhaltung der Lehre gedrängt zu haben (etwa zur Zeit der Hexenverfolgung vehementer gegen Aberglauben vorzugehen). Aber schauen wir doch nur heute, wie viele unserer Bischöfe sich trauen, gegen Missstände der Zeit laut das Wort zu erheben?! Der Mangel an Mut und Zeugnisbereitschaft ist also wirklich zu beklagen und zu verurteilen, aber meistens individuell, und wenn tatsächlich institutionell – etwa, weil besonders viele Bischöfe oder Priester durch Tat oder Unterlassung schuldig geworden sind – dann dennoch allein auf die Schwäche der Glieder des Leibes Christi bezogen, nicht auf die heilige Kirche an sich, und schon gar nicht auf ihre Lehre, die sich ja wie gesagt um kein Iota ändert wegen der Schändlichkeit ihrer Vertreter.
Dementsprechend ist es noch unlogischer, von individuellem Fehlverhalten eines Katholiken in moralischen Fragen auf die Lehre zu schließen, denn diese sagt ja gerade aus, dass jeder, ob katholisch oder nicht, Sünder ist. Und ohne die Maßstäbe der Kirche, die besagen, ob ein Verhalten Fehlverhalten ist, wäre es ja gar nicht möglich, Sünde zu identifzieren.
Es ist auch keine Heuchelei, wenn ein Mensch zu schwach ist, um sich an das zu halten, was er als gut erkennt: Natürlich kann ein Mensch z.B. unfähig sein zu leben ohne zu lügen, und dennoch jedes Mal, wenn er lügt, echte Reue darüber empfinden und sehr wohl von Herzen einsehen, dass er sich falsch verhält.
Je länger ich in einem säkularen Umfeld lebe, desto mehr empfinde ich den Mangel an Empathie mit der Schwäche des Menschen, das fehlende Wissen um den Unterschied zwischen dem Fall aus Schwäche und der Instrumentalisierung moralischer Vorstellungen für eigene Verbrechen, als Damoklesschwert, das über der zivilisierten Gesellschaft schwebt. Denn erstens wird dadurch ausnahmslos jeder zum Heuchler. Zweitens würde jeder Wert, jedes als gut erkannte Verhalten, seinen bindenden Wert verlieren, wenn es nur dadurch verbindlich würde, dass man es jederzeit zu 100% erfüllen kann!
Ich finde es ein bisschen ulkig, dass du in diesem Artikel, der unter anderem anderen undifferenzierten Umgang mit Fehlverhalten von katholisch orientierten Menschen vorwirft, selbst recht undifferenziert mit zum Beispiel diesem Vorwurf selbst umgehst.
Siehst du das selbst gar nicht so?
Und der letzte Absatz ist aus Sicht eines Atheisten natürlich noch mal … was Besonderes. Aber darüber diskutieren wir vielleicht besser gar nicht erst weiter.
„Ulkig“ ist ja erst mal gut.
Um hinten anzufangen: Natürlich kann man einem Weltbild anhängen, demzufolge TATSÄCHLICH sämtliches „Gut“ als reine Absprache aufgefasst wird. Damit gerät man nur sehr schnell an die Grenzen der real existierenden Welt – z.B. sind dann bereits Phänomene wie Gewissen oder evolutiv / sozial gesehen ungünstiges aber dennoch universell für gut empfundenes Verhalten (Heldenmut etwa) nicht erklärbar.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe. Wie meinst du undifferenziert in Bezug auf das, was ich schreibe?
Ich hab keine Ahnung, worauf du mir diesem mittleren Absatz hinauswillst. Stimme zwar nicht komplett zu, aber kenne niemanden, der das so sieht, daher kommt mir die Diskussion müßig vor.
Was das „undifferenziert“ angeht, denke ich an sowas wie
„Der säkulare oder nicht katholische Mensch hat also ein Problem damit, zu unterscheiden zwischen Lehre, Mensch und Tat.“
Ist es nicht relativ offensichtlich, dass es hier um allgemeine Tendenzen geht, nicht um jeden einzelnen Nichtkatholiken? Aber es ist doch wirklich ziemlich leicht, zu sehen, dass die säkulare Welt bei dem, was sie (ob zu Recht oder zu Unrecht) als Fehlverhalten verurteilt, ziemlich gnadenlos sein kann. – Was genau ist speziell mit dem letzten Absatz los?
– Crescentia.
Ist es nicht relativ offensichtlich, dass so eine Formulierung eher einen ungünstigen Eindruck hinterlässt?
Ich glaube, wir sind hier schon wieder zu weit auseinander, als dass eine weitere Vertiefung sich lohnen würde. Ich verabschiede mich mit besten Wünschen.
Sind wir echt so weit auseinander? Ich hätte nichts gegen eine freundliche Diskussion über das Thema. Aber, klar, wenn Sie es so besser finden, noch einen schönen Tag =)
Aaaaalso, dann habe ich dich richtig verstanden und muss trotzdem sagen: „Häh?“
Hier geht es doch um völlig andere Kategorien. Das eine ist die Beobachtung eines Sachverhalts. Das andere ist Verhalten / Handeln.
Natürlich kann ein Atheist oder Säkularer zutreffende allgemeine Beobachtungen machen, die nicht auf jedes katholische Individuum, aber doch auf die meisten oder auf den Rechtgläubigen Vertreter jener Zunft zutreffen. Das verurteile ich hier aber nicht, weshalb ich den Vorwurf, mich dessen schuldig zu machen, was ich vorwerfe, nicht nachvollziehen kann.
Ich beobachte im Allgemeinen einfach, dass es Säkularen schwer fällt, zu unterscheiden- und das belege ich ja auch. Z.B. wurde im Laufe des Gesprächs beklagt, dass die Kirche Alimente für Priesterkinder zahle. Das ist doch ein offensichtlicher Fall von Mangel an Unterscheidungsfähigkeit. Denn ich habe 1. die sexuelle Beziehung eines zum Zölibat Verpflichteten und 2. ein daraus entstandenes Kind. Zu 1. hat die Kirche eine klare Haltung, nämlich: Nicht okay. Sie macht dafür aber 2 nicht verantwortlich, und sieht sich dennoch in der Pflicht, Unterhalt für dieses Kind zu zahlen. Durch diese Zahlung erklärt sie aber nicht 1 für rechtens. Die KIRCHE differenziert hier also. Wer ihr Heuchelei vorwirft, kann das nur, wenn er behauptet, der Unterhalt bedeute Duldung dessen, was man zuvor ablehnt, so zeigt das, das zwischen Lehre, Handlung wider die Lehre und Folge der Handlung nicht unterschieden wird.
Wie anders soll man solches Fehlurteil einordnen als mit der Feststellung, das OFFENSICHTLICH hier Unterscheidungsschwierigkeiten bestehen?
Also um es kurz zu machen: Ich begründe die allgemeinen Ausführungen mit Beobachtungen, die ich im täglichen Umgang mache und mit Aussagen, die Atheisten / Säkulare machen und die ich entsprechend einordne. Was daran undifferenziert sein soll, weiß ich nicht.
Hallo, ich weiß gar nicht wirklich, wo ich anfangen soll (und ob ich wirklich will), aber die Aussage „dass die säkulare Welt bei dem, was sie (ob zu Recht oder zu Unrecht) als Fehlverhalten verurteilt, ziemlich gnadenlos sein kann.“ aus dem Mund eines katholischen Menschen lässt mich doch einfach zu …fasziniert zurück.
Na, das ist doch schon mal ein Anfang :D.
Wo sehen Sie denn Gnadenlosigkeit im Verhalten der Kirche?
Tatsächlich scheinen Sie hier nämlich typischen Vorurteilen anzuhängen: Die Kirche SAGT, was richtig und falsch ist (gemäß ihrer Lehre). Diese Feststellung kann aber nicht gnadenlos sein. Gnadenlos kann nur sein, was aus der Feststellung von Fehlverhalten rührt. Und hier ist die Kirche alles andere als gnadenlos: Sie lädt immer dazu ein, die Vergebung Gottes zu suchen. Sie glaubt fest daran, dass auch die schlimmste Sünde vergeben werden kann und dass ein Mensch auch von der schlimmsten Schuld WIRKLICH und gänzlich befreit werden kann und wird.
Die Kirche stellt auch fest, dass es höchste Tugend und das Gute bei allen Menschen jeglicher Religion und Weltanschauung geben kann.
Wo also sehen Sie konkret Gnadenlosigkeit im Verhalten der Kirche (ich kann bei 1,2,3 sagen, dass Sie jetzt mit Wiederverheirateten Geschiedenen etc. kommen, was allerdings alles andere als gnadenlos ist – denn diese Menschen werden ja keinesfalls aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen – obwohl sie offen gegen ihre Lehre handeln und leben – sondern schließen sich selbst durch ihre Lebensweise „lediglich“ vom Sakramentempfang aus: Während die Kirche dafür wirbt, dass sie sich dazu wieder in die Lage versetzen und diese Menschen eben gerade in ihrer Mitte BEHÄLT und sie NICHT hinauswirft…nur um schon mal ein Beispiel zu nennen…)
Ein Beispiel: Nehmen Sie den Marsch für das Leben. Als Katholik kann man ohne größere Schwierigkeiten annehmen, dass die Gegendemonstranten wirklich glauben, sich für eine gute Sache einzusetzen, auch wenn sie sich objektiv für eine falsche Sache einsetzen (bzw. einfach Krawall machen). Aber auf der Seite der Gegendemonstranten scheint es allgemeine Überzeugung zu sein, dass die Demonstranten einfach böse, böse, böse sind und Frauen unterdrücken wollen und das Mittelalter zurückholen wollen (Letzteres wäre in mancher Hinsicht gar keine so schlechte Idee, aber wenn man keine Ahnung vom Mittelalter hat… na ja, das gehört nicht zum Thema).
Vielleicht sollten wir in der Diskussion – wenn wir diskutieren wollen – einfach konkreter werden. Kommentare wie „Hm, also das fasziniert mich jetzt“ tragen nicht unbedingt viel bei, weil sie keine Argumente enthalten. Sie können ja Beispiele geben.
– Crescentia.
Nun, ich hoffe es gab tief schürfenderes vom Atheisten, als die – ja eigentlich eher politisch zu verortende, geradezu zwanghafte Beschäftigung mit dem Sexualverhalten von 5% der Bevölkerung und die entsprechende Wertung der katholischen Kirche.
Letztlich ist Atheismus ein nachvollziehbares Konzept, zeitweise ja sogar bei vielen gläubigen Menschen (und manchmal dann bis zum Lebensende.
Wenn man Gott nicht fühlt, dnn helfen letztlich eben auch keine noch so logischen Betrachtungen waum es ihn geben könnte, nach der Art „was aber wenn es alles war ist?“.
Im Leben des Durchschnittsmenschen dürfte Religion dann eben auch viel zu weit entfernt sein, um das Thema regelmäßig auf die Tagesordnung zu bekommen.
Eine der schwierigsten Probleme für der „Glaubenswilligen“ dürfte die Vergegenwärtigung allgegenwärtigen Leids beim Versuch dies mit dem Konzept eines liebenden und gleichzeitug allmächtigen Gottes zu sein
Spätestens beim namenlosen Leid das unschuldigen Kindern angetan wird, reicht „Seine Wege sind unergründlich“ eben nicht aus (ich sage das jetzt so, ob ein tief gläubiger Mensch darüber wirklich Trost erhält, kann und will ich nicht beruteilen, als Vater erscheint es mir unmöglich).
Letzten Endes kann man aber auch nicht die Kirche aus der Verantwortung entlassen.
Der suchende tut sich gerade bei der amtlichen Verwaltungskirche schwer, einen Ansprechpartner zu finden, der durch vermittelte glaubenstiefe einen Anknüpfungspunkt, einen Start der weiterführt.
Dazu kommen Hirten die (Sie brachten es ja selbst als Beispiel) ihre eigenen Sakramente als obsoletes Gepäck betrachten, All inclusive Bischöfe, die ein mehrfaches der normalen Bevölkerung verdienen und mit Luxuskarossen umherreisen, Kardinäle die ein Kreuz als Schmuckstück betrachten, das jederzeit weggelegt werden kann und die Vertreter der Politkirche die – hat Kirche das nicht immer getan?- das haus des Herrn mit den Botschaften des politmainstreams besudeln, wo sie ihn anbeten sollten.
Außerderm: Wie bringt man eigentlich den biblischen Glauben, der ja irgendwo bestechend schlicht ist, mit dem komplizierten „Glaubensbohei“ der Kirchen zusammen?
Bei Ihnen finde ich bemerkenswert, dass selbst „nur“ durch einen Blog wenigstens eine Ahnung von Glaubenstiefe vermittelt wird, die real exitierende Marx und Käßmannkirche lässt das Konzept des Atheiśḿúś´jedenfalls in ziemlich hellen Licht erstrahléń..
Ich kann Ihnen in vielem zustimmen. Z.B. beschwerte sich selbiger Atheist (leider waren seine Beiträge allesamt nicht tiefschürfend, im Gegenteil) über die Kirchensteuer – lustigerweise ein Fall, in dem sich die Kritik von Kirchengegnern und Hardcore-Katholiken DECKT. Auch wir wünschen uns nämlich nichts mehr als das die Kirche endlich die Pfründe verliere, die sie an den Staat ketten und unsere Bischöfe träge und lau machen. Gäbe es keine Kirchensteuer, würde der aufgeblasene Apparat, der tatsächlich oft nichts mehr von Seelenrettung wissen will, zusammenbrechen und nur der gesunde Trieb am Baum würde überleben – Christentum blüht erfahrungsgemäß dann, wenn es etwas KOSTET, Christ zu sein.
Zum Thema „Gott fühlen“: Hier muss ich „jein“ sagen. Gerade das Wissen, dass Gott vernunftgemäßerweise existiert, gibt Sicherheit über seine Existenz: Diese hängt nämlich nicht von unseren Gefühlen ab (sonst wäre es nicht Gott, sondern menschliche Kreation). Große Gläubige haben viel Zeit in tiefster „Gottverlassenheit“ zugebracht, also ohne das tröstende Gefühl seiner Gegenwart. Obwohl ich also keinesfalls sagen will, es sei leicht , zu glauben ohne Gott zu spüren, möchte ich doch betonen, dass die Engführung von Glaube und Gefühl eine recht neue Sache ist, und zwar eine typisch nachmittelalterlich verweichlichte: Wenn ich nach der Wahrheit frage, frage ich nach Fakten, nicht nach Gefühlen, der moderne Mensch versucht, zu spüren, was wahr sei und landet damit natürlich sofort an den Grenzen seines Erkenntnis- und Erfahrungshorizonts. Aber das ist ja das Traurige: Ich bleibe innerhalb meiner Erfahrungswelt und erkläre deren Grenze zur Grenze der existierenden Welt. Ich erkläre Gott für unmöglich, weil ICH ihn (noch) nicht erfahren habe. Das ist nicht besonders…weitsichtig. Dann ist ja die Frage, wie man Menschen den Raum öffnet, in dem sie Gott erfahren können. Und hier, ja, unsere Schuld, sind es die Käßmanns und Marxe und Konsorten und Knalltüten, die geradezu planmäßig jeden Zugang zu Gott zusperren durch die Reduzierung des Glaubens auf Wohltätigkeit und soziale Gerechtigkeit, durch Zerstörung des Mysteriums (Liturgie) oder einfach durch unchristliches Verhalten etc etc etc, ich könnte lange klagen. Aber die Frage ist auch: Will ich? Wie viele Menschen gehen denn einfach mal ein halbes Jahr lang regelmäßig in die Anbetung und setzen sich vor den Tabernakel und schauen, was passiert? Kaum jemand. Aber dafür sind die Gläubigen natürlich absolut mitverantwortlich, und das ist sträfliche Missachtung des Auftrags der Kirche.
Was die von Ihnen angesprochene Theodizee betrifft, muss ich zugeben, dass ich dieses Problem noch nie verstanden habe. Wirklich noch nie. Denn man muss doch die Welt im Zusammenhang wahrnehmen: Gäbe es NUR Leid, ja. Aber es gibt definitiv nicht NUR Leid, und jeden Tag entscheiden sich Menschen für das Gute. Das bedeutet, dass es offenbar Freiheit gibt. Wenn jemand, der Christen verfolgt, eines Tages beschließt, sich für Christus töten zu lassen, dann zeigt das: Sozialisierung, Überlebenstrieb, blabla hin oder her, der Mensch hat Freiheit gegen all das GUT zu handeln. Also hat er auch Freiheit, gegen Gottes Willen SCHLECHT zu handeln. Das Leid in der Welt ist eine mögliche Bestätigung der christlichen Lehre.
Vielen Dank für die Blumen 😀
Ihr Absatz: Außerderm: Wie bringt man eigentlich den biblischen Glauben, der ja irgendwo bestechend schlicht ist, mit dem komplizierten „Glaubensbohei“ der Kirchen zusammen?
inspiriert mich zum nächsten Blogartikel 😉
Wobei ich allerdings zum Thema Kirchensteuer sagen würde: Sie wäre an sich gut, wenn sie nur richtig verwendet werden würde. Wenn die Kirche Geld hat, ist das erst mal *nicht* schlecht, weil sie damit ja Gutes tun kann (Caritas, Jugendarbeit, kirchliche Krankenhäuser, Hospize, Schulen, Hilfe für die Kirche in ärmeren Ländern…). Dass gerade auch Geld falsch verwendet wird, spricht nicht dagegen, etwas zu ändern und es einfach richtig zu verwenden. Der Satz „Christentum blüht erfahrungsgemäß dann, wenn es etwas KOSTET, Christ zu sein“ ist viellleicht eher so halb richtig; also, ich meine, natürlich kann aus Leid und Verfolgung Gutes wachsen, aber deswegen sollte man Leid und Verfolgung nicht suchen. Natürlich entscheiden sich manchmal Menschen erst entschieden für das Gute, wenn sie in eine schwierige Situation kommen, wo es sie etwas kostet – aber andere Menschen geben dann der Angst nach und entscheiden sich dagegen. Schon die antike Kirche, die für ihre vielen heroischen Märtyrer berühmt ist, hatte in der Praxis große Probleme mit den „lapsi“, die in Verfolgungszeiten vom Glauben abfielen und das später wieder bereuten und wieder zur Kirche gehören wollten. (Die rigoristischen Christen damals waren ja dagegen, ihnen zu verzeihen und sie wieder aufzunehmen.) Ich finde, man sollte sich eher bemühen, das Tun des Guten einfach zu machen, als es zu erschweren. (Eine arme Kirche und eine verfolgte Kirche sind natürlich nicht dasselbe, aber das mit dem „etwas kostet“ bezog sich ja u. a. auch auf Christenverfolgungen, oder?)
– Crescentia.
sicher, immer wenn ich mir selbst Probleme mit der Kirche mache, sage ich mir. Ok und was hat das jetzt mit Deiner Beziehung zu Gott zu tun?
Sehen Sie mir als Wanderer auf krummen Pfaden nach, dass es mich manchmal in die Irre führt.
Nun, es könnte auch helfen, sich zu fragen, in welcher Beziehung das Problem zur Kirche steht. Also, ein Problem mit einer Lehre bedeutete höchstwahrscheinlich, dass ICH etwas nicht verstanden habe. Ein Problem mit einem Kirchenmitglied oder einem Priester dagegen efindet sich auf einer anderen Ebene…ich meine nicht Sie persönlich, aber viele haben ja da schon mit der Unterscheidung Probleme.
Und niemand MUSS in die Irre gehen. Das ist auch immer eine persönliche Entscheidung. Ich kann jedenfalls im Nachhinein über alle meine Irrwege sagen, dass sie, ganz gleich, wie viel Verantwortung andere davon haben, AUCH mit meiner Entscheidung zu tun hatten, auch, wenn ich es manchmal ehrlich nicht bemerkt habe.
Ich finde, die Frage danach, wieso ein guter Gott Leid zulässt, ist für einen Christen eigentlich nicht schwer zu beantworten: Unser Gott ist schließlich selber einen grauenvollen Tod gestorben. Ich weiß nicht, ob andere Religionen mehr Probleme damit haben, diese Frage zu beantworten, aber sie war nie ein logisches Problem für mich, als es darum ging, den katholischen Glauben anzunehmen. (Zumal ja das meiste Leid direkt durch den freien Willen irgendeines Menschen verursacht wird, und es ziemlich logisch ist, dass Gott den freien Willen des Menschen zulassen wird, weil er keine Roboter erschaffen will.) Auch dann, wenn ich die Welt, wie sie ist, gerade ziemlich scheiße finde, macht das keine logischen Probleme für meine Weltanschauung. So geht es zumindest mir persönlich.
Ich würde sagen, der biblische Glaube ist alles andere als bestechend schlicht. Die Bibel ist ziemlich kompliziert und an manchen Stellen scheinbar widersprüchlich. Nehmen Sie allein die Dreifaltigkeit: Wenn man nur das Neue Testament hätte, wie würde man dann die verschiedenen Aussagen zu dem Verhältnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist in eins bringen? Das hat in der frühen Kirche Jahrhunderte gedauert, bis man sich da in den Einzelheiten einig war. Oder wie genau funktioniert die Erlösung? Was ist alles Sünde, was nicht? Die protestantischen Kirchen, die nur die Bibel als Grundlage ihrer Lehre nehmen wollen (was sie nie ganz durchziehen können – natürlich verlassen sie sich auch auf alte Glaubensbekenntnisse, auf ihre Gründer wie Luther, etc.) sind sich in so vielen Dingen uneinig – weil der biblische Glaube eben nicht schlicht und klar ist.
Und die Welt ist ja auch kompliziert; deswegen kann auch eine Religion nicht einfach nur ein paar schlichte, platte Lehren haben, sondern sie muss der Komplexität der Wirklichkeit gerecht werden.
– Crescentia.
Nun was das Thema Leid angeht, haben wir nicht nur einen guten sondern eben einen allmächtigen Gott.
Da er schon vom Ende her weiß, dass z. B. ein Mensch einem Kind etwas fürchterliches antun wird, wäre es aus meiner Sicht keine Einschränkung der Freiheit, wenigstens ein schreckliches Leiden zu beenden, wenn das Konzept schon nicht einen Eingriff in die Tatausführung als solche ermöglicht.
Und ja, z. b. der heidnische Glauben macht es da leichter, weill die Götter mächtig aber nicht allmächtig sind und darüber hinaus durchaus launisch oder nachlässig. Außerdem stehen ihnen gleich mächtige böse Kräfte gegenüber. Sie haben eben nicht die Macht wenigstens das schrecklichste Leid zu verhindern.
Was die Einfachheit des biblichen Glaubens angeht, meinte ich das uns Christus ein einfaches Gebet an die Hand gibt um den Vater anzubeten, ein einfaches Abendmahl und die zwei wichtigsten Gebote, sowie die tröstende Erkenntnis das er immer unter uns ist, wenn zwei oder drei in seinem Namen zusammenkommen..
Das finde ich eben bestechend schlicht.
Na ja: Aber Gott wusste auch, wie eine Kreuzigung aussieht und hat trotz seiner Allmacht keinen anderen Weg für sich selber gewählt. Er hat auch hier dem freien Willen seiner Geschöpfe mehr Raum gegeben, als wir vielleicht für nötig halten würden. Von daher kann man sagen „Okay, ich aus meiner Perspektive sehe keinen Sinn dahinter“, aber es ist sehr wohl logisch, zu sagen, dass aus Gottes Perspektive einer dahinter stehen muss, wenn er Leid zulässt. Ich finde es übrigens faszinierend, wie das Buch Ijob genau diese komplizierte Frage angeht.
Der heidnische Glaube hat natürlich mit nicht allmächtigen Göttern bzw. bösen Göttern gleich mal andere philosophische Probleme. Aber ich würde mal behaupten, dass die meisten typisch heidnischen Religionen (ich nehme Buddhismus, Zoroastrismus und so aus und beziehe mich mal nur auf griechische, römische, aztekische, germanische o. Ä. Götter) eh keine durchdachte Theologie haben, die moralische Fragen beantwortet, sondern einfach Mythen.
Aber das sind schließlich nicht die einzigen Bibelstellen – und auch Jesus hat viele andere, auch schwierig zu verstehende Sachen gesagt – was ist mit der Verfluchung des Feigenbaums, der Aussage über die Lästerung des Heiligen Geistes, oder der Begegnung mit der kanaanäischen Frau? Was ist mit den Reden über das Weltende, oder den Forderungen der Bergpredigt? Wie genau man das alles verstehen soll, das ist nicht unkompliziert. Oder was ist zum Beispiel, um eins von Ihren Beispielen zu nehmen, mit der Frage, wie wir das Abendmahl verstehen sollen? Ist Jesus da wirklich da oder nur symbolisch oder wie oder was? Dann das Vaterunser. Ist „Führe uns nicht in Versuchung“ so gemeint, dass Gott selber uns zum Bösen verführen könnte? Natürlich nicht, aber hier sieht man wieder: Es ist nicht immer alles so einfach, wie es scheint.
Ich muss sagen, der Atheismus als Weltanschauung, also die Ansicht, dass überhaupt kein höheres Wesen existiert, sondern die Welt, die wir sehen, alles ist, was da ist, hat für mich nie Sinn gemacht. Nicht, weil ich besonders spritiuell veranlagt wäre, sondern weil das einfach unlogisch ist. Der Atheismus als praktische Lebensweise ist wieder was anderes. Das hat eher was mit der Frage zu tun, ob Leute sich überhaupt Gedanken über die Wahrheit machen, oder ob sie nach dem leben, was sie als Wahrheit erkannt haben.
Noch was: Real existierend sind zum Beispiel auch Papa emeritus Benedikt XVI., Bischof Stefan Oster, Bischof Robert Barron aus den USA, Robert Spaemann, Jörg Splett, Stift Heiligenkreuz, Jugend 2000 o. Ä. =) Zum Glück gibt es nicht nur Käßmanns bei uns…
Im Prinzip halte ich Atheismus für unlogisch, aber Sie, verehrter Andreas, legen den Finger in die Wunde so mancher heutiger kirchlicher Medienvertreter (das Wort „Medien“ habe ich mit Hintergedanken zugefügt).
Da halte ich mich lieber an das Volk Gottes, das im Glauben „Amen“ sagt zum Heiligen, und nicht unbedingt zu jedem Presse-Stetement.
Ja natürlich, da haben Sie letztlich Recht, aber zu diesem Glauben muss man ja zunächst kommen.
Mit der Kirchensteuer beziehe ich mich auf die Situation so,wie sie de facto ist. Natürlich ist sie nicht per se schlecht. Und ebenso bezüglich der Verfolgung. Ich behaupte ja nirgends, man solle Verfolgung suchen. Auch hier ist es einfach eine Beobachtung, die man eben machen kann, dass das Christentum stark wird in der Verfolgung. Mehr sage ich nicht.